Frankenthal Frankreich für die Ohren

Zwei Stunden lang ließ die Gruppe Rouge Baiser ihr Publikum im Bürgerhaus Heßheim am Freitag in französischen Chansons schwelgen. Sie entführte es in die Welt der Bistros und Boulevards, der leichtfüßigen Musette-Walzer und der sinntiefen Schicksalslieder. 24 französische Chansons, darunter große Klassiker und einige frankophon arrangierte Popsongs, machten das Konzert der vierköpfigen Band zu einem Ohrenschmaus mit Aha-Erlebnis.

Seit 16 Jahren machen die zwei Damen und zwei Herren von Rouge Baiser bereits französische Musik. Ihr Gruppenname ist programmatisch, denn er bedeutet „roter Kuss“ und bezieht sich auf eine Lippenstiftmarke der 1950er-Jahre. Auf rote Lippen musste man auf der stimmungsvoll ausgeleuchteten Bühne im Bürgerhaus zwar verzichten, der Frankreich-Faktor war dennoch hoch. Getragen wurde das Konzert von Sängerin Brigitte Stortz-Schindler, einer in Rheinhessen lebenden Französin. Im eleganten Etuikleid im Chanel-Stil – die Federboa zierte als ironisches Zitat lediglich den Notenständer – interpretierte sie große Lieder von Edith Piaf und Charles Aznavour, Gilbert Bécaud und George Brassens mit fein nuancierter Tonalität, poetisch bis melancholisch und dabei glaubhaft, weil ohne großen Pathos. Stortz-Schindlers charmante Moderationen schufen den stimmigen Rahmen und trugen wesentlich zum Verständnis einzelner Stücke bei. Es gab ein Wiederhören mit „Johnny“, „Mylord“ und „Natalie“. Gerne sang das Publikum mit bei „Padam, Padam“ oder steuerte zu Charles Trenets „La Mer“ die mediterrane Geräuschkulisse bei. Bettina Pahle am Akkordeon war für die in Lothringen geborene Sängerin die ideale Ergänzung. Sie prägte das typisch französische Klangbild und erwies sich – mehrfach preisgekrönt an ihrem Instrument – als feinfühlige Virtuosin voller Intensität und Spielfreude. Nicht minder souverän agierte Harald „Harry“ Reeh an Banjo, Gitarre, Mandoline und Geige. Gleich zu Beginn ließ der ehemalige Folkmusiker und Mitbegründer von Rouge Baiser in Liedern wie „Le Vent“ akustisch Hüte und Röcke fliegen und gab immer wieder den ironischen Sidekick. Natürlich war die Liebe in all ihren Facetten Mittelpunkt der meisten Lieder. Sie wurde durchlebt und durchlitten, mal am falschen Ort gesucht wie in „Dans ma rue“ von Zaz oder blumig herbeigesungen wie beim Algerier Enrico Maziaz. Sie löste sich noch vor der Hochzeit in Luft auf wie in einem bretonischen Volkslied oder wurde als Glaubenssatz verzweifelt festgehalten wie bei Céline Dion. Neben Chanson-Klassikern präsentierte Rouge Baiser auch Filmsongs wie „Marlène“ von der Band 17 Hippies und „Tois Jamais“ aus dem Film „Acht Frauen“. Zu allem steuerte Bernhard Fuchs die rhythmische Basis bei. Swingend und groovend war er der Mann hinterm Kontrabass und auf der Trommelkiste Cajon, gab den Takt subtil beim Tango oder fluffig beim Musette-Walzer. Nach zwei kurzweiligen Stunden und mehreren Zugaben war leider Schluss. Beschwingt und mit dem Nachhall von „Champs Élyssées“ und „Je ne regrette rien“ im Gehörgang entließ die vierköpfige Combo ihr Publikum. (bik)

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