Frankenthal Schatz aus dem Institutskeller

Eigens aus der Schweiz reiste Pianistin Susanne Lang an, um zur Feierabend-Musik in der Frankenthaler Zwölf-Apostel-Kirche zu spielen. Gut ein Jahrzehnt ihrer musikalischen Ausbildung hat sie an der hiesigen Musikschule genossen. Zu hören gab es am Mittwoch einen Ausblick auf ihre nächste CD-Produktion mit Werken von Claude Debussy und Evgenij Gunst.

Träumereien waren das Thema des halbstündigen Konzerts. Claude Debussys Rêverie, das Eröffnungsstück, schien ganz leise von überall aus dem Raum auf die Zuhörer zuzuschweben. Das liegt natürlich zum einen an der Position des Klaviers in der Mitte des Rundbaus, aber auch an dem gefühlvollen Anschlag der Pianistin. Es war bemerkenswert, wie differenziert Susanne Lang auf dem Konzertklavier die Dynamik der Stücke entwickelte, denn das Instrument entwickelt durch seine Bauart weniger Volumen als ein ausgewachsener Flügel. Es waren nicht die massiven Töne, die hier gefragt waren. Vielmehr kam es auf Klang und Farbe an. Evgenij Gunst träumt offenbar etwas lebhafter als Debussy. Seine Rêverie zeigt kräftigere Farben und schnellere harmonische Bewegung. Die Pianistin stellte dies mit viel Einfühlung dar. Manche Wendungen in Gunsts Stück haben eine Anmutung von Jazzharmonik – und tatsächlich war dem russischen Komponisten dieses Genre wohl nicht unbekannt. Wie Susanne Lang im Gespräch bestätigte, habe Gunst unter dem Pseudonym Eugene Favour auch Werke der Unterhaltungsmusik geschrieben. Gunst ist ein in Vergessenheit geratener Komponist, Musikwissenschaftler und Musikpädagoge. Er wurde 1877 in Moskau geboren und starb 1950 in Paris. Sein Nachlass wurde 2009 im Keller des Musikwissenschaftlichen Instituts in Basel entdeckt – just als Susanne Lang dort studierte. „Das Institut suchte Freiwillige, die seine Musik spielen“, erzählte die Pianistin. Ganz offensichtlich fand sie Gunsts Werke so interessant, dass sie sich intensiv damit befasste. 2014 veröffentlichte sie das Album „Evganij Gunst: Wanderer zwischen den Welten“ mit Ersteinspielungen ausgewählter Werke. „Die Vielseitigkeit des Komponisten hat mich fasziniert, und so habe ich mich nach dem Studium auf sein Werk gestürzt“, erklärte die Künstlerin. Inzwischen werde immer klarer, dass der wiederentdeckte Nachlass ein wahrer Schatz sei. Derzeit arbeitet Susanne Lang an einem Album, das Werke von Gunst und Debussy gegenüberstellt. In der Kirche gab es noch die Suite bergamasque des französischen Impressionisten zu hören. Deren ersten Satz, das Prélude, spielte die Pianistin so, dass man an die instrumentalen Farben eines Orchesters denken musste. Deutlich wurden auch die tänzerischen Elemente des Menuetts im Kontrast zu den folgenden melancholischeren Passagen. Der dritte Satz ist das berühmte Clair de lune. Die Stimmung des sanften Mondlichts war spürbar. Unter dem Motto Träumereien durfte natürlich Robert Schumanns „Träumerei“ aus den Kinderszenen nicht fehlen. Und selbst diesem tausendmal gehörten „Schlager“ kann Susanne Lang wieder Leben einhauchen, sodass es Freude macht, das Stück von ihr zu hören. „Ich fühle mich der Musikschule und Frankenthal sehr verbunden“, sagte Lang. Deshalb sei sie eigens von Basel mit dem Zug angereist. Dort lebt die 1986 in Speyer geborene Musikerin inzwischen und unterrichtet an zwei Musikschulen. 2010 veröffentlichte sie beim renommierten Klassik-Label Oehms ihr erstes Solo-Album „Petites Fleurs“.

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