Frankenthal Sat 1 kommt später

Wehmütige Erinnerungen: Lisel Heise vor rund 20 Jahren beim „Köpper“ ins Thielwoog-Bad, das sie so sehr vermisst und reaktiviere
Wehmütige Erinnerungen: Lisel Heise vor rund 20 Jahren beim »Köpper« ins Thielwoog-Bad, das sie so sehr vermisst und reaktivieren will.

„Die dpa war heute da, RTL kommt am Donnerstag. Sat 1 will erst im April, das ist näher an der Wahl dran.“ Sind wir in eine Wahlkampf-Zentrale geraten? Nicht doch. Holger Heise zitiert lediglich aus dem Terminkalender seiner Mutter. Lisel Heise kandidiert indes nicht für ein wahnsinnig hohes Amt, sondern für den Kirchheimbolander Stadtrat und das auf Platz 20 der Liste „Wir für Kibo“ (wir berichteten). Aber sie ist eben 100 geworden, wortgewandt und hat eine klare Mission, die „Freibad für Kibo“ heißt.

Lisel Heise tut also dieser Tage gut daran, ihre Treffen mit Journalisten, Fotografen und Kameraleuten nicht aus den Augen zu verlieren. Vorsorglich hat Sohn Holger sie auch noch mit dickem neongelbem Signalstift im Kalender markiert. Er und Thomas Bock, der Vorsitzende von „Wir für Kibo“, versuchen überdies, den medialen Dauerbeschuss etwas zu entzerren, um der alten Dame zuviel Anstrengung zu ersparen. Und Lisel Heise? Ist amüsiert darüber! „Das macht so viel Spaß! Ich brauch’ ja nix zu schaffe, ich brauch doch bloß zu schwätze.“ Auch ihre um Generationen jüngeren Interviewer scheinen entzückt. Das SWR-Fernsehen, das den Rundfunkkollegen von SWR 4 folgte und Heises nimmermüden Einsatz für ein Freibad ins Zentrum rückte, sei mittags um eins mit dem Dreh fertig geworden. „Und wissen Sie, wann sie gegangen sind? Um drei!“ Soviel gab es danach noch zu schwätzen über Gott und die Welt. Die Ausstrahlung in der Landesschau sei sogar um einen Tag verschoben worden, weil dann eine längere Sendezeit zur Verfügung gestanden hätte. Die Bild-Zeitung hatte sich, offenkundig nach der Morgen-Lektüre des RHEINPFALZ-Beitrags an Lisel Heises 100. Geburtstag, unverzüglich zur knallharten Recherche nach Kirchheimbolanden begeben. Unangemeldet, dafür versöhnlich mit Blumen klingelten Autor und Fotograf an der Haustür. Lisel Heise nahm’s mit Humor: „Es war ja Tag der offenen Tür bei mir. Und es war gerade niemand anderes da.“ Die größte „Sensation“ des Tages, das Gesangsständchen von 500 Schülern der Realschule plus, hatte BILD zwar haarscharf verpasst, dafür einen krönenden Moment im Bild eingefangen: Lisel Heise mit „Happy birthday“-Diadem. Und der Stadtratskandidatin investigativ außer ihrem großen Thema Freibad noch zwei weitere politische Sehnsuchtsziele entlockt: einen Stadtkern ohne Autos und eine Disco „für die jungen Hüpfer“. Als sie am Montag mit Fotograf und Textautor der größten deutschen Nachrichtenagentur dpa zusammentraf, spielte das Freibad mal keine so große Rolle. „Wird ja auch langweilig“, meint Lisel Heise. Stattdessen konnte die Ur-„Kerchemerin“ mit einer Führung durch die Altstadt punkten. Mit dem „Redaktions-Netzwerk Deutschland“ hatte sich dann noch ein weiterer großer Dienstleister im Medienbereich zum Telefoninterview angekündigt, der für zahlreiche regionale Tageszeitungen arbeitet. Heute wird wieder gefilmt: RTL plant für sein Magazin „Life – Menschen, Momente, Geschichten“ einen Beitrag über die Hundertjährige. Danach, so sieht es im Moment aus, ist erst mal Sendepause bis April, wenn Sat 1 die frühere Lehrerin in Szene setzen will – als womöglich älteste Stadtratskandidatin bundesweit. Dass das Internetportal „Nordbayern“ der Nürnberger Zeitungen unter der Rubrik „Kurios“ auf den Einstieg einer Hundertjährigen in die Kommunalpolitik verweist – geschenkt! Ein Leserkommentar bescheinigt Heise „Frauenpower pur“. Auf zwei weiteren Portalen kann man sich den Inhalt von Kurzmeldungen über die Kirchheimbolanderin nur einigermaßen zusammenreimen, denn der „Rusverlag“ und das „Fenix-Magazin“ bedienen ihre an Deutschland interessierten „User“ auf Russisch beziehungsweise Kroatisch. Aber eines verstehen wir: Lisel Heise ist nun auch international bekannt.

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