Frankenthal Am Ende sind alle Freunde

Das Publikum wollte einfach nicht aufhören zu klatschen. Wenn der Beifall die Droge des Künstlers ist, hat die kanadische Singer-Songwriterin Christina Martin am Samstag in der Bodega Großkarlbach eine Überdosis abbekommen. Dabei war es nicht die Musik allein, die für einen entspannt-genussvollen Konzertabend sorgte. Die persönlichen und humorvollen Geschichten in und zwischen den Songs waren es vor allem, die Lust auf mehr weckten.

So war es kein Wunder, dass die neben der Bühne ausgebreiteten CDs und Vinylalben – ja, auch die gibt es noch – reißenden Absatz fanden. Einen Tag nach dem Erscheinen ihres sechsten Albums „It’ll Be Alright“ am Freitag bestritt die Kanadierin, nur von ihrem Ehemann Dale Murray begleitet, das Release-Konzert ihrer CD in Großkarlbach. Die Band blieb außen vor, was den Boden für eine intensive Atmosphäre bereitete. Kein Schlagzeug, kein Bass – zu hören waren nur zwei Gitarren und Gesang. Martin hat im Laufe ihrer rund zehnjährigen Musikkarriere eine Menge Preise eingeheimst; auch zu Ehren von Queen Elizabeth II. hat sie schon auf dem Parliament Hill in Ottawa gesungen. Es sind aber die kleinen Dinge, mit denen sie ihr Publikum im Sturm erobert: ihr verträumter Schlafzimmerblick, die netten Gespräche mit ihren Zuhörern in lustigem Denglisch („How many Jägermeister hast Du getrunken?“) und ihre fesselnde Stimme. Martin beherrscht druckvollen Rock genau so wie melancholisch-schmerzvollen Folk oder Blues. Überhaupt ist sie musikalisch schwer einzuordnen. Zu den genannten Richtungen kommen mindestens noch Pop- und Countryeinflüsse hinzu. Dann greift Murray zur Slidegitarre. Ansonsten sorgt der Ehemann mit seiner Höfner Thinline für ein warmes Gitarrenfundament und übernimmt mit treibenden Akkorden den Rhythmuspart. In den Songs geht es um die Licht-, aber auch die Schattenseiten des Lebens. Martin beschreibt Existenzkämpfe, Leid und das Streben nach Liebe. Am besten ist die Sängerin dann, wenn sie ganz nah an eigenen Erlebnissen ist und beispielsweise in „Daisy“ über hübsche Mädchen singt, die keine echten Freundinnen sind, oder über das komplizierte Verhältnis zu ihrer Mutter, von der sie ohne Vater aufgezogen wurde („Things You Can’t Tell by Looking Away“). Auch die Frage, warum die Kanadierin recht gut Deutsch spricht, klärte sich im Laufe des Abends auf: Ihre ersten professionellen Studioaufnahmen hat Christina Martin als Au-Pair-Mädchen in Salzgitter absolviert, als sie im Rahmen eines Pop-Projekts Erfahrungen mit der Musikbranche sammelte. Deutschland scheint also ein gutes Pflaster für die Sängerin zu sein, die um ihr Alter ein großes Geheimnis macht. Speziell an einen weinseligen Auftritt in der Großkarlbacher Bodega vor gut einem Jahr habe sie beste Erinnerungen, verriet Martin, die lange im texanischen Austin lebte. Auf ihrem Programm steht nun eine Tour mit der Band durch die ganze Republik. „Am Ende des Abends sind wir alle gute Freunde und trinken Jägermeister“, hatte die Kanadierin zu Beginn des Konzerts gesagt, als sie mit ihrem Mobiltelefon ein Video vom Bodega-Publikum machte. Dass dieses Versprechen knapp zwei Stunden später der Wirklichkeit recht nahe kam, ist das Verdienst des sympathischen Duos – zumindest, was den ersten Teil der Ankündigung anbelangt.

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