Bad Dürkheim Skandal oder das Normalste der Welt?

Weisenheim am Berg: Wer für seine Gemeinde ehrenamtlich arbeitet, kann das nicht immer mit einer Beruftstätigkeit gut vereinbare
Weisenheim am Berg: Wer für seine Gemeinde ehrenamtlich arbeitet, kann das nicht immer mit einer Beruftstätigkeit gut vereinbaren.

Dem Vernehmen nach haben die Räte in Weisenheim am Berg am Mittwochabend auch hinter verschlossenen Türen noch lange und heftig diskutiert. Schon im öffentlichen Teil der Sitzung am Mittwochabend im Bürgersaal ging es hoch her beim Tagesordnungspunkt drei, der Freistellung des Ortsbürgermeisters. Die CDU sprach von „Skandal“, auch von „Aufruhr“ und einer „Klatsche für das Ehrenamt“. Auch Altbürgermeister Otmar Fischer (SPD) nannte das Land Rheinland-Pfalz einen Selbstbedienungsladen, die Bürger für Weisenheim sprachen vom „Sprücheklopfen in der Politik“. Andere SPD-Ratsmitglieder wollten den Skandal-Vergleich nicht stehen lassen. Um was geht es? Der Job als ehrenamtlicher Bürgermeister bringt einiges an Arbeit mit sich – sich in Themen einarbeiten, bei der Verwaltung Dinge klären, an Baustellen im Ort vorbeischauen, Feste besprechen, auch Beschwerden. Wer da noch voll berufstätig ist, kommt zeitlich nicht immer hin. So auch Joachim Schleweis (CDU), 60, im Hauptberuf Polizist in Bad Dürkheim. Schon seit seinem Amtsantritt im Juli 2014 hat er, wie er sagt, mit seinem Vorgesetzten über eine Freistellung gesprochen. Zwei bis zweieinhalb Stunden ist er seitdem mittwochs immer früher aus dem Dienst. Trotz eines Minus an Arbeitsstunden hat er sein volles Gehalt bekommen. Im Mai 2017 wurde er dann erstmals von seiner vorgesetzten Dienststelle in Neustadt per Email aufgefordert, Buch zu führen über seine Zeiten fürs Ehrenamt, sagte er auf RHEINPFALZ-Nachfrage. Das habe er brav getan, und zwei Tage vor Weihnachten noch „ein schönes Geschenk bekommen“, sagte der Ortschef im Rat. Mit „Geschenk“ meint Schleweis ein Schreiben vom übergeordneten Polizeipräsidium Rheinpfalz. In dem Brief wird er daraufhingewiesen, dass seine Freistellung vom Polizeidienst für die Wahrnehmung des kommunalen Ehrenamts als Ortsbürgermeister „erheblich“ über der Bagatellgrenze liege. Erlaubt sind offenbar lediglich drei Stunden im Monat. Nun fordert die Polizei beziehungsweise das Land Geld von der Gemeinde für die der Polizei entgangene Arbeitszeit: 2500 Euro jährlich seit diesem Jahr – und rückwirkend für die Zeit von 2014 bis 2016 5640,48 Euro. Der Rat hatte am Mittwoch lediglich über die 2500 Euro zu entscheiden. Letztlich stimmten alle (außer dem Bürgermeister, der in dieser Sache befangen war und nicht mitstimmen durfte), einmütig für die Zahlung – aus Überzeugung, dass die Arbeit des Bürgermeisters damit wertgeschätzt werde und er in Wahrheit deutlich mehr Stunden für die Gemeinde aufbringe. Hätte der Rat dagegen gestimmt, müsste Schleweis die Summe selbst tragen. Uneins war man sich jedoch, ob diese Geldforderung rechtmäßig ist. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans-Joachim Fischer nannte die Forderung „skandalös“: „Da wird doch nur Geld von der linken Tasche in die rechte geschafft und Arbeitszeit verschwendet“, sagte er mit Blick auf Land und Gemeinde, die sich aus Steuergeldern finanzieren. Auch Schleweis ist erbost über die Forderung: „Das Land braucht Geld und zieht es überall her.“ Auch Erster Beigeordneter Klaus Lindenblatt (SPD) meinte, dass das Vorgehen „verwundert“, wo man doch sonst das Ehrenamt hochhalte, lies jedoch anklingen, dass beim Polizeipräsidium diesbezüglich „nicht alles richtig gelaufen ist“, ohne dies auszuführen. Elke Schanzenbächer (CDU) forderte mehr Geld für die Kommunen, um solche Zahlungen schultern zu können. Jürgen Menge (SPD) wies die Wortwahl der CDU ebenso wie Fraktionschefin Brigitte Hauser scharf zurück. Es gebe Regeln, damit sich ein Arbeitgeber das entgangene Geld zurückholen könne. Gab aber zu, dass es „ein schwieriges Thema“ sei. „Das Geld steht der Polizei zu“, sagte auch Hauser, die ihren Fraktionskollegen und Altbürgermeister Fischer damit in die Schranken wies. Er hatte das Land als „Selbstbedienungsladen“ angegriffen. Fischer forderte, „rechtlich prüfen zu lassen“, ob die 5600 Euro nachgefordert werden können. Christian Brill von den Bürger für Weisenheim argumentierte ähnlich wie Menge und nannte es einen „Fakt“, dass Kosten verrechnet werden. In der VG Freinsheim ist eine solche rückwirkende Ausgleichsforderung für Beamte eine einmalige Sache. Nicht dagegen die Forderung auf Erstattung an sich. Für den früheren Bürgermeister von Weisenheim am Sand, Dietmar Helt (CDU), etwa zahlte die Gemeinde in den zehn Jahren seiner Amtszeit zwischen 20.000 und 25.000 Euro an den Landesbetrieb Mobilität, seinem Arbeitgeber, weil er sich bis zu fünf Stunden pro Woche vom Dienst frei stellen ließ fürs Ehrenamt, wie die Verwaltung auf Nachfrage informierte. Das Innenministerium hat sich bis Redaktionsschluss nicht zum Fall Schleweis geäußert. Zitiert —„Einen BASF-Vorstand als Bürgermeister können wir uns nicht leisten.“ Aus den Reihen der CDU angesichts möglicher Forderungen des Arbeitgebers nach Lohnausgleich durch die Gemeinde. —„Das ist eine Klatsche für uns.“ Sascha Krämer (CDU), der das Ehrenamt beschädigt sieht und weil er und andere als Selbstständige bisher kein Geld wollten, wenn sie während ihrer Arbeitszeit für die Feuerwehr im Einsatz waren.

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