Donnersbergkreis Hintersinnige Zeitreise

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GÖLLHEIM. Die Göllheimer Landfrauen hatten am Samstag zum Kabarettabend mit der in unserer Region noch weitgehend unbekannten Sia Korthaus ins Haus Gylnheim eingeladen. Die Resonanz war gut, nur wenige Plätze blieben unbesetzt. Unter dem Titel „Sorgen? Mache ich mir morgen!“ nahm sie das Publikum mit auf eine vergnügliche wie hintersinnige Zeitreise kreuz und quer durch die nächsten fünfzig Jahre.

„Das macht sie sehr geschickt, aktuelle Fragen wie die zunehmende Abhängigkeit von Technik aus der Zukunftsperspektive zu beleuchten. Ein toller Ansatz. Und mit satirischer Übertreibung bringt sie uns zum Nachdenken und zum Lachen“, meinte Gerhard Bugiel. „Es gibt heute so viele Künstler in diesem Genre. Wer auf diesem Markt Fuß fassen will, muss inzwischen viel können. Und Sia Korthaus zeigt, was sie drauf hat. Sie kann mehr als Sprüche klopfen. Sie kann auch Singen. Was sie uns heute zeigt, ist unterhaltsam und interessant. Mir gefällt es richtig gut.“ Zusammen mit ihrer Handpuppe Ede Olschewski, einem außerirdischen Zeittaxifahrer mit Berliner Schnauze, der nur „das eine“ männliche Thema im Kopf zu haben schien, kam Sia Korthaus aus dem Jahr 2054 nach Göllheim. Sie berichtete von vielen Veränderungen. Davon, dass Google die Macht über die Erde übernommen hat und alles kontrolliert, weshalb unser Planet in Google Earth umbenannt worden ist; davon, dass die USA nun United States of Amazon heißen; davon, dass die Waffen mit Gewehr-Googeln schießen, die beim Treffen gleichzeitig drei Beerdigungsinstitute vorschlagen; davon, dass die Gesellschaft zur Erpressung von Musikern und ihren Angehörigen (GEMA) überall - selbst im Kindergarten - abkassiert, so dass niemand mehr aktuelles Liedgut singt. Oder davon, dass der Berliner Flughafen tatsächlich fertiggestellt wurde, aber nie in Betrieb ging, weil das Gebiet vorher entvölkerte. Sia Korthaus ließ ihr Publikum auch an einem Gerichtsverfahren gegen Google teilhaben. Sie hatte gegen den Konzern geklagt, weil sie die automatisierte Kontrolle aller Lebensbereiche in groteske Situationen gebracht hatte. „Ich weiß, was sich da technisch tut. Mit der Vernetzung und der Abhängigkeit von Technik greift Sia Kortmann das richtige Thema auf“, meint Adolf Lorentz aus Göllheim. „Und ich finde es gar nicht schlecht, wie sie das macht. Mir fehlen nur die echten Brüller wie letzthin bei Sissi Perlinger.“ „Was habt ihr von Regeln wie ,Iss deinen Teller auf, sonst scheint morgen nicht die Sonne’? Dicke Kinder und Klimaerwärmung.“ Sia Kortmann zeigte auf, wie eingeschränkt Jugend in 40 Jahren sein wird, wenn alles verboten ist und kontrolliert wird. Sie plädierte dafür, dass es dann Aufgabe der Alten sein wird, der Jugend auch exzessive Erfahrungen zu ermöglichen. Das Thema der Themen durfte natürlich auch nicht fehlen, der Sex in der Zukunft. Das Publikum erfuhr, dass die Menschheit verlernt haben wird, wie Kinder gezeugt werden. Die Befruchtung erfolgt ausschließlich im Reagenzglas, Sex ist nur noch Cybersex im sensorenbestückten 3D-Cyberanzug. Die Entwicklung dahin war schleichend, aber folgerichtig, denn die Jugend verbrachte ihre Pubertät seit 2010 nur noch vor dem PC oder Smartphone, so dass sie gar nicht merkte, dass ihr etwas fehlt. Nachdenklich wurde es bei der Frage, wie man in Zukunft mit der Rente auskommen wird. Nur mit Phantasie, meinte sie und malte düstere Bilder von üblen Pflegesituationen, aber auch von Party, bis das Leben vorbei ist. Heiter wurde das Thema wieder mit ihrem Vorschlag, vor dem Abgang noch eine Tüte Popkorn zu essen – von den rohen –, wegen des Effekts bei der Einäscherung. Immer wieder wurde durch ihre Vor- und Rückblenden klar, wie relativ die heute heiß diskutierten Themen eigentlich sind und wie wichtig es ist, das Leben im Augenblick zu genießen. „Vor einiger Zeit begleitete ich als Dialyseschwester eine Kreuzfahrt im Nordmeer“, beantwortete Ester Schäfer von den Göllheimer Landfrauen die Frage der RHEINPFALZ, wie es dazu kam, dass diese Kabarettistin eingeladen wurde. „Dort auf dem Schiff habe ich Sia Korthaus kennengelernt. Sie war im Kulturprogramm engagiert. Später habe ich ihr aktuelles Bühnenprogramm angesehen und unserem Vorstand vorgeschlagen, sie einzuladen. Der gute Zuspruch und die gute Stimmung zeigen, dass wir mit dieser Wahl gut liegen.“ Ähnlich sah es auch die Künstlerin. „Mir hat es sehr gefallen, hier in Göllheim zu spielen. Das Publikum war so offen und sympathisch“, sagte sie nach der Veranstaltung. „Da freue ich mich jetzt richtig auf mein Engagement im Mainzer Unterhaus Mitte Mai. Und die Göllheimer Landfrauen – wie haben die mich umsorgt! Das erlebt man so nur noch selten. Blumen gibt es sonst nur noch bei einer Premiere. Aber dass auch meine Puppe am Ende ein ,Bienchen’ als Geschenk bekam, das gab es noch nie. Das zeigt, wie besonders der Abend hier war. Den werde ich bestimmt nie mehr vergessen.“

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