Donnersbergkreis Mit Hexencharme und Spendekässje

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Wenn in Standenbühl langnasige Strohpuppen mit dicken Warzen im Gesicht am Straßenrand sitzen, weiß auch der eingefleischte Fasnachtsignorant: Es ist schmutziger Donnerstag. Die „Stannebieler Brezelhexe“ fordern eine „Wegemaut“ von den Autofahrern. Und das am Abend meist gut gefüllte Spendenkässchen wird irgendwann für eine gute Sache geleert.

Standenbühl. Mit Krawatten geben sich die Hexen in Standenbühl längst nicht mehr zufrieden. Wenn sie am schmutzigen Donnerstag ausrücken, dann haben sie es auf Geld abgesehen, und zwar möglichst viel Geld. Und bei Lore Wahl sieht es am frühen Nachmittag auch schon recht gut aus. „Moi Kässje is schun so rischidisch schee schwer“, sagt sie, und während sie zum Beweis die Münzen klingeln lässt, stürzt sie sich schon wieder auf die Spendenmeile, die Ortsdurchfahrt von Standenbühl. Dort machten gestern zwischen 11 und 17 Uhr alle Autofahrer Bekanntschaft mit den „Stannebieler Hexe“. Sie hatten sich in der Ortsmitte an den Straßenrändern postiert und stellten sich – die Hexenbesen oder das Klingelkässchen schwenkend – einfach in den Weg, wenn sich jemand näherte. „Manche fahren auf einen zu, da muss man sich in letzter Sekunde noch in Sicherheit bringen“, entrüstet sich Carina Martin. Und wie zum Beweis hält ein blauer Lieferwagen direkt auf sie und ihre „Mithexe“ Bianca Wenzel zu, die gerade einem Peugeotfahrer mit Lauterer Kennzeichen die Hexenidee näherbringt. Der Lieferwagenfahrer prescht mit stoischem Gesichtsausdruck, den Fuß fest auf dem Gaspedal, gefährlich nah an den beiden Hexen vorbei, von Fasnachtslaune oder auch nur von alltagstauglicher Menschenfreundlichkeit kein Schimmer zu sehen. „Wir haben und schon einiges anhören müssen“, erzählt Bianca Wenzel. „Des Geld versaufen ehr doch nur“ und sogar noch Schlimmeres, sagt sie und zieht vielsagend die Augenbrauen hoch. Vor wenigen Minuten erst verriegelte eine Frau ihren Wagen und gab entrüstet Zeichen, dass von ihr keine Spende zu erwarten sei. Aber all das hielt sie bisher nicht davon ab, für ihre Ziele auf die Straße zu gehen. Und abgesehen davon: „Die meisten Autofahrer sind freundlich und lassen sich nicht lange bitten“, stellt sie klar. Das Auto sei auch gar keine Pflicht. So hätte eine Standenbühlerin ihre Spende zu Fuß vorbeigebracht, sie hätte mit dem Auto einfach nichts zu erledigen. In Standenbühl und Umgebung sei mittlerweile bestens bekannt, was einen am schmutzigen Donnerstag hier erwarte. Und auch in Göllheim, Weitersweiler und Kerzenheim treiben die besenreitenden Verwandten an diesem Tag ihr wohltätiges Unwesen. „Dass die Hexen für gute Zwecke sammeln und mit dem Geld auch meist unmittelbar im Ort etwas gemacht wird, das weiß spätestens seit der Seilbahn auf dem Kinderspielplatz wohl jeder“, ist Hexe Regina Brauch sicher. Wer auf der Standenbühler Ortsdurchfahrt das Spendenkässchen füttert, dem wird als Dankeschön ein Mautschein ausgehändigt. „Hängen Se den ääfach an de Rückspiegel, dann derfen Se dorchfahre, wann Se widderkummen“, erklärt Lore Wahl einem offenkundig Ortsfremden. Und weil der nachfolgende Audifahrer sich besonders spendabel zeigt, kredenzt sie ihm sogar ein kleines Pfläumli – und genehmigt sich und ihrer gesunkenen Körpertemperatur auch gleich eins. Carina Martin ist mit ihren 23 Jahren die jüngste Hexe, ihr „Pendant“ ist die 63-jährige Waltraud Schottler, die an diesem Tag aber nicht im Einsatz ist. „Das Alter spielt bei uns aber gar keine Rolle“, sagt Carina Martin. „Wir alle hatten den Wunsch, etwas gemeinsam zu machen“, sagt sie. Und so treffen sich die zehn Hexen einmal im Monat zu einem „Jour fixe“. „Dabei wird natürlich in erster Linie geplant und über das gesprochen, was als nächstes ansteht“, berichtet Bianca Wenzel. Denn der schmutzige Donnerstag ist zwar nach wie vor das wichtigste Ereignis im verhexten Jahr, aber bei weitem nicht das einzige. Heute zählen auch der Frühlingskaffee und ein Neujahrsempfang am Milchhaisje zu den festen Terminen im Hexenkalender. „Der Neujahrsempfang kam im letzten Jahr bei den Standenbühlern gut an“, erzählt Carina Martin. Da gab es Waffeln und Suppe, Glühwein und natürlich ein Gläschen Sekt zum Anstoßen. Die Spendenbox ist immer dabei, und so kommt es, dass mittlerweile zwei Tische und Bänke im Ort und das Kinderkarussell bereits auf das Konto der spendierfreudigen Hexen geht. Ein neuer Termin ist das Weihnachtsbaumstellen. Die Standen-bühler Kinder schmückten den Baum im Dezember mit selbst gebastelte Papiersternen. „Wir haben uns seit der Gründung vor sechs Jahren immer wieder etwas Neues einfallen lassen“, sagt Bianca Wenzel. Am Abend nach der Mautaktion, wenn die Hexenhände so richtig durchgefroren sind, wollen die Hexen in Steinbach Altweiberfasnacht feiern. „Das machen wir dann alle gemeinsam, darauf freuen wir uns immer sehr“, sagt Bianca Wenzel. Doch zuvor wird noch das ein oder andere Auto angehalten. Ob er denn auch ein Küsschen bekommt, wenn er ordentlich was spendet, will der nächste Autofahrer von Hexe Carina Martin wissen. Die lehnt lachend ab. „Einen Mautschein gibt es, und das muss dann aber auch reichen.“

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