Donnersbergkreis Schockierend – und alltäglich

Gegenüber der katholischen Kirche in Rockenhausen weht die Fahne, mit der die Organisatoren um Gleichstellungsbeauftragte Ute Gr
Gegenüber der katholischen Kirche in Rockenhausen weht die Fahne, mit der die Organisatoren um Gleichstellungsbeauftragte Ute Grüner auf das Thema Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen wollen.

Seit vorigem Donnerstag weht sie gegenüber der katholischen Kirche in Rockenhausen: die Flagge der Organisation für Frauenrechte „Terre des Femmes“. Bereits seit einigen Jahren wird die Fahne mit der Aufschrift „Frei leben ohne Gewalt“ anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen, der am gestrigen 25. November begangen wurde, an verschiedenen Orten im Donnersbergkreis gehisst. Neueste Statistiken aus dem Bundesfamilienministerium zum Thema Partnerschaftsgewalt untermauern die Wichtigkeit der vom Arbeitsbündnis gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen veranstalteten Aktion.

Schockierend – das war das wohl am häufigsten von Politikern und Journalisten verwendete Wort, um die Zahlen zu beschreiben, die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey in der vergangenen Woche vorstellte. Tatsächlich sind die Statistiken geradezu niederschmetternd: Im Jahr 2017 waren in Deutschland rund 114.000 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt, 147 starben an ihren Verletzungen. Rund die Hälfte der Opfer lebte mit den Tatverdächtigen sogar in einem Haushalt – die Täter kamen dazu aus allen sozialen Schichten, die Herkunft spielte dabei keine Rolle. Deshalb resümierte Franziska Giffey: „Für viele Frauen ist das Zuhause ein gefährlicher Ort – ein Ort, an dem Angst herrscht.“ Diese Erkenntnisse sind schrecklich, aber sie zeigen auch, dass Partnerschaftsgewalt keine Ausnahme ist, sondern zum Alltag vieler Frauen gehört. Und das nicht erst seit heute. Zusätzliche Maßnahmen seien nun mit Absprache der Bundesländer erforderlich, um Frauen besser zu schützen und zu unterstützen, das Thema soll in den Fokus gerückt werden. Eine Organisation, die sich das Thema im doppelten Wortsinn auf die Fahnen geschrieben hat, ist „Terre des Femmes“ – ein Verein, der für die Menschenrechte der Frauen kämpft. Die Fahne mit der Aufschrift „Frei leben ohne Gewalt“ weht nun seit vier Tagen im Nordpfälzer Herbstwind, schräg gegenüber der Katholischen Kirche. „Wir machen das Thema öffentlich und wollen das Tabu brechen“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises, Ute Grüner, die unter Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten der VG Rockenhausen, Petra Greß, und des Arbeitsbündnisses gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen die Aktion organisiert hat. Diese ist zudem in die 44. Kirchheimbolander Friedenstage eingebettet. Seit 2001 werden weltweit am 25. November Fahnen und Banner von „Terre des Femmes“ gehisst – mittlerweile über 8000. Das Arbeitsbündnis hat die Initiative in den Donnersbergkreis geholt. „Die Aktion findet jährlich in einer anderen Verbandsgemeinde statt, dieses Jahr haben wir diesen besonders markanten Punkt in Rockenhausen gewählt“, sagte Greß. So viele Passanten wie möglich sollen die Botschaft wahrnehmen, der Schriftzug „Frei Leben ohne Gewalt“ erscheint nicht nur anhand der vor kurzem erschienenen Zahlen des Bundesfamilienministeriums so aktuell und dringlich wie eh und je. „Obwohl jede dritte Frau in ihrem Leben Gewalt erfährt, ersuchen nur 20 Prozent der Opfer Unterstützung“, erklärte Grüner. „Schweigen hilft nur den Tätern.“ Und genau das möchte die Gleichstellungsbeauftragte ändern, Frauen ermutigen, sich Hilfe zu suchen und gegen die Täter vorzugehen. „Wir wollen zeigen, dass wir Frauen helfen können, einen Weg aus der Gewalt zu finden.“ Auch Stadtbürgermeister Karl-Heinz Seebald betonte die Bedeutung dieses Signals: „Es ist eine Aktion, die uns anhalten sollte, in unserem täglichen Leben Frauen zu unterstützen und zu ermuntern, unterstützende Institutionen in Anspruch zu nehmen – wie das Frauenhaus im Donnersbergkreis.“ Dort steigt auch 2018 die Anzahl der Anrufe – mit gutem Grund ist das Jahresbudget des Frauenhauses kürzlich erhöht worden, die Deckelung der jährlichen Kosten von 25.000 auf 30.000 Euro hinaufgesetzt worden. Was unter anderem den Rockenhausener Verbandsbürgermeister Michael Cullmann freut, der sich ebenfalls entsetzt über die genannten Zahlen äußerte. „Wir wollen zeigen, dass wir unserem Kreis keine Gewalt dulden“, fasste Grüner die Kernbotschaft der Veranstaltung zusammen. Und die Teilnehmer wollten deutlich machen: Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland weit verbreitet, ja alltäglich. Die Opfer zu unterstützen und Täter nicht in Schutz zu nehmen, das sei Sache eines jeden Bürgers. Wer schweige beziehungsweise Fehlverhalten von Bekannten oder Verwandten herunterspiele, sei Teil des Problems. Die Filmvorführung von „Das Mädchen Wadjida“ in der Donnersberghalle, bei dem die aus der eisigen Kälte kommenden Besucher von ehrenamtlichen Helferinnen mit syrischem Essen verwöhnt worden sind, haben den Tag abgerundet.

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