Marnheim Anatolischer Verein organisiert Hilfe für Erdbebenopfer

Mehmet Gündüz im Erdbebengebiet.
Mehmet Gündüz im Erdbebengebiet.

Mehmet Gündüz aus Marnheim war bei einem Hilfstransport zu den Erdbebenopfern in Anatolien dabei. Das hat er erlebt.

Vor gut sechs Wochen erlebten die Menschen im türkisch-syrischen Grenzgebiet eine Katastrophe. Mehrere Erdbeben kosteten Tausenden das Leben. Im Fernsehen wurden überwiegend Bilder von zusammengestürzten Hochhäusern in Großstädten gezeigt. Im Katastrophengebiet gibt es aber auch viele hundert kleinere Städte und Dörfer. Hierzu zählt etwa die Kleinstadt Nurhak, die rund 80 Kilometer Luftlinie nördlich der Großstadt Kahramanmaraş liegt, wo das Epizentrum des Bebens war. Dort hat der in Marnheim wohnende Mehmet Gündüz seine Wurzeln. Vor rund 43 Jahren wanderte sein Vater von Nurhak nach Deutschland aus. Heute lebt der Senior mit seiner Frau in Kirchheimbolanden, verbringt aber auch rund sechs Monate im Jahr in seiner alten Heimat. Als das Erdbeben Anatolien erschütterte, war er gerade wieder einmal dort.

Mehmet Gündüz im Erdbebengebiet.
Mehmet Gündüz im Erdbebengebiet.
Das Erdgeschoss dieses Hauses ist gerade zusammengebrochen.
Das Erdgeschoss dieses Hauses ist gerade zusammengebrochen.
Nur noch Trümmer.
Nur noch Trümmer.
Nurhak lieget auf 1384 Meter Höhe, dort liegt immer noch Schnee.
Nurhak lieget auf 1384 Meter Höhe, dort liegt immer noch Schnee.
Mehmet Gündüz (links) und der Vereinsvorsitzende Mehmet Zincir.
Mehmet Gündüz (links) und der Vereinsvorsitzende Mehmet Zincir.

Foto 1 von 5

„Als die Nachricht von dem Erdbeben uns erreichte, bekamen wir einen Schock“, sagt Mehmet Gündüz. „Gegen 8.30 Uhr kam dann der erste Anruf von der Familie. Meine beiden Onkels und mein Vater waren mit dem Schrecken davongekommen.“ Dennoch sei die Anspannung in Deutschland fast unerträglich gewesen, weil man nichts Genaues wusste. „Bis gegen 11 Uhr konnte meine Frau Maria Kontakt mit der Türkei halten, dann brachen alle Leitungen zusammen.“ Als am Nachmittag die Nachrichtensender die Meldung über das zweite heftige Beben ausstrahlten und niemand in Nurhak erreicht werden konnte, liefen die Telefone heiß.

Verein bringt fünf Kleintransporter auf den Weg

Gündüz, der beim Verein Anatolisches Kulturhaus Gundersheim engagiert ist, hatte dann sehr schnell weitere Informationen. Viele der Vereinsmitglieder, so auch der Vorsitzende Mehmet Zincir, der in St. Wendel wohnt, stammen aus Nurhak. Somit konnten die weiteren Schritte miteinander abgestimmt werden. Der Verein organisierte fünf Kleintransporter, die am Mittwoch nach dem Beben auf die Strecke geschickt wurden. In der Zwischenzeit wurde klar, dass die Familie von Gündüz zwar ihr Haus verloren, aber in unmittelbarer Nähe Unterschlupf gefunden hatte.

Beim Kulturverein in Gundersheim wurden warme Decken, Winterkleidung und Schuhe, Trinkwasser und Hygieneartikel beschafft und verladen. Für das Passieren von fünf Grenzen waren entsprechende Papiere notwendig, auf denen die Ladung detailliert beschrieben sein musste. Acht Mitglieder transportierten die Spenden über eine Strecke von 3600 Kilometern Richtung Osten. Während der Straßenverkehr eher überschaubar war, wurde in der Türkei der Gegenverkehr nach und nach dichter: Tausende von Flüchtlingen aus dem Katastrophengebiet waren auf dem Weg hinaus aus dem Gefahrengebiet.

Die Kälte setzt den Menschen zu

Nach mehr als 14 Stunden trafen die Helfer in ihrem Dorf ein. Es liegt auf einer Höhe von rund 1300 Metern, und es lag noch Schnee. Auf Fotos, die Gündüz dort gemacht hat, sieht man im Hintergrund schneebedeckte Berge. Die Straßen sind notdürftig geräumt, fast alle Häuser sind beschädigt. Einige der ein- bis zweigeschossigen Gebäude sind komplett eingestürzt. An den meisten Häusern ist das Erdgeschoss zusammengebrochen und der Aufbau abgesackt. Viele Gebäude haben zwar noch ein Dach, sind aber in sich komplett verschoben und einsturzgefährdet. Darin zu leben oder auch nur sie zu betreten, ist lebensgefährlich.

Nurhak mit seinen rund 13.000 Einwohnern inklusive der eingemeindeten Dörfer war wie in Schockstarre, erzählt Gündüz. Die Menschen leben dort von der Landwirtschaft oder arbeiten in einem Betonwerk oder in der Bekleidungsindustrie. Die Infrastruktur sei komplett zusammengebrochen. Der Konvoi aus Rheinhessen war herzlich willkommen, alle notwendigen Güter fanden reißenden Absatz. Essen sei genug vorhanden, aber die Kälte setze den Menschen ordentlich zu, sagt Gündüz.

Jetzt ist Hilfe beim Aufbau gefragt

Die Helfer aus Deutschland beteiligten sich an der Suche nach weiteren Verschütteten, bauten Schlafzelte auf und halfen, wo es notwendig war. Ein weiterer Schwerpunkt war, mit den fünf Fahrzeugen, die sie dabei hatten, Lebensmittel vom Zentrum aus zu den überwiegend älteren Menschen in den äußeren Stadtbezirken zu bringen. Bei Nachttemperaturen von bis zu minus 18 Grad versuchten die Helfer aus der Nordpfalz und Rheinhessen, in den Fahrzeugen zu schlafen. Vorsorglich hatten sie ihren Treibstoff in Kanistern mitgebracht.

Wie es jetzt weitergeht? – „Eigentlich weiß das niemand“, sagt Gündüz zusammenfassend. Der Verein und seine Mitglieder haben aber ein klares Ziel: „Wir helfen beim Aufbau unserer Heimat. Wir wollen nicht nur Spenden sammeln, sondern auch selbst Hand anlegen.“ Einige der Mitglieder haben kleinere Bauunternehmen und wollen dort, sobald es die Witterung zulässt, mit schwerem Gerät unterstützen. Der Verein will jedenfalls die Spendengelder ausschließlich und unbürokratisch für Hilfe in Nurhak verwenden.

Spenden:

Geldspenden können auf das Konto des Anatolischen Kulturhauses, IBAN DE55 5086 2903 0000 0268 75, eingezahlt werden. Stichwort: Spende für Erdbebenkatastrophe.

x