Frankenthal Gans und ganz viel Zeit für Muse

In ihrer ostfriesischen Heimat verbringt Alice Anna Klaassen, die seit Oktober das Frankenthaler Erkenbert-Museum leitet, die Weihnachtstage. Mit dabei: ihr Mann und die beiden Töchter. „Das Wiedersehen mit der ganzen Familie, das Landleben, die Ruhe an der Nordsee sowie das meist regnerische Wetter bestimmen dann unseren Tagesablauf“, schreibt Klaassen. Tradition haben für sie das ostfriesische Teetrinken und das Backen der hauchdünnen Neujahrswaffeln am Silvesterabend. Ganz ohne Kultur geht es bei der Kunsthistorikerin aber nicht: „Ein Besuch in der Kunsthalle Emden gehört für uns zum Kulturprogramm in der Heimat selbstverständlich dazu“, sagt sie. Dort sind zurzeit unter anderem Collagen und Decollagen von Asger Jorns (Titel: „Ganz schön gerissen“) zu sehen, dazu können Besucher mit Reißen und Kleben selbst eine große Wandinstallation gestalten. Vielleicht findet Klaassen in Emden auch Anregungen für das Erkenbert-Museum. Das ist am 24., 25. und 31. Dezember sowie am 1. Januar geschlossen. Hans-Jürgen Thoma und seine Familie freuen sich auf eine Auszeit an Weihnachten. „Da die Musik unser Beruf und für die Kinder ein vorberufliches Hobby ist, steht sie an Weihnachten nicht im Mittelpunkt“, so der Leiter der städtischen Musikschule Frankenthal. Doch das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach lege man sicher auf. Nach Abendessen und Bescherung wird vorm Kamin in den neuen Büchern geschmökert. Viele Rituale ranken sich um das Weihnachtsfest von Johanna Regenauer, der zweiten Vorsitzenden des Theaters Alte Werkstatt Frankenthal. Bereits am 23. Dezember liest ihr die Mutter abends das Gedicht „Die Nacht vor dem heiligen Abend“ von Robert Reineck vor, früher persönlich, heute per Telefon. Der Weihnachtsbaum wird am 24. Dezember vormittags geschmückt. „Als Kind wollte ich dazu immer Rolf Zuckowskis Weihnachts-CD hören. Mein Vater konnte die Kinderlieder irgendwann nicht mehr hören. Seitdem tanzen wir zu Bryan Adams ,Summer of 69’ beim Schmücken um den Weihnachtsbaum“, erzählt Regenauer. Tradition hat in ihrer Familie auch der Theaterbesuch am zweiten Feiertag. In diesem Jahr lädt die Schauspielerin und Regisseurin alle in das TAW-Stück „Der Weihnachtsmann tankt Super“ ein. Als kleines Geschenk für seine Kollegin hat TAW-Chef Jürgen Hellmann in seine Inszenierung Regenauers Lieblingsweihnachtslied „Fairy Tale of New York“ eingebaut. „Nicht nur deshalb ist das Stück absolut sehenswert“, wirbt sie. Jürgen Hellmann selbst kocht am 24. Dezember das Festessen für die 19-köpfige Großfamilie, dabei läuft ein Hörspiel. „Früher haben meine Schwestern und ich an Heiligabend immer die Geschichten vom Hund Knuddel aus Zirngiebelhausen auf SDR1 gehört. In der Küche sitzend, mit den Ohren ganz nah am Radio.“ Gemeinsam geht man in die Kirche, „und immer spielt mindestens eines der Kinder im Krippenspiel mit“, so Hellmann. Besonders mag der Ludwigshafener das Lied „Gloria in excelsis Deo“, „einfach wegen des langgezogenen Gl-o-o-o-o-o-oria im Refrain“. Nach der Bescherung trifft Hellmann ab 22.30 Uhr Freunde, geht in die Christmette und danach tanzen. An einem der Feiertage geht der TAW-Leiter, der keinen Fernseher hat, mit Neffen und Nichten in ein Theaterstück ihrer Wahl. Allerlei zu sehen gibt es in der Weihnachtszeit bei Alis Hoppenrath, der Vorsitzenden des Frankenthaler Kunstvereins Die Treidler. Seit vergangen Dezember gibt es die von Hoppenrath mit initiierte Aktion „Adventsfenster im Heßheimer Viertel“. Dafür wird auch das denkmalgeschützte Haus geschmückt. Mittelpunkt des Weihnachtsfests ist der Tannenbaum, dessen Schmücken einen ganzen Tag in Anspruch nimmt. Dazu wird die Weihnachtsgeschichte von Carl Orff gehört. Den Schmuck habe man „über unser ganzes Leben gesammelt“. Am Weihnachtsabend hört die Familie normalerweise klassische Weihnachtsmusik wie „Adeste Fideles“, gesungen von Luciano Pavarotti, und das Weihnachtskonzert von Arcangelo Corelli. Dieses Jahr verbringen Hoppenraths allerdings Weihnachten an der Nordsee in Holland. Fest geplant ist ein Besuch der Ausstellung „Clay“ im Gemeindemuseum Den Haag, unter anderem mit Arbeiten von Jeroen Bechtold. „Die Entdeckung seiner Porzellanarbeiten 1999 in Amsterdam war ausschlaggebend dafür, dass ich die Ausweitung des Frankenthaler Perronpreises auf die Sparte Porzellan initiierte“, so Hoppenrath. Grabowsky-Gitarrist Alexander Hüther und seine Frau, Künstlerin Friedlinde Hüther, wollen ebenfalls ins Museum. „Apocalypse Now!“ in der Pfalzgalerie Kaiserslautern und „Ägypten, Land der Unsterblichkeit“ in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim stehen auf dem Plan. Außerdem möchten beide im Nationaltheater Mannheim das Stück „Herrinnen“ von Theresia Walser sehen. Weil nicht alle Urlaub haben, konzentriert sich das Familientreffen auf Heiligabend. „Das läuft bei uns ganz traditionell ab: Weihnachtsbaum, Gänsebraten, Hausmusik mit zwei Flöten und Gitarre, Glühwein und Familienzusammenführung“, erzählt der Soziologe. Musiker Klaus Kummer aus Frankenthal hört an Weihnachten am liebsten den 4. Satz von Mahlers 9. Sinfonie in der Version der Berliner Philharmoniker unter der Regie von Leonard Bernstein. „Eine Musik aus dem Niemandsland zwischen Leben und Tod, von Tönen, zarter als Schnee, der auf Schnee fällt“, schreibt er. Wenig Freizeit hat im Moment Tiemo Feldmann, der mit Beate Vogel das Ende September eröffnete Frankenthaler Kulturzentrum Gleis 4 leitet. Dass es von den Besuchern so gut angenommen werde, sei für ihn das größte Weihnachtsgeschenk. Heiligabend verbringt er mit Frau und Sohn zu Hause, an den Feiertagen treffen Feldmanns ihre Familien. Auch mit den engsten Freunden, „die ich seit einigen Monaten leider sträflich vernachlässige“, will der Musiker Zeit verbringen. „Bis zum 23. und auch wieder ab dem 27. Dezember wird gearbeitet, da wir noch einiges im Gleis 4 zu tun haben und die nächsten Veranstaltungen anstehen“, umreißt er das knappe Zeitfenster. Noch am 24. Dezember arbeitet Andreas Köhler vom Frankenthaler Musikhaus Musicant. Nach einem Sektempfang für Kunden soll es aber ab 12 Uhr etwas ruhiger werden. Den Abend verbringt Köhler mit seiner Frau, zwei Hunden, „einem großen Weihnachtsbaum und vielen Keksen“. Nach einem faulen ersten Feiertag mit Wanderung im Pfälzerwald und zahlreichen Telefonaten richten Köhlers am 26. Dezember ein Festessen für zwölf Familienmitglieder aus. „Die Zeit vor Weihnachten ist für uns so turbulent, dass wir die Feiertage zum Erholen brauchen. Das neue Jahr mit neuen Herausforderungen ist nicht fern: Also keine Filme, Bücher oder Veranstaltungen.“ (soj)

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