Frankenthal Zur Sache: Die Geschichte der Mennoniten-Brüdergemeinde

Vor 40 Jahren, am 17. Juni 1977 wurde in Frankenthal die Mennoniten-Brüdergemeinde gegründet. Damals trafen sich neun Personen in einer Mietwohnung. Heute kann die Gemeinde auf ein großes Aufbauwerk zurückschauen. 1984 wurde das Gemeindehaus in der Hanns-Fay-Straße, 1994 das in der Wormser Straße eingeweiht, 1999 folgte eine Bibelschule in Höningen, 2011 ein Missionshaus. Die Michael-Sattler-Grundschule in Heßheim nahm 2014 ihren Betrieb auf, erhielt dieses Jahr die staatliche Anerkennung und wird zweizügig ausgebaut. Doch die Geschichte dieser Glaubensgemeinschaft ist weit älter. Bereits neun Jahre nach der Begründung einer Gemeinde durch Glaubensflüchtlinge unter Petrus Dathenus lud dieser 1571 im Namen des Kurfürsten Friedrich III. zum Frankenthaler Religionsgespräch ein. Die Täuferbewegung im süddeutsch-schweizerischen Raum hatte seit der Reformation Zuwachs erfahren. Der Kurfürst erhoffte sich neue reformierte Landeskinder, aber es kam zu keiner Einigung. Durch das Wiedertäufermandat des Speyerer Reichstags 1529 waren Täufer in der Pfalz weiterhin vom Tod bedroht. Entstanden war die Bewegung in den 1520er-Jahren aus den Bibellesekreisen von Ulrich Zwingli. Die Vertreter der Erwachsenentaufe wurden von Beginn an verfolgt. Felix Manz wurde 1527 im Limmat ertränkt. Michael Sattler wurde im gleichen Jahr in Rottenburg am Neckar verbrannt, er verfasste die Bekenntnisschrift der „Schleitheimer Artikel“. Der Friese Menno Simons begründete in den 1540er-Jahren das Prinzip der Gewaltfreiheit: „Kein Christ zieht das Schwert oder widersteht dem Bösen.“ Doch auch seine Anhänger, nun Mennoniten genannt, wurden verfolgt. Viele wanderten nach Osten in den Schutz des Königs von Polen. Im Weichseldelta legten sie weite Gebiete trocken. Um die Kurpfalz nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder aufzubauen, erteilte Kurfürst Karl Ludwig 1664 eine Generalkonzession, die Mennoniten die Ansiedlung gestattete. Die Eppsteiner Mennoniten gründeten 1779 eine Gemeinde, die noch heute besteht. Alle 14 Tage hält die Pastorin Gottesdienst in der kleinen Kirche in der Leininger Straße 10. Die 1787 errichtete Kirche in der Hintergasse 22 steht unter Denkmalschutz. Mit den polnischen Teilungen 1772 und 1793 kamen die Mennoniten an der Weichsel unter preußische Herrschaft. Vom Wehrdienst bedroht, folgten viele dem Ruf der Zarin Katharina und zogen in die Südukraine. Chortitza und Molotschna wurden zu Zentren mennonitischer Koloniegründungen. In den 1850er-Jahren wurden die Kolonien „Am Trakt“ und Alt-Samara östlich der Wolga zu weiteren Zentren. Die ersten Mennoniten-Brüdergemeinden entstanden 1860 als Reformbewegung unter den Mennoniten in der Ukraine und Russland. Eine große Rolle spielte hierbei der aus Württemberg stammende Pietist Eduard Wüst. Prüfungen erfuhren die Mennoniten in der Zeit des stalinistischen Terrors der 1930er-Jahre, bei der Deportation 1941 nach Kasachstan und Sibirien und unter dem antireligiösen Kurs Chruschtschows bis 1964. In den 1970er-Jahren und nach 1989 wanderten viele nach Deutschland aus. Die ehemals kleine Brüdergemeinde in Frankenthal wurde zum Anziehungspunkt in der Region. Eine weitere Gemeinde gründete sich in der Beindersheimer Straße.

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