Frankenthal Kartoffeln lieben grünes Licht

„Greifen Sie zu.“ Andreas Klust hat zwei kleine schwarze Tabletts geholt und sie mit röstfrischen Kartoffelchips vom Förderband gefüllt. Kleiner Test: „Was ist das?“, fragt der 54-Jährige, der die Teilnehmer der RHEINPFALZ-Sommertour durchs Werk führt. „Chio-Chips oder Funny-Frisch?“ Höllenlärm dröhnt durch die riesige Produktionshalle. Nur dank Funk-Mikrofon und Empfängern mit Ohrhörern ist eine Verständigung überhaupt möglich. Für einen Moment halten alle kurz inne, tasten, riechen, schmecken – und die meisten sind sich schnell einig: „Das sind Chio-Chips!“ „Richtig“, bestätigt Klust und lacht. Chio-Chips sind das bekannteste Markenprodukt aus Frankenthal. Wie sehr es auch in der Region geschätzt wird, zeigt die Resonanz auf die Ausschreibung der RHEINPFALZ-Sommertour: 296 Anmeldungen für 20 freie Plätze sind bis zum Anmeldeschluss in der Lokalredaktion eingegangen; das ist ein neuer Rekord. Rund 130 Leute arbeiten im Werk Petersau im Drei-Schicht-Betrieb. Bis sonntags, 6 Uhr, laufen die Maschinen, hat Andreas Klust, der im Werk für die Sicherheit zuständig ist, den Besuchern schon bei der Einführung erklärt. Dann ist Pause, Anlagen werden gereinigt. Und „am Montag, 4 Uhr, sind die ersten Kollegen wieder da, um die Arbeit vorzubereiten.“ 22.000 Tonnen Chips, Sticks und Riffels kamen letztes Jahr aus dem pfälzischen Werk, das seit 2005 im Verbund mit dem hessischen Standort Alsbach geführt wird. Die Marken Chio-Chips und Funny-Frisch sind die großen Umsatzträger, „aber wir produzieren auch für Kunden wie Aldi, Lidl, Penny“, sagt Klust. Intersnack sei „mit großem Abstand Marktführer in Europa“. Dass das Werk Petersau bezüglich Qualitätssicherung und Hygiene mehrfach zertifiziert sei, hebt der Sicherheitsbeauftragte besonders hervor. „Bei der Hygiene hat Petersau in der gesamten Intersnack-Gruppe den höchsten Stand“; das habe der jüngste Test ergeben. Entsprechend aufwendig sind die Vorkehrungen dann auch bei der Führung: So sind unter anderem Haarnetze und Sicherheitsschuhe für die Besucher beim Rundgang durch die Produktionshallen Pflicht. „Den Weg der Kartoffel ab der Anlieferung“ zeichnet Klust den Gästen an mehreren Zwischenstationen anschaulich nach. Er erklärt, wie der Stärkegehalt neu angelieferter Kartoffeln ermittelt wird: Indem man eine Probe in Salzwasser schwimmen lässt und schaut, wie tief sie sinkt. „Je mehr Stärke die Kartoffel hat, desto schwerer ist sie.“ Lagerkapazität für etwa 16.000 Tonnen gibt es im Werk Petersau. Was Bauern im unmittelbaren Umland erzeugen, würde nicht mehr reichen, um den Bedarf zu decken, sagt Klust. „Aber neunundneunzigkommanochwas Prozent kommen aus Deutschland“. Erfahrungswert: Etwa 3,5 Kilo Kartoffeln würden gebraucht, um ein Kilo Chips zu erzeugen. In eine große Lagerhalle mit grünem Licht („beruhigend für die Kartoffel“) dürfen die Gäste einen Blick werfen. Auch die Frage einer Leserin, woher die ungeliebten blauen Stellen an Kartoffeln kommen, kann Klust beantworten: „Das sind Druckstellen“; entstanden meist durch unvorsichtigen Umgang. Am lautesten wird es dort, wo die Kartoffeln maschinell gereinigt, geschält und in dünne Scheiben geschnitten werden, bevor sie ins über 180 Grad heiße Sonnenblumenöl der Fritteusen fallen. Und ein Teil der Hitze strahlt auch noch in die Halle ab. Über Metallrohre und Bänder sausen die Feldfrüchte von Station zu Station; eine komplizierte Maschinerie arbeitet hier zusammen. Es herrscht Fotografierverbot; das Unternehmen will nicht, dass die Konkurrenz über Fotos vielleicht wichtiges Know-how mitbekommen könnte. Ein Beispiel für die Präzisionsarbeit: „Alle zwei Stunden“, so erläutert Klust, „müssen die Messer neu eingestellt werden.“ Darum kümmert sich Mitarbeiter Steve Ber-thold. Satte 18 Kilogramm wiegt das Teil, das zu diesem Zweck aus- und wieder eingebaut werden muss. 8000 bis 9000 Liter Öl sieden in der riesigen Fritteuse, an der die Besucher vorbeigeführt werden. Drei davon gebe es im Werk, erläutert Klust; zwischen 400 und 2800 Kilo Chips pro Stunde könnten damit hergestellt werden. „Farbe erhalten die Chips vor allem durchs Würzen“, erklärt der Führer. Sind die „Würzstrecken“ durchlaufen, landen die frischen Chips in der Verpackungsanlage. Mithilfe von Robotern werden sie nicht nur gewogen und in Folie verpackt, sondern anschließend auch in Kartons und dann in ganzen Paletten zusammengefasst – bereit für die Auslieferung. Die Besucher sind angesichts des hohen Automatisierungsgrads sichtlich beeindruckt. Und Chefsekretärin Erika Voigt erntet ausgelassenes Gelächter, als sie eine Frage zitiert, die von Außenstehenden immer mal wieder zu hören sei: „Wie viele Leute bei euch schälen eigentlich Kartoffeln?“ (spi)

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