Grünstadt Heitere Suche nach dem echten Pfälzer

„100 Prozent Pälzer“: Bürgermeister Kurt Janson, Cartoonist Steffen Boiselle, Weingräfin Julia IV. und Laudator Michael Konrad b
»100 Prozent Pälzer«: Bürgermeister Kurt Janson, Cartoonist Steffen Boiselle, Weingräfin Julia IV. und Laudator Michael Konrad bei der Verleihung des Preises der Emichsburg.

Am Ende entrollte Boiselle – zum Zeichen, dass er mehr ein Mann des Bildes als des gesprochenen Worts sei – ein Plakat: „Donkschää!“ Noch nie habe er einen Preis bekommen – „und nun von Null auf Hundert in die erste Pfälzer Liga!“ Seine Freude war groß – über den Preis und darüber, dass es ihm gelungen ist, seine Leidenschaft zum Broterwerb zu machen. „So jemand wie ich muss zeichnen, und bisher hat es auch ganz gut funktioniert, davon zu leben.“ Einzigartig war der Rahmen dieser Preisverleihung. Unter schweren mittelalterlichen Gewölben vollzog sich zunächst ein protestantischer Mundartgottesdienst, dem Timo Benß an der Orgel besonders volkstümliche Akzente gab: Fröhlich ließ er mit allen jubelnden Stimmen des Instruments zum Eingang den Marsch „Auf ihr Brieder in die Palz“ erschallen, zur Kollekte intonierte er „Money, Money“, und zum Abschluss brachte er es sogar fertig, dass die Gemeinde erst vereinzelt, dann ganz einig – und dazu ohne jedes Liedblatt – in Kurt Dehns Walzerlied vom „gude Palzwoi“ einstimmte. Was Pfarrer Paul Metzger dazwischen predigte – Erlebnisse des Pfarrers im Grünstadter Fitness-Studio mit herrlichem Blick auf das amerikanische Depot – kam passagenweise einer Büttenrede gleich, war aber von so freundlichem Ernst erfüllt, dass man es kaum falsch auffassen konnte. Ob aber die Erfrischung, die der abgekämpfte Geräteturner anschließend unter der Dusche empfindet, wirklich geeignet ist, die innere Neugeburt zu verdeutlichen, von der Jesus Christus im Predigttext spricht, wäre noch weitläufiger zu erörtern. Feine Musik leitete zum zweiten Teil des Festvormittags über: Dietrich Amadeus Mayer und Harry Müller brachten im Duo Flute, Strinxs & Voice Mozarts berühmte Alla Turca aus der A-Dur-Klaviersonate KV 331 und anderes zum bemerkenswert feinen, filigranen Vortrag, dem man diesmal richtig nachzuhorchen hatte, weil die Musiker auf jede elektrische Verstärkung verzichtet hatten. Bürgermeister Kurt Janson (parteilos), der schon so viele Bockenheimer Mundartpreise überreicht hat, trat zum letzten Mal in dieser Funktion vor das Mikrofon und teilte aus der Jury-Begründung mit, dass der Förderkreis nicht nur Boiselles Cartoons, sondern auch sein verlegerisches Wirken in seinem „Agira“-Verlag würdigt, weil dieser immer wieder qualitätsvoller regionaler Literatur eine Plattform biete. Laudator Michael Konrad und Steffen Boiselle sind seit zwölf Jahren insofern eng verbunden, als damals sowohl die RHEINPFALZ AM SONNTAG als echte pfälzische Nachfolgerin der SONNTAG AKTUELL konzipiert wurde als auch Boiselles „100 Prozent Pälzer“, so dass Boiselles Cartoon seit der ersten Ausgabe fester Bestandteil der Sonntagszeitung ist. Konrad ging in seiner Laudatio von der Frage aus, was einen hundertprozentigen Pfälzer im Gegensatz beispielsweise zum totalen Hessen ausmache. „Wo liegt der Markenkern der Pfälzer?“ Konrads Antwort: die Sprache. Der pfälzische Dialekt sei nämlich, verschiedenen Umfragen zufolge, ziemlich unbeliebt, und das Wissen darum bringe den typischen Pfälzer im nichtpfälzischen Ausland sofort in die Defensive: Statt seinen Zungenschlag so selbstbewusst wie der Bayer, der Schwabe oder der Berliner an den Mann zu bringen, verfalle er in eine eigentümliche Sprache, die er – und nur er – für Hochdeutsch halte. Diese auswärtige Zaghaftigkeit sei sozusagen die Kehrseite des durchaus auftrumpfenden Auftretens des Pfälzers dort, wo er sich heimisch fühlt. Der hundertprozentige Pfälzer, bilanzierte Konrad, sei zuallererst ein Mensch mit seinen Eigenheiten und Fehlern, und die wiederum seien es, die Steffen Boiselle gern aufs Korn nehme. Die besondere Qualität seiner Zeichnungen liege nun darin, dass der „gute Gag“ nicht Selbstzweck bleibe, sondern zur „erhellenden Analyse“ fortschreite. Boiselles Cartoons seien voller dringend nötiger Leidenschaft und Frechheit, und insofern hätten sie den Preis der Emichsburg „zu 100 Prozent verdient“. Begonnen hatten die Mundarttage am Samstag mit einer von den Organisatoren als voller Erfolg bezeichneten Weinprobe. 75 Gäste füllten den Rittersaal im Schloss Janson, genossen acht Weine und amüsierten sich über kurzweilige Anekdoten, die Steffen Boiselle aus seinem Leben als Cartoonist zu erzählen wusste.

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