Frankenthal Zart wie ein Spitzentuch

Begeistert von der musikalischen Vielfalt und Qualität waren die Zuhörer am Sonntagnachmittag beim Akkordeon-Konzert des Frankenthaler Harmonika Spielrings 1933. Großen Beifall gab es in der Zwölf-Apostel-Kirche nicht nur für die einfühlsamen und schwermütigen Klänge. Auch ein Totentanz erntete stürmischen Applaus.

Einfühlsam und mit viel Ausdruck eröffnete das zweite Orchester unter der Leitung von Maria Marschalk mit dem „Wolgalied“ aus Franz Lehárs Operette „Der Zarewitsch“ das Konzert des Spielrings. Schön herausgearbeitet hatten die „Akkordeonanfänger“ mit Unterstützung von E-Bass und Percussion die schweren Schläge des Wassers. Auch die Kehrtwendung von anfänglicher Leichtigkeit zur Schwermut, die das Lied in seinem Verlauf prägen, gelang ihnen. „Super“, kommentierte das eine Stimme im Publikum, das im Anschluss mit „Classic Non Stop“, arrangiert von Josef Retter, eine Reihe bekannter Werke in Kurzform genießen konnte – darunter der Radetzky-Marsch von Johann Strauss Vater, der Jägerchor aus dem „Freischütz“ von Carl Maria von Weber und Jacques Offenbachs schwungvoll gespielter Cancan aus „Orpheus in der Unterwelt“. In die Moderne ging es anschließend mit dem Ensemble Ernst & Co. unter der Leitung von Frank Rieck, der auch im Vorstand des Spielrings tätig ist. Die fünf Musiker verzichteten an diesem Abend auf ihren Schlagzeuger und hatten sich daher für Werke ohne Percussion entschieden: allen voran für die „Kontraste“ des 2016 gestorbenen deutschen Komponisten Hans Boll. Da setzte die „Toccata“ ein wie ein Kinderspiel, zu dem sich nach fröhlichen Aufforderungen immer mehr Teilnehmer einfanden. Eine sich stets wiederholende, schwermütige Melodie mit tiefen Klängen lag dagegen der „Passacaglia“ zugrunde, deren verschiedene Nebenmelodien teils mit kleinen Dissonanzen, teils so zart wie ein Spitzentuch vom Ensemble herausgearbeitet wurden. Die anschließenden „Abwandlung über ein deutsches Volkslied“ schilderte das Ensemble wie ein kleines Eifersuchtsdrama. Da wurde der zunächst noch sanft klingende Satz „Tanz mir nicht mit meiner Jungfer Käthen“ erst aufgelöst und zerstückelt, dann schrill mit drohendem Unterton. Sehr rhythmusbetont, voller Leben und Turbulenzen war dann der letzte Satz, die „Reminiszenza“, die Lebenserinnerung des Komponisten. Bevor die Besucher bei den Variationen über „Komm lieber Mai“ von Rudolf Würthner mitzusummen begannen, setzten die Abwandlungen des Themas ein, gespielt im alpenländischen Stil mit sakralen Anklängen, wie französische Musette-Musik, als Zirkusmusik in der Manege oder eine Träumerei. Mitreißend beschwingt nach Art des Ragtime folgte „Golliwogg’s Cakewalk“ aus Claude Debussys Zyklus „Children’s Corner“. Dieser Tanz stand im Gegensatz zum „Danse macabre“ von Camille Saint-Saëns, den das erste Orchester mit Dirigentin Carina Nutz nach dem aufwühlenden „Adagio“ aus Aram Khatchaturians „Spartacus“ anstimmte. Dumpf schlug es da zur Mitternacht, schrille Töne und Paukenschläge ließen die Zuhörer aufschrecken. Die Musik schien sich im Kreis zu drehen wie Geister und Skelette, die sich aus ihren Gräbern winden. Das Glockenspiel klang wie das Klappern von Gebeinen, dunkle Klänge beschrieben ungelenke Bewegungen, die von leichten Klängen abgelöst wurden, die wie dahinschwebende Elfen anmuteten. Ein schwerer Grundrhythmus mahnte währenddessen das Verrinnen der Zeit. Ein letztes Aufflackern noch. Dann ist der Totentanz vorüber. Unter stürmischem Applaus endet so der Konzertabend des Harmonika Spielrings.

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