Grünstadt Neue Datenschutzverordnung: Ist die Panik berechtigt?

Welche Folgen hat die Datenschutzgrundverordnung DSGVO für Fotografen? Steht die Fotografie, wie wir sie kennen, vor dem Aus? Un
Welche Folgen hat die Datenschutzgrundverordnung DSGVO für Fotografen? Steht die Fotografie, wie wir sie kennen, vor dem Aus? Unter Rechtsexperten läuft dazu eine hitzige Debatte.

Interview: Morgen ist die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) voll gültig. Die Aufregung ist daher groß. Benjamin Fiege sprach mit dem Kölner Medienanwalt Christian Solmecke über Sinn und Zweck der DSGVO, den Schutz vor Abmahnanwälten und ob sich Tante Käthe und ihr Häkelblog nun auf Bußgelder in Millionenhöhe einstellen müssen.

Herr Solmecke, momentan herrscht im Netz ja Stimmung, als würde morgen das Internet abgeschaltet. Ist die große Panik denn berechtigt?

Es kommt darauf an. Tatsächlich bringt die DSGVO einige Änderungen mit sich, die für viele neu und umfangreich sein werden. Auch die Bußgelder wurden drastisch erhöht. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Aufsichtsbehörden die Bußgelder gerade gegenüber kleineren Unternehmen nicht so schnell und nicht in der angedrohten Höhe verhängen werden. Für gravierender halte ich die Gefahr von Wettbewerbern, die im geschäftlichen Verkehr Abmahnungen versenden werden. Hier gilt es, Ruhe zu bewahren, zum Anwalt zu gehen und sich beraten zu lassen. Denn vieles zur DSGVO ist noch sehr unklar und dies werden sicher einige versuchen, auszunutzen. Letztlich werden die Gerichte hier hoffentlich mehr Klarheit schaffen. Um welche Daten geht es bei der DSGVO denn konkret? Welche Daten fallen unter ihren Schutz? Der Datenschutz sichert das Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“. Geschützt sind danach personenbezogene Daten. Auf Deutsch sind das alle Informationen, die irgendwie, sei es auch mit technischen Hilfsmitteln, einer natürlichen Person zugeordnet werden können und Rückschlüsse auf sie zulassen. Beispiele sind: Name, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, IP-Adresse und IBAN. Vor allem die hohen finanziellen Strafen, die im Raum stehen, machen den Leuten Angst. Es scheint aber nur schwer vorstellbar, dass Tante Käthe wegen eines nicht korrekt gehandhabten YouTube-Videos auf ihrem Häkelblog in den wirtschaftlichen Ruin getrieben wird. Oder? Nein, das wird hoffentlich nicht passieren. Aber eine völlige Entwarnung können wir nicht geben. Bußgelder müssen zwar nach Art. 83 Abs. 1 DSGVO „in jedem Einzelfall wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein. Dabei muss auch eine ganze Reihe von Kriterien mit einbezogen werden, die sich aber nur auf die Umstände des Verstoßes und seiner Aufdeckung beziehen, nicht aber auf die Größe des Unternehmens. Die maximale Höhe – 4 % des Jahresumsatzes – wird aber eher bei gravierenden Verstößen großer Unternehmen verhängt werden. Wie kann man sich denn gegen Abmahnanwälte am besten wehren? Man sollte keinesfalls Unterlassungserklärungen unterschreiben oder die geforderten Summen zahlen. Bei einer so unklaren Rechtslage wird es sich häufig lohnen, sich mit Hilfe eines Anwalts zu wehren und gegebenenfalls vor Gericht zu ziehen. Kann man sich im Netz denn in Zukunft überhaupt noch ohne anwaltlichen Beistand bewegen? Es gibt durchaus viele hilfreiche Infos im Netz, die helfen, die DSGVO umzusetzen. Und auch eine aktuelle Datenschutzerklärung kann man sich alternativ zur anwaltlichen Beratung durch unseren Datenschutzerklärungs-Generator erstellen lassen. Und letztlich bleibt eh abzuwarten, wie streng das Ganze letztlich durchgesetzt werden wird, schließlich galten viele Normen bereits nach alter Rechtslage. Trotzdem ist diese Frage nachvollziehbar. Denn man muss etwa die Erwägungen, aufgrund derer man personenbezogene Daten verarbeitet, dokumentieren. Oft ist die Erlaubnis aber das Ergebnis einer Grundrechtsabwägung (berechtigtes Interesse). Und im Rahmen der Informationspflichten (etwa in der Datenschutzerklärung) muss man sogar die Rechtsgrundlage angeben, auf der die Datenverarbeitung beruht. Als juristischer Laie hat man hier wenig Ahnung, wie so eine Abwägung stattfinden soll. Geschweige denn, welche Erlaubnisnorm letztlich einschlägig ist. Am Ende ist klar, wer es sich leisten kann, lässt sich aus Sicherheitsgründen tatsächlich anwaltlich beraten. Der Beratungsbedarf unserer Mandanten ist jedenfalls sehr hoch. Erscheint Ihnen die DSGVO sinnvoll? Einerseits wird von jenen, die Daten erfassen und verarbeiten, größtmögliche Transparenz gefordert. Auf der anderen Seite hat man das Gefühl, das kein normaler Mensch das „neue“ Gesetz versteht. Die DSGVO ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sie wird der Vereinheitlichung des bisherigen Flickenteppichs beim Datenschutzrecht dienen. Misslungen sind die umfangreichen Informations- und Protokollpflichten, die auch für Selbstständige und kleine Unternehmen gelten. Dies führt zu viel Bürokratie und ist in der Praxis kaum zu erfüllen. Es bleibt zu hoffen, dass die Gerichte hier Spielraum lassen. Hauptziel der Bußgelder war es ja, die großen internationalen Unternehmen zu treffen und sie zu Handlungen zu zwingen. Tatsächlich ist hier bereits einiges geschehen – nicht nur wurden die Datenschutzerklärungen und –richtlinien angepasst, sie wurden sehr viel nutzerfreundlicher gestaltet, weil sie – wie es die DSGVO verlangt – transparent, leicht zu finden, übersichtlich und in leichter Sprache sind. Und falls hier dennoch gegen Datenschutzrecht verstoßen wird, hoffe ich, dass die Aufsichtsbehörden von ihrem Recht, Bußgelder zu verhängen, auch Gebrauch machen wird. Hoffentlich werden die Instrumente nicht dazu genutzt, vornehmlich gegen die kleineren Unternehmen vorzugehen, die jetzt eh völlig mit der Umstellung überfordert sind. Wundert es Sie, dass erst jetzt die DSGVO zum großen Thema wird? Verabschiedet wurde das Gesetz doch schon vor geraumer Zeit. Das ist tatsächlich weniger ein rechtliches, sondern mehr ein psychologisches Thema: Es nennt sich Prokrastination. Die DSGVO ist seit zwei Jahren in Kraft, wird jetzt aber erst anwendbar. Der Mensch hat aber die Angewohnheit, unangenehme Dinge aufzuschieben. Und da dies in großem Maß geschehen ist, hat niemand sich vorher darum gekümmert. Jetzt aber merken alle, wie viel zu tun ist und bekommen Panik. Das rührt die mediale Berichterstattung an, sodass auch der letzte von dem neuen Gesetz erfahren hat. Das Thema Internet-Marketing und Werbung könnte sich aber durch die DSGVO weitreichend verändern. Läutet die DSGVO das Ende der personenbezogenen Werbung im Netz ein? Nein, das Ende der personenbezogenen Werbung wird das nicht bedeuten. Zum einen können viele Maßnahmen weiterhin unter die Erlaubnisnorm „berechtigtes Interesse“ gestützt werden. Und abgesehen von diesen Fällen wird die informierte Einwilligung eine größere Rolle spielen. Zwar können die Unternehmen künftig auch nicht mehr ganz so leicht heimlich Internetnutzer zu Werbezwecken ausspähen. Doch letztlich werden sie einen Weg finden, den Nutzern Einwilligungen so leicht wie möglich zu gestalten und so schmackhaft wie möglich zu machen. Das sieht man ja zum Beispiel bei Facebook. Sie selbst als Anwalt ja auf YouTube ziemlich aktiv. Nutzen Sie denn eigentlich auch privat die sozialen Medien? Oder ist man als Jurist da misstrauischer, was die großen Datenkraken angeht? Bei der Frage musste ich lachen. Ja, ich bin sehr misstrauisch, aber ja, ich nutze die sozialen Medien auch privat. Zur Person Christian Solmecke hat sich als Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei Wilde Beuger Solmecke auf die Beratung der Internet- und IT-Branche spezialisiert. So hat er in den vergangenen Jahren den Bereich Internetrecht/E-Commerce der Kanzlei stetig ausgebaut. Solmecke betreut zahlreiche Medienschaffende, Web 2.0-Plattformen und App-Entwickler.

Christian Solmecke
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