Frankenthal Pappkameraden und das letzte Hemd

Nach der Installation „Buch-Sinn“ in der Frankenthaler Stadtbücherei, einem Pavillon aus Büchern, hat der Kunstverein Die Treidler am Sonntag seine Ausstellung „Papier-Sinn“ in Kooperation mit der Friedrich-Schiller-Realschule plus im Kunsthaus eröffnet. Zehn Kunstschaffende unter den Treidlern und Schüler der Klassenstufen fünf, sieben und zehn haben sich mit dem Kultursommer-Motto „Mit allen Sinnen“ auseinandergesetzt.

Sylvia Bohrmann, Fachbereichsleiterin an der Friedrich-Schiller-Realschule, führte in die Schülerarbeiten ein, die in Foyer und Vorbau zu sehen sind. Am letzten Ferientag fehlten die Schüler leider komplett unter den Besuchern. Die Fünftklässler hatten für ihre Beiträge einen Atelierbesuch bei Gaby Sann machen dürfen, die sich ja schon länger mit dem Medium Papier auseinandersetzt. Unter ihrer Anleitung hatten die Schüler lebensgroße Klassenkameraden geschaffen, die sie mit Papieren unterschiedlicher Arten beklebten. Das Fries „Abschied am laufenden Meter“ wurde von den Zehntklässlern aus alten Unterrichtsaufzeichnungen geschaffen, die nach Klassen je einen Meter lang gerollt, geknüllt, gerissen sind und später auch in der Schule an der Wand ein Zeugnis dafür abgeben werden: „Wir waren da“, so Bohrmann. Mit Papier und Naturmaterialien beschäftigten sich zwei siebte Klassen, sie nahmen den Geruchssinn dazu, Schnuppern war also erlaubt. Aus Papierschnipseln haben daneben Schüler einer siebten Klasse die Gruppenarbeit „Wolken – Wüste – Wellen“ erstellt, die sie aus Einzelbeiträgen arrangierten. Eine zehnte Klasse hatte menschliche Detailstudien zum Thema und Augen, Ohren, Hände und Münder in lebensgroße Silhouetten auf Papier gebannt. Die drei Räume des Kunsthauses waren für die Treidler-Kunstschaffenden reserviert, die sich mit den Sinnen auseinandergesetzt haben – Vorsitzende Alis Hoppenrath gab eine Einführung. Ulla Faber hat ihre Arbeit „Lost sense 2014“ dem verlorenen Augenlicht gewidmet und Worte in Blindenschrift in die Papierrolle integriert. Joachim Hanisch greift mit seiner Arbeit „Ommatidium“ die Facettenaugen von Insekten auf mit einem sphärischen Dreieck aus Papierröllchen. Was sehen wir, was bleibt verborgen – diesen Fragen geht Helmut Ried in seinem „Figurentheater“ im Spiel mit Schatten nach. In Ingrid Kußmauls Bild „der Pianist“ meint man, den agierenden Musiker zu hören. Auch Gaby Sann beschäftigt sich mit dem Gehörsinn: In „Schauen – Lesen – Fühlen“ hat sie einen raschelnden dichten Wandteppich aus Wachspapiersteifen und einen eingearbeiteten leicht bläulichen Streifen aus Buchseiten geschaffen. Susanne Rosa Geiger ordnet in ihrer Arbeit „Darjeeling“ zum Thema Geschmackssinn gebrauchte Teebeutel zu Reihen an und gibt in Grad und Meter darüber die Lage und Höhe des Anbaus an. Essbares Papier hat Dimana Wolf in „Ukraine“, einer Allegorie auf das Land, integriert: eine Papierfigur ist mit Zetteln aus eben diesem Material behängt, auf denen Organe gezeichnet oder Städtenamen geschrieben sind. Den Sinn im übertragenen Sinne haben sich drei weitere Künstler vorgenommen. Isolde Hesse beweist laut Hoppenrath mit ihren abstrakten Zeichen in ihren Arbeiten „Geheime Botschaft I+II“, dass noch lange nicht alles verständlich sein muss, was offen dasteht. Ulrike von Münchhausen hat sich dem Transzendentalen, der Vergänglichkeit des Menschen angenommen: Sie zeigt „ein letztes Hemd“ mit den Worten „Macht – Voll – Sinn“ vorne und „Macht – Sinn – Los“ hinten und deutet auch mit den fünf Fotografien dieses Hemdes in der Natur mit immer heller werdenden Belichtungen die Vergänglichkeit an. Das hellste Bild war – passend zum Thema – vermutlich durch Erschütterung der Eisenbahn von der Wand gefallen, erklärte Hoppenrath den zerbrochenen Rahmen am Boden. Mit Worten hat auch Adam Tumele zum Nachdenken angeregt bei seiner Textcollage „Adjektiv?! Substantiv?! Wer sich irrt liegt richtig“. Eine Gemeinschaftsarbeit ist die Installation im mittleren Raum, bei der große Bahnen von den Künstlern gearbeitet wurden. (hüf)

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