Donnersbergkreis Stakkato wie Morsezeichen

Eigenwillig: Dominique Rebourgeon an der Orgel (re.) und der Schlagzeuge Uwe Martin.
Eigenwillig: Dominique Rebourgeon an der Orgel (re.) und der Schlagzeuge Uwe Martin.

«GÖLLHEIM.» Zu einem besonderen Termin hatte die protestantische Kirchengemeinde Göllheim zum Herbstanfang in ihre Kirche eingeladen. Die Leiningerland Band spielte experimentellen Jazz in der Besetzung als Duo mit Dominique Rebourgeon, Orgel, und Uwe Martin, Schlagzeug.

Dominique Rebourgeon ist Organist (eigentlich Multiinstrumentalist), Komponist, Maler und Gesamtkünstler. Improvisierte Musik ist seine Spezialität, begleitet wurde er vom Jazz-Percussionisten Uwe Martin aus Kindenheim. Eine besondere Besetzung, Orgel und Schlagzeug, und die besondere Location, nämlich die Protestantische Kirche zu Göllheim, versprachen ein besonderes Konzert. Die Sauer-Orgel aus den Jahren 1888/89 ist die größte Orgel, die der berühmte Orgelbauer aus Frankfurt an der Oder je für eine Dorfkirche gebaut hatte. Sie hat schon viele berühmte und besondere Künstler begleitet oder als Spieler gehabt. „Albert Schweitzer hat hier gespielt, die Orgel hat Xavier Naidoo begleitet, Alphörner und das Rennquintett haben in dieser Kirche konzertiert, und wir haben die unterschiedlichsten klassischen Konzerte erlebt. Der Improvisations-Jazz ist ein weiteres Novum“, erklärte Hausherr Pfarrer Peter Rummer in seiner Begrüßung und freute sich auf ein spannendes Konzert. Wahrlich keine leichte Kost, auch für altgediente Jazz-Enthusiasten eine Herausforderung, kam zu Gehör. Der Organist konzentrierte sich intensiv auf sein Instrument. Bäriges Brummen der Pedale geht über in zaghafte Nutzung der Manuale, gleich herumstöbernden Kirchenmäusen hüpften die Töne im Instrument, suchten ihren Weg in den Raum. Die Finger huschten übers Manual, ergänzt wurden die so erzeugten Klänge durch zarte Beckenklänge, die mit dem Besen gestrichen wurden. Die Orgel blubberte, die Snare-Drum legte darunter einen Rhythmus wie ein Mahlwerk. Klangpausen gab es durch die Registerwechsel. Voller Orgelklang ertönte, bedrohlich und massiv, akzentuiert durch die Hyatt-Schläge des Schlagzeugers, keine einfachen Klänge für die Zuhörer. Spannend war es, die Konzentration des Organisten zu betrachten, das Schlagzeug lauerte, der Percussion-Spieler beobachtete seinen Frontmann an der Orgel, um Akzente zu setzen. Improvisationen dieser Ordnung leben auch vom Beobachten des Zusammenspiels der Musiker, im ersten Konzertteil kam das Schlagzeug klanglich zu kurz, im zweiten Teil spielte Uwe Martin selbstbewusst auf und ließ den hervorragenden Jazzer erkennen. Rebourgeon blieb in sich und in seine Musikwelt versunken, ging wenig auf seinen Partner musikalisch ein, übernahm eindeutig immer wieder die führende Rolle, gleich, was sein Duo-Partner ihm anbot. „Interessant, welche Töne man aus einer Orgel rauslocken kann“, raunte einer der wenigen Zuhörer, mehr als 17 hatten es nicht in die Kirche geschafft. Als ein Handy klingelte, war man sich nicht sicher, ob es zur Darbietung gehörte, so ungewohnt waren die Töne, die aus dem vertrauten Instrument erklangen und in die gewohnten, mainstream-verwöhnten Ohren drangen. Wie Morsezeichen klang das Stakkato, abgelöst von kakophonischen Klängen, die ein Poltergeist im Inneren der Orgel losgetreten zu haben schien, Weltuntergangsmusik und Apokalypse, die Wirkung von Verstörendem und Stille ängstigten und nahmen zugleich gefangen. Erholung für das Ohr, wenn das Schlagzeug die Initiative ergriff. Die Orgel wehrte sich, schien den Rhythmus nur widerwillig anzunehmen. Einige Zuhörer fühlten sich an das Werk Max Regers erinnert. Das Brausen und Brummen der Orgel hatte auch etwas Urzeitliches an sich. Dominique Rebourgeon machte die Musik nicht für sein Publikum, sondern für das Instrument und für sich, er horchte in es hinein, versank in der Mechanik, ließ erzeugte Vibrationen auf sich und den Raum wirken und blieb ganz bei sich. Alle völlig frei improvisiert, erklärte Uwe Martin kurz am Ende des Abends. Machtvolle Klänge der Orgel und eine unter die Haut gehende Basstrommel brachten das Kirchengestühl zum Vibrieren, ein versöhnlicher Akkord zum Schluss löste die Spannung. Ein wahrlich nicht alltägliches Konzert in der Göllheimer Kirche.

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