Bad Dürkheim „Schwachsinnige Ausreden gehört“

Schöffen unterstützen hauptamtliche Richter bei Strafprozessen.
Schöffen unterstützen hauptamtliche Richter bei Strafprozessen.

Die fünfjährige Amtszeit der ehrenamtlich an den Gerichten in Rheinland-Pfalz tätigen Schöffen ist zum Jahreswechsel ausgelaufen. Nur die Schöffen, die in laufenden Prozessen tätig sind, bleiben bis zu deren Ende im Amt. Die Ehrenamtlichen haben ganz unterschiedliche Erfahrungen bei Gericht gemacht.

Ariane Blaul aus Weisenheim am Berg war vier Wahlperioden Schöffin am Amtsgericht Neustadt, erst zehn Jahre Jugendschöffin, dann am Schöffengericht für erwachsene Angeklagte. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele junge Leute gibt, die keinen Schulabschluss haben, die keine Lust haben zu arbeiten und die Alkohol und Drogen nehmen. Das hat mich schon erschüttert“, berichtet sie. Sie habe mit solchen Leuten vorher nie zu tun gehabt und nicht gewusst, „dass es so viele zerrüttete Familien gibt“. „Ich habe ganz andere Seiten des Lebens kennengelernt“, sagt die 70-Jährige. Vor allem einige Fälle am Jugendschöffengericht habe sie „nicht einfach so abschütteln können, es hat mich beschäftigt, dass die Zukunft der Jugendlichen wahrscheinlich zerstört war“. Blaul war erst von der CDU und dann von der Gemeinde als Schöffin vorgeschlagen worden. Aus Altersgründen hat die 70-Jährige nun nicht mehr kandidiert. Mit Ehrfurcht an die Aufgabe Der Wachenheimer Thomas Münch hätte gern weitergemacht, „aber ich habe versäumt mich rechtzeitig zu bewerben“. Münch war Schöffe am Neustadter Amtsgericht. „Ich bin sozial eingestellt, bin gern für die Allgemeinheit da, und das Juristische interessiert mich“, sagt der 53-Jährige. Ein- bis zweimal pro Monat sei er als Schöffe tätig gewesen. „Mir war klar, was es im Großen gibt, das gibt es auch auf dem Land, zudem erlebe und sehe ich als Feuerwehrmann weitaus schlimmere Dinge“, erzählt Münch. Ein interessanter Fall sei ein Verfahren gegen eine Bande Trickbetrüger gewesen. Zu Beginn ihrer Tätigkeit als Jugendschöffin vor zehn Jahren habe sie „eine gewisse Ehrfurcht gehabt, wie man sie als Bürger vor Gericht hat“, erinnert sich die Ellerstadterin Bettina Heß. Umso erstaunter sei sie gewesen, dass „manche Angeklagte total locker einmarschiert sind“. Die Lebensgeschichten, von denen sie in Verhandlungen gehört habe, seien dagegen für sie nichts Neues gewesen, „die kenne ich von meiner Arbeit beim Job-Center“, sagt Heß. Trotzdem sei ihr ein Fall „etwas nachgegangen“, verrät Heß. Dabei sei es um sexuelle Belästigung von jungen Mädchen gegangen. Fast alle Angeklagten, mit denen sie zu tun hatte, hätten keinen Schulabschluss und keine Ausbildung gehabt. „Das hat mich darin bestätigt, wie wichtig Bildung ist. Meiner Tochter habe ich immer gesagt: ,lerne, lerne …’“. „So richtig hören die Richter nicht auf die Schöffen“, so die Erfahrung der 52-Jährigen, die vom Ellerstadter Bürgermeister Helmut Rentz (SPD) vorgeschlagen wurde. Ein Urteil müsse juristisch begründet sein und „wenn der Richter sagt, dass etwas juristisch nicht anders begründet werden kann, dann kann ich nichts dagegen sagen“. Für die neue Wahlperiode sei sie leider nicht zum Zuge gekommen. Vorerfahrungen nur durch Tatort „Ich hätte nicht gedacht, dass es solche Dinge hier in unserer Region gibt“, erzählt der Dürkheimer Rudolf Helfer. Bevor er vor fünf Jahren Schöffe am Neustadter Amtsgericht wurde, „bestanden meine kriminalistischen Erfahrungen aus Tatort gucken“. Die Taten, um die es in den Verhandlungen ging, seien für ihn teilweise „erschreckend“ gewesen. Beeindruckt habe ihn mitzubekommen, wie die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft liefen. Helfer war auf Vorschlag der CDU zum Schöffen gewählt worden. Etwa achtmal pro Jahr sei er bei Prozessen eingesetzt gewesen. Fragen an Angeklagte oder Zeugen habe er auf einen Zettel geschrieben und sie der Richterin gegeben. Er sei anfangs „überrascht“ gewesen, dass bei den Urteilsberatungen „richtig diskutiert wird und man teils unterschiedlicher Meinung ist“, erinnert sich Helfer. Grundsätzlich unterschiedlich seien diese Meinungen aber nicht gewesen, sondern es sei um die Höhe des Strafmaßes gegangen. Am Ende hätten die Juristen aber immer Argumente gehabt, denen man sich nicht verschließen konnte. Zehn Jahre lang war der Dürkheimer Werner Grill Schöffe an einer Berufungskammer des Landgerichts Frankenthal, in der neuen Wahlperiode wird er Schöffe am Amtsgericht Neustadt. „Es ist sehr interessant, Einblick in einen Teil der Gesellschaft zu bekommen, den ich nicht gekannt habe und mit dem man sonst nichts zu tun hat“, sagt der 62-Jährige, der auf Vorschlag der CDU gewählt worden war. Immer wieder überrascht habe ihn, dass der erste Eindruck, den er von Angeklagten hatte, oft so gar nicht zu den Vorwürfen gepasst habe. Bei den Urteilsberatungen sei es häufig so gewesen, „dass die Schöffen strenger und härter sind als die Richter“, erzählt der Forstbeamte. Kaum Empathie bei Angeklagten Martin Richter ist als pädagogische Fachkraft in einem Kinder- und Jugendheim tätig, deshalb sei er vor fünf Jahren von den Grünstadter Grünen als Schöffe für die Jugendkammer des Landgerichts Frankenthal vorgeschlagen worden. Damals wohnte er noch in Grünstadt, inzwischen ist er nach Wachenheim umgezogen. Er bezeichnet es als erschreckend, dass fast alle Angeklagte, mit denen er zu tun hatte, keinen Schulabschluss hatten, oft Förderschüler waren und meist einen Migrationshintergrund hatten. „Das zeigt, wie wichtig Bildung ist“, sagt Richter. Erschreckt und überrascht habe ihn, „wie gleichgültig manche Angeklagte waren und wie wenig Empathie sie gegenüber ihren Opfern hatten“. Die Erfahrungen, die er als Schöffe gemacht hat, nutzt Richter nun für seine berufliche Tätigkeit. Er möchte seine „bürgerschaftliche Pflicht tun“, im Schöffenamt biete sich dazu eine Möglichkeit, sagt der Dürkheimer Reimer Huy. Zudem interessiere er sich für „die Juristerei“. Er habe darum gebeten, in einer Berufungskammer für Jugendverfahren eingesetzt zu werden, weil sich hier die Verhandlungen meist auf einen oder wenige Tage beschränken. Als Leiter eines Rechenzentrums könne er nicht zu oft abwesend sein, nennt Huy als Grund für diesen Wunsch. „Ich stehe mit beiden Füßen auf der Erde und kann mir alles vorstellen“, sagt der 61-Jährige. Deshalb hätten ihn die Fälle, mit denen er konfrontiert war, nicht belastet. Er habe es sich allerdings nicht vorstellen können, „dass es so viel Dummheit gibt“, sagt der Dürkheimer, der vor zehn Jahren von der CDU vorgeschlagen worden war. Er habe in Verhandlungen einige „schwachsinnige Ausreden“ gehört. Huy hätte gern weitergemacht, kam aber nicht zum Zuge. Das habe den Vorteil, dass die zeitliche Belastung weg sei.

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