Über den Kirchturm hinaus Von Schafen, Wölfen und Hirten

„Der Wolf… das Lamm… auf der grünen Wiese. Das Lamm… schreit… Hurz!“ Wer erinnert sich noch an den Streich, den Hape Kerkeling und Achim Hagemann 1991 einem unwissenden Publikum spielten? Blühende Fantasie und eine gehörige Portion Schabernack waren da im Spiel. Erstaunlich, dass in der anschließenden Diskussion ein Zuhörer anmerkte, dieses Motiv von Wolf und Lamm habe eine lange Geschichte und beinhalte die Vision einer möglichen Versöhnung. Wolf und Lamm – klar steckt hier eine lange und auch spannungsvolle Wechselbeziehung drin.

Was war das für ein Aufreger, als im Sommer 2022 durch die regionalen Nachrichten ging, dass ein Wolf im Landkreis Bad Dürkheim unterwegs ist und bei Carlsberg zwei Schafe gerissen hat. Sogleich wurden Rufe nach Konsequenzen laut, denn die Angst vorm bösen Wolf steckt noch in vielen. Jahrtausendelang sind uns die Schäfchen ans Herz gewachsen. Sie waren bei uns – und sind wichtig als Milch-, Woll- und Fleischlieferanten. Viel Kleinvieh macht nicht nur Mist, sondern ist auch Zeichen von Wohlstand und Ansehen. Und der Schutz der Herden vor wilden Tieren war eine verantwortungsvolle Aufgabe, die Hirten übertragen wurde.

Altes Testament: Gott als Hirte

Auch die Bibel hat zur Entstehung dieses Bildes beigetragen. Aus dem Alten Testament kennt noch fast jeder aus der älteren Generation den 23. Psalm, vielleicht im Konfirmanden- oder Firmunterricht auswendig gelernt. Der Hirte als das bekannteste Bild für Gott.

Im Neuen Testament wird dieses Bild von Herde und Hirte durch Jesus aufgenommen. Im Johannesevangelium sagt er von sich: „Ich bin der gute Hirte…“, der, der nicht vor dem Wolf davon rennt, sondern sich vor seine Schäfchen stellt, obwohl er weiß, dass der Wolf ihn zerfleischen wird. „Ich lasse mein Leben für die Schafe.“ Jesus als der, dem ich so viel bedeute, dass er sich für mich opfert. Das Bild wandelt sich hier vom „Guten Hirten“ zum „Lamm Gottes“.

Jesus als Hüter des verlorenen Schafes

Aus meiner Kindheit habe ich noch das romantische Bild über dem Bett der Großmutter vor Augen: Ein milde und verständnisvoll blickender Jesus im langen Gewand, der mit Engelsgeduld das verlorene Schaf auf den Schultern heimträgt. Auf der einen Seite ist es Ausdruck einer naiven Frömmigkeit von einer heilen Welt, die es so nicht gibt. Auf der anderen Seite steckt aber die Botschaft drin: Jeder einzelne zählt, das Verlorene wird nicht aufgegeben. Da ist einer, der auf mich achtet.

Wie jedes Bild hat aber auch dieses Bild seine Grenze. Ich bin ein erwachsener Mensch, der seinen eigenen Weg geht und nicht wie ein Schaf der Herde ahnungslos hinterher trottelt. Über mein Leben will ich selbst entscheiden und nicht blindlings irgendeinem Führer folgen. Das machen heute leider wieder viel zu viele, ohne zu merken, dass sie dem Wolf auf den Leim gehen.

Diesem Bild von Schafen, Hirten und Wölfen wird am 14. April in den Evangelischen Gottesdiensten nachgegangen, in der Katholischen Kirche eine Woche später. In den Kirchen begehen wir da den sogenannten „Hirtensonntag“.

  • Martin Lenz ist Pfarrer in Weisenheim am Sand
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