Frankenthal „Frankenthaler Tafel ist ein Phänomen“

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Die Tafeln bundesweit stöhnen unter dem Andrang Bedürftiger. Anders in Frankenthal: Wer eine Bedürftigkeitskarte vorlegt, darf kommen, so oft er will.

Woran das liegt? „Wir sind immer erreichbar, selbst im Urlaub“, sagt das Leiterehepaar Marianne und Franz-Josef Möller, die beide immerhin schon 87 Jahre auf dem Buckel haben. Ihre Tafel ist straff organisiert. Jeden Tag kümmert sich ein zehnköpfiges Team um die Beschaffung, Sortierung und Ausgabe der Lebensmittel. Ab 8 Uhr klappern ihre Helfer Supermärkte und andere Spender in und um Frankenthal ab. Jeden Tag – sogar samstags – stehen von 13 bis 14 Uhr die Türen in der Mörscher Straße für Kunden offen. Bis dann alles wieder aufgeräumt ist, hat mancher der Helfer einen Sieben- bis Achtstundentag absolviert – zuweilen sogar noch mehr. „Die soziale Arbeit haben wir zu unserem Hobby gemacht“, sagt Marianne Möller. Ihre dicke Winterjacke hat sie zum Gespräch im kühlen Nebenzimmer der Ausgabestelle nur ein wenig geöffnet. Noch kälter ist es hinter der Theke: Wer hier bei geöffneten Türen trotz Minusgraden draußen Salate, Kartoffeln, Joghurts richtet, ist warm eingepackt in Thermohosen. Auf 60 bis 70 Helfer kann die Tafel zählen – nur ganz wenige von ihnen sind auch selbst bedürftig. „Wir brauchen Frührentner“, sagt die energisch wirkende Dame, die gerne noch Mitstreiter gewinnen würde. 350 Portionen würden in Frankenthal pro Woche ausgegeben. Zahlen müssten die Kunden jedes Mal nur zwei Euro. Außerdem gibt die Tafel Lebensmittel an die Flüchtlingshilfe ab. 25 Familien würden beispielsweise in Maxdorf versorgt, weitere in Beindersheim, Lambsheim und Bobenheim-Roxheim. Die Frankenthaler Tafel sei meist gut bestückt mit Ware nahe am Mindesthaltbarkeitsdatum. So viel bekomme man nur, „wenn man jeden Tag kommt, auch samstags“, sagt Möller. Auf rund 30 feste Spender können die Möllers inzwischen bauen, darunter viele Supermarkt-Filialen, der Pfalzmarkt in Maxdorf, der Zwiebelgroßhandel Vau-Ge Voll und Lekkerland in Bobenheim-Roxheim. Ein Helfer, auf den die Möllers besonders stolz sind, sei noch mit dem Privatwagen unterwegs: Der 93-jährige Alfred Huster und sein Sohn Bernhard würden jeden Morgen acht Bäckereien, Tankstellen und Supermärkte abklappern und Brot einsammeln. Und in der Tat mangelt es daran selten. Im Sommer geben auch die Bauern der Umgebung Gemüse – krumme Gurken etwa, die im Handel nicht akzeptiert werden. Mal gibt es außer der Reihe einen Stapel Frotteehandtücher, mal fabrikneue Kleidung. Über Verteilstellen – die Frankenthaler haben sich Mannheim angeschlossen – werden zum Beispiel Spenden größerer Mengen Tiefkühlpizza verteilt. Darauf seien ihre Kunden besonders scharf, sagt Möller. In der Mörscher Straße gibt es zur Aufbewahrung eigens je eine begehbare Kühl- und Tiefkühlzelle. „Wenn wir viel haben, kriegen die Leute viel. Wenn wir wenig haben, kriegen sie wenig“, erzählt Möller. Und wenn sie mehr bekomme, als sie abgeben kann, biete sie benachbarten Einrichtungen davon an. „Man hilft sich gegenseitig.“ So wie am 30. Januar, als eines der Fahrzeuge 1000 Liter Milch mit Ablaufdatum 6. Februar in die Mörscher Straße brachte. Dann würden die Helfer die Autos vollladen und verteilen. Stephanie Zimmer von der Tafel Ludwigshafen bestätigt: „Wir kommen Lebensmittel gerne abholen, wenn sie uns angeboten werden.“ Auch ihre Helfer fahren jeden Tag raus, um gespendete Lebensmittel einzusammeln. „Wenn wir angerufen werden, kommen wir natürlich. Aber wir haben leider keine Großlieferanten wie Lekkerland.“ Auch in Ludwigshafen ist jeden Tag Ausgabe. Bei 1000 Bedürftigen in der Kartei, ein Teil mit Familien von bis zu acht Personen, komme jeder nur alle 14 Tage zum Zug. „Seit Jahren haben wir leider nicht mehr die Möglichkeit, jede Woche auszugeben“, sagt Zimmer. Maximal 80 Kunden können wir pro Tag bedienen, „mehr geht leider nicht“. Dafür reichten weder die Zeit der ehrenamtlichen Helfer noch die Lebensmittel. Nach Stunden in der Kälte wollten die Helfer auch irgendwann einmal nach Hause. Frankenthal sei ein Phänomen. „Wir müssen es leider anders machen.“ Auch die Tafel in Worms arbeitet restriktiver. Hier darf sich jeder Kunde nur einmal pro Woche bedienen: dienstags oder freitags zu vorgegebenen Zeiten. An der Verfügbarkeit von Waren liege das nicht, sagt Wolfgang Kabbe. Das Problem sei die Zahl der Helfer. „Jede Tafel kann für sich entscheiden, wie sie sich organisieren will.“ Jeden Tag zu öffnen – „dafür haben wir nicht genug Leute“. Dabei packten auch in Worms um die 70 Ehrenamtliche mit an. 180 bis 220 Kunden würden pro Ausgabetag verpflegt. Kabbe schätzt, dass seine Tafel, die von Caritas und Diakonie getragen wird, 800 bis 1000 Menschen zu ernähren hilft.

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