Frankenthal „Jeder weiß, wovon er redet“

Beim Jubiläumstreffen zum 30-jährigen Bestehen der Anonymen Alkoholiker (AA) in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Frankenthal hat Bürgermeister Martin Hebich (CDU) vor rund 100 Besuchern, darunter zahlreiche Vertreter von Justiz, Polizei, Kirchen und Kommunen, den ehrenamtlichen Helfern gedankt. Die Feier stand unter dem Motto „Probleme mit Alkohol – was dann?“.

JVA-Leiter Klaus Schipper hob die Bedeutung der ehrenamtlichen Arbeit der fünf AA-Aktiven in der Frankenthaler JVA hervor. Seit ihrer Gründung vor 80 Jahren sind die Anonymen Alkoholiker die weltweit erfolgreichste Selbsthilfegruppe. Sie finanzieren sich ausschließlich durch Spenden. AA-Aktivitäten in der JVA gibt es seit 1978. Daraus seien 1985 die wöchentlichen AA-Treffen für Inhaftierte entstanden, die noch heute jeden Montag (Block Nordseite) und Mittwoch (Block Südseite) jeweils von 19 bis 20.30 Uhr stattfinden. Alkohol spiele eine große Rolle bei einer Vielzahl von Delikten, betonte der Vertreter des Justizministeriums, Ministerialdirigent Gerhard Meiborg. Martin Hebich lobte die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der AA-Aktivisten und ihren ehrenamtlichen Einsatz hinter Gittern. Hebich verurteilte Flatrate- und Komasaufen und sprach sich für eine veränderte Einstellung der Gesellschaft zum Thema Alkohol aus. Sozial- und Krankenhausdezernent Andreas Schwarz (SPD) nannte Alkoholismus eine der Hauptdiagnosen in der Stadtklinik. Wie bei AA-Treffen weltweit üblich, standen auch beim 30-jährigen Geburtstag die Geschichten einzelner AA-Freunde und ihrer Angehörigen im Mittelpunkt. „Mein Weg in den Alkoholismus war schleichend“, bekannte Martin, der 13 Jahre lang Alkohol und weiche Drogen konsumierte. Immer wieder landete er im Knast, verlor zwischenzeitlich mehrmals Wohnung und Arbeitsplatz, unternahm drei Suizidversuche und wurde schließlich obdachlos. An seinem tiefsten Punkt habe ihm die AA-Gruppe in Freiburg geholfen. Heute ist Martin trocken, arbeitet als Landesbediensteter und hilft nun selbst Alkoholabhängigen in der JVA Freiburg. „Kraft und Hoffnung“ schöpfe er noch heute aus den Treffen. Wie es ist, wenn der Partner über Jahre trinkt, hat Roswitha erlebt. Doch schlimmer sei für sie gewesen, dass auch ihre Adoptivtochter in Alkoholismus und Drogensucht gerutscht sei: „Einen Partner kann man verlassen, ein Kind aber nicht.“ Kraft gegeben habe ihr die AA-Angehörigenorganisation Al Anon, denn „jeder, der dort ist, weiß, wovon er redet“. Seit 29 Jahren ist Roswitha regelmäßig dabei. Ihre Tochter starb 28-jährig an einem Speiseröhrendurchbruch, ihr Mann an Krebs. „Ich habe kein Problem mit dem Alkohol, die anderen haben ein Problem mit mir“, benennt Dieter den für Alkoholiker typischen Selbstbetrug. Im saarländischen Bergbau beschäftigt, habe er durch Alkohol in fünf Jahren Frau und Job verloren. Es folgten der Abstieg in die Saarbrücker Unterwelt und fünf Jahre Haft. Mit „besoffenem Kopp“ sei er zum ersten Treffen gegangen und habe dort erlebt, dass es Menschen gibt, die ihn annehmen, wie er ist. Ehrlich zu sich zu sein und mit sich selbst Frieden zu schließen, sei wichtig auf dem Weg des Trockenwerdens. 40 Jahre ist das her, und Dieter ist seither bei den AA aktiv. „20 Jahre gesoffen, mit 40 aufgehört“, das ist die Bilanz von Siegmund, der das AA-Treffen in der JVA als Moderator leitete. Den sozialen Umgang mit anderen ohne Alkohol habe er erst lernen müssen. Dabei haben ihm die AA-Treffen mit ihren Ritualen des Erzählens und Zuhörens geholfen, sich selbst zu lieben.

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