Frankenthal Die süße Seite der Melancholie

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Zuhören und lauschen statt mitsingen und grooven: Im Rahmen ihrer ersten Deutschland-Tour gastierte die schottische Folksängerin Alyth McCormack zusammen mit dem irischen Harfenisten Padraic Collins am Samstag in Franks Bodega in Großkarlbach. Rund 40 Zuhörer erlebten einen Abend der leisen Töne, die in die Tiefe gingen.

42 Harfensaiten und eine facettenreiche Stimme – mehr braucht es nicht, um ein atmosphärisch dichtes Konzerterlebnis in familiärem Club-Ambiente zu kreieren. Dazu nahmen Alyth McCormack und Padraic Collins ihr Publikum mit auf eine Reise in die raue Einsamkeit der Inseln weit draußen im Atlantik und gaben Einblicke in die reiche keltische Musiktradition. McCormack stammt von der Insel Lewis im Nordwesten Schottlands und hat ihre Wahlheimat in Irland gefunden. Als Sängerin der Irish-Folk-Band The Chieftains füllt die sechsfache Grammy-Gewinnerin sonst große Hallen, doch dazwischen kehrt sie immer wieder zurück auf kleine Bühnen, sucht den direkten Kontakt zum Publikum und erzählt gerne die Geschichten zu ihren Liedern. Im Mittelpunkt standen die Songs ihres dritten Soloalbums „Homelands“. Dabei geht es um die Liebe zur Heimat und den Drang in die Ferne, ums Reisen, Ankommen und Unterwegs sein. „Irgendwie sind wir alle Wanderer, Migranten“, sagte McCormack. „Orphan Girl“ erzählt von den Sehnsüchten junger Irinnen, die einst nach Australien auswanderten, „Grandmother’s Eyes“ (Text: Martin Fury) ist getragen von der tiefen Verbundenheit zu Menschen, die weggehen, und in „Lambs Of Greenhills“ schweift der Blick über Erdbeerfelder, grüne Wiesen und neblige Hügel in die Ferne zu den Schiffen, die den Ozean überqueren. Fernweh und Sehnsucht, getragen von einer süßen Melancholie sind die Grundstimmungen dieser Balladen. Alyth McCormack interpretiert die Lieder einfühlsam, ohne Pathos und nutzt dabei den Nuancenreichtum ihres virtuosen Timbres. Ihre Stimme ist seelenvoll, ohne gefühlig zu klingen, geht unter die Haut und öffnet Herzen. Padraic Collins wiederum ist ein Könner an der keltischen Harfe. Die hat 42 Saiten und wird – anders als klassische Konzertharfen – rein manuell ohne Pedale gespielt. Mit Harfeversionen bekannter Jigs und Reels – Tanzlieder, die üblicherweise auf dem Akkordeon gespielt werden, zeigte Collins virtuose Fingerfertigkeit und Spielfreude bis hin zu groovigen Schlussakkorden. Die zeitlose Schönheit traditioneller und moderner Harfenstücke beeindruckte. Im zweiten Konzertteil schlugen die beiden auch fröhlichere Töne an. Besonders gefielen traditionelle Songs, die einst während der Arbeit angestimmt wurden, wie etwa das Lied der schottischen Frauen, die Tweed-Stoffe herstellten. Es gab ein Wiederhören mit bekannten Klassikern wie „Carrickfergus“ aus Nordirland oder dem bittersüßen Liebeslied „Raglan Road“, benannt nach einer Straße in Dublin. Wie in Irland und Schottland auch ohne Instrumente mitreißende Tanzmusik geschaffen wird, demonstrierte McCormack eindrucksvoll mit zungenbrecherischer Finesse: „Mouth Music“ heißt die alte Tradition fantasiesprachlicher Vokalkunst, bei der Stimme und Laute zum Instrument werden. Und so steht eines fest: Bei ihrem ersten Konzert in Franks Bodega konnten Alyth McCormack und Padraic Collins auf Anhieb ihr Publikum begeistern.

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