Frankenthal Unbequemer Dichter

Heinrich Heine war ein Dichter mit brillantem Verstand und einer Gabe für Ironie, die für manche heute noch eine Provokation ist. Schon seinerzeit wurde er entweder geliebt oder gehasst. Die erwartet zahlreichen Besucher, die zum literarischen Abend mit Burkhard Engel am Donnerstag in die Stadtbücherei Frankenthal gekommen waren, dürften ersteres tun.

Engel hat vor 20 Jahren in Erbach das Cantaton-Theater zur Produktion und Aufführung literarisch-musikalischer Bühnenprogramme gegründet. In der Frankenthaler Stadtbücherei war er nun zum dritten Mal zu Gast. Nach Kurt Tucholsky vor sechs und einer literarisch-musikalischen Männerbetrachtung vor drei Jahren war diesmal Heinrich Heine mit seinen Liedern und Satiren an der Reihe. Überwiegend frei, ohne Blick aufs Blatt und mit nur so vielen Zwischenbemerkungen wie unbedingt nötig ließ Engel Heinrich Heines Leben und Wirken mit 40 Prosatexten, Gedichten und Liedern Revue passieren, weitestgehend biografisch sortiert und die verschiedenen Facetten im Werk des Dichters beleuchtend. Es wurde rezitiert, geplaudert und behutsam mit der Gitarre musiziert, es wurde manch Bekanntes und viel eher Unbekanntes präsentiert. Natürlich durfte die Loreley nicht fehlen, wobei sich Engel hier gottlob auf den Text konzentrierte und den Liedvortrag weiterhin den Japanern auf ihrem Mittelrheintrip überließ. Das „Weberlied“ hinwiederum, jenes revolutionäre Pamphlet politischer Zweckdichtung, lebte besonders durch die musikalische Untermalung. Und bei den so oft missverstandenen „Nachtgedanken“ überließ es der Vortragende ganz den Zuhörern, den eigentlichen Anlass für Heines verzweifelt Heimatsehnsucht zu ergründen. Mit „Mir träumt’: ich bin der liebe Gott“ und „Anno 1839“ wurden weitere, weniger geläufige Perlen Heine’scher Lyrik rezitiert, die des Dichters Schnoddrigkeit ebenso dokumentierten wie seine Fähigkeit zur ironischen Analyse von Zeit, Umwelt und eigener Befindlichkeit. Die Auswahl der Textbausteine machte deutlich, wie die literarische Betätigung für den in der Heimat geschmähten und 25 Jahre im Exil in Paris „gefangenen“ Dichter eine Strategie des Überlebens war, wie die distanzierte Haltung, das gebrochene Gefühl und die oft überpointierte Darstellung dazu dienten, der als disharmonisch empfundenen Welt entgegenzutreten und durch Poesie wenigstens ein bisschen Ordnung ins eigene Gefühlschaos zu bringen. Des Dichters Verhältnis zu Frauen und zur Liebe wurde in Engels literarischer Zusammenstellung weitestgehend ausgeklammert (auch am „Teetisch“ blitzt die wahre Liebe ja nur in der ironischen Konfrontation zur verkrusteten und verklemmten Umwelt durch). Da wäre es denn doch allzu menschlich geworden, zu wenig gesellschaftskritisch. Das würde aber auf jeden Fall einen eigenen Vortragsabend füllen, und damit wäre Burkhard Engel auch wieder in Frankenthal willkommen. Die diesmal anwesenden Zuhörer jedenfalls sind durch die gekonnt präsentierten Heine’schen Gedankensplitter sicher auf den Geschmack gekommen und wären gerne bereit, mehr zu hören und zu erfahren über den scharfsinnigen Dichter Heine mit seiner Überfülle an Fantasie, Leidenschaft, Liebe und Zorn.

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