Frankenthal Von Brooklyn zu den Schweizer Bergen

Zum ersten Mal seit 15 Jahren stand Frank Rieck wieder als Dirigent vor dem Ersten Orchester seines Vereins. Der Vorsitzende des Harmonika-Spielring 1933 Frankenthal präsentierte am Sonntag im Dathenushaus einen Klangkörper auf hohem Niveau.

Neben rhapsodisch, orchestralen Tongemälden und Werken der gehobenen Unterhaltungsmusik beherrscht das Orchester auch den Sound einer Bigband aus der großen Zeiten eines Duke Ellington. So bei dem unvergleichlichen „Take the A-Train“ Billy Strayhorns: Im Arrangement von Helmut Deweil rauscht der Zug der New Yorker U-Bahn-Linie in rasantem Tempo durch Harlem, Manhattan und Brooklyn und reflektiert die pulsierende Lebenslust der Metropole. Am Sonntag ließ ihn das Orchester in bestechend groovendem Swing über die Bühne donnern. In Edvard Griegs „Huldigungsmarsch“ aus „Sigurd Jorsalfar“ entstand dann ein romantisches Tonbild in sinfonischer Breite. Mittelalterliche Ambiente und die wilde Naturschönheit Norwegens sind in das Werk eingeflossen, das die Versöhnung zweier verfeindeter Brüder, ihren Auftritt mit den Gefolgsleuten, beschreibt. Frank Rieck arbeitete differenziert die Stimmen in bestechender Dynamik heraus. Ebenso gut meisterten die Akkordeonisten „Tunesische Impressionen“ von Manfred Probst. Die orientalischen Melodien auf der Basis eines breiten Bolerorhythmus mit spanischen Anklängen lassen Assoziationen entstehen. Gleich einer Fata Morgana erschien die Karawane in der hitzeflimmernden Luft, der behäbig majestätische Schritt der Kamele wurde durch den Rhythmus spürbar. Die fremde faszinierende Welt der Altstadt mit ihren verträumten Winkeln, lärmenden Basaren und der überwältigenden Architektur der Moschee wurde lebendig. In „Schweizer Rhapsodie“ hat der Altmeister der deutschen Akkordeonmusik, Rudolf Würthner, zwei Volkslieder verarbeitet, die vor dem überwältigenden Panorama der Schweizer Bergwelt erklingen. Eine breite Klangpalette entwickelte eine Szenerie mit Alphorn und Posaunenklängen, um dann mit rasanten Läufen und donnernden Paukenschlägen zum Schlussakkord zu streben. Dass solche Leistungen von einem reinen Amateurorchester gebracht werden können, ist fantastisch. Eine Basis dazu ist auch die erfolgreiche Jugendarbeit, die der Überalterung entgegenwirkt. Anfänger- wie Jugendorchester, beide unter der Leitung von Ljudmila Schlee, demonstrierten das mit ihren Beiträgen zum Konzert. Herzerfrischend war es, die große Schar der Anfänger zu sehen. Auf ihren Stühlen reichten manche nicht mit den Füßen bis auf den Boden, doch die flinken Finger und wachen Augen ließen sie beim flotten Marsch „Holiday“ als muntere Musikanten erkennen. Der „Zwergenbeat“ forderte mit seinen rhythmisch versetzten Stimmen viel Konzentration und Präzision. Die Kinder meisterten dies in bester Manier. Das Jugendorchester bot drei Traditionals, die allesamt zum Schlagererfolg avancierten, und den Rumba „Perfidia“ in dem tollen Arrangement von Jörg Draeger. Mit dem Ensemble Ernst & Co verfügt der Verein über eine Truppe, die auf höchstem Niveau spielt. Die neun Akkordeonisten plus Schlagzeuger eröffneten das Konzert mit der fetzigen „Rockomantic Attitude“, die im balladesken Mittelstück reizvolle Bluenotes bemüht und mit treibender Bassfigur und Rock-Riffs in seinen Anfangsdrive zurückfindet. In den „Reisebildern vom Balkan“ brillierte die Gruppe mit einem bunten Kaleidoskop an Klängen, und im „Norda Tango“ paarte sich aufwühlende Rhythmik mit dunkler Melancholie. Dass das Ensemble kürzlich bei den Deutschen Meisterschaften eine sechsten Platz belegte, ist umso beachtlicher, als in dieser Kategorie viele Besetzungen ausschließlich aus Profis bestehen.

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