Über den Kirchturm hinaus Weihnachten: Mutmacher in Krisenzeiten

Heile Welt zu Jesu Geburt? Nicht ganz. Auch damals war die Welt in Unordnung.
Heile Welt zu Jesu Geburt? Nicht ganz. Auch damals war die Welt in Unordnung.

Kann man zu Weihnachten auf heile Welt machen, wenn die Welt im Chaos versinkt? Nein, findet unser Autor. Aber darum gehe es an Weihnachten auch nicht.

„Weihnachten fällt dieses Jahr definitiv aus“, sagt mein Großer. Er wird bald 21 Jahre alt und sein Interesse an Politik ist in letzter Zeit merklich gestiegen. Etwas provokativ fügt er hinzu: „Oder willst du hier etwa einen auf heile Welt machen, während um uns herum alles im Chaos versinkt?“ Dann zieht er alle Register: „Kriege und Umweltkatastrophen bestimmen die Schlagzeilen. Die Wirtschaft lahmt, unser Wohlstand ist gefährdet. Viele Menschen, vor allem ältere, wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen. Die Jungen sehen kaum noch Perspektiven für die Zukunft. Es brodelt und rumort im Volk. Die Prognosen für die Landtagswahlen im Osten nächstes Jahr lassen Schlimmes befürchten. Die Welt gerät aus den Fugen.“

Wir wollten es schon damals besser machen

Ein bisschen erinnert mich das an meine eigene Jungerwachsenenphase. Tschernobyl flog uns um die Ohren, endlose Kriege und Umweltkatastrophen begleiteten unseren Alltag. Wir haben uns in Initiativen engagiert und demonstriert. Aber vor allem wollten wir es besser machen: Friede, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung waren Schlagworte der Friedensbewegung.

Wie weit sind wir damit gekommen? Eigentlich müsste ich sagen: „Es tut mir leid mein Kind. Ich habe versagt! Es ist mir nicht gelungen, die Welt zu retten.“ Wohlwissend, dass ich zu keiner Zeit auch nur ansatzweise dazu in der Lage gewesen wäre.

Schon zu Jesu Zeit war die Welt in Unordnung

Aber braucht es das? Brauchen wir den „political hero“, der kommt und die Welt rettet? Hunderttausende sagen, wir können ja doch nichts machen! Was aber, wenn Hunderttausende anfangen zu handeln? Brauche ich ein Tempolimit, um mit 100 Kilometern pro Stunde über die Autobahn zu fahren? Muss ich im Winter Heidelbeeren kaufen, die um die halbe Welt geflogen werden? Ich esse gerne Fleisch, aber reicht nicht einmal die Woche? Es gibt schier endlose Möglichkeiten, meinen persönlichen ökologischen Fußabdruck zu verbessern. Und ja, ich kann keine Kriege verhindern! Alle Menschen, die ich persönlich kenne, können das leider auch nicht. Aber ich kann meinem Nächsten mit Offenheit, Respekt und Liebe begegnen.

Anstatt mit meinem Sohn über all das zu diskutieren, nehme ich ihn in den Arm und sage: „Ich verstehe, was du meinst. Wenn ich an all die vielen Katastrophen denke, bekomme ich auch Angst vor der Zukunft und fühle mich hilflos. Doch Weihnachten ist nicht das Fest der ,Heilen Welt‘ . Jesus wurde in eine Welt hineingeboren, die ebenfalls in Unordnung war. Damals schon. Wenn Du Dir sein Leben und Wirken anschaust, wirst Du sehen, dass er sich um die gekümmert hat, die es am nötigsten hatten, und dabei ist er fortwährend in Konflikt mit der Obrigkeit geraten. Er war halt ein unbequemer Kerl, der immer das Richtige getan hat.

Mit kleinen Schritten zu mehr Hoffnung

Deshalb macht mir Weihnachten ganz viel Mut, die Schritte zu gehen, die ich gehen kann. Auch wenn es nur kleine sind. Doch wenn Du mit mir gehst, sind wir schon zu zweit. Gehen Mama und deine Schwester mit, sind wir zu viert. Mit ein bisschen Glück können es Hunderttausende oder gar Millionen werden, dann gibt es auch wieder Hoffnung für diese Welt.

Das Wichtigste ist aber, dass wir zusammen sind: Mit Euch an meiner Seite bin ich viel mutiger und zuversichtlicher, als wenn ich auf mich allein gestellt bin. Deshalb freue ich mich darauf, das Fest der Liebe mit Dir, Deiner Schwester und Mama zu verbringen. Ihr seid die Menschen, die mir ganz besonders am Herzen liegen.“

Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und besinnliche Feiertage im Kreise ihrer Lieben.

  • Stephan Krämer ist Gemeindediakon des Protestantischen. Kirchenbezirks Bad Dürkheim – Grünstadt
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