Bad Dürkheim In der Champions League

„Workless“ prangt auf seinem T-Shirt. Es verkörpert das krasse Gegenteil von dem, was sich auf dem Aussiedlerhof von Markus Schneider in diesen Tagen und Wochen abspielt. Dutzende von Angestellten und Arbeitern haben alle Hände voll zu tun, an allen Ecken und Enden wird gewerkelt. „Am 26. Juni ist alles fertig“, sagt er. Dann schmeißt der Winzer eine vermutlich rauschende Party. Zur Einweihung seines neuen Wirtschaftsgebäudes. So nennt man solche Nutzbauten im Weinbau. In diesem Fall ist „Weindom“ angebrachter. Seit gut zwei Jahren baut Schneider dran. Zehn Millionen Euro, sagt er, stecken in dem mächtigen dunklen Kubus, bis zu 120 Meter lang, am höchsten Punkt elfeinhalb Meter hoch. Ein Einschnitt über die gesamte Längsachse nimmt ihm etwas von der Wucht, damit er nicht trotzdem das nahe Dorf optisch erschlägt, hat der Bauherr den „Klotz“ (Schneider) fünf Meter tief in den Boden setzen lassen. Dies kaschiert zugleich, dass der Ellerstadter mittlerweile einen der größten Selbsterzeugerbetriebe der Pfalz führt. Mit einem Absatz von 800.000 Flaschen in einem guten Ertragsjahr. Und mit bundes-, ja, weltweiter Kundschaft. Und das nicht erst seit Mai, da ein Schlossgarten-Riesling für die Business Class mit „Emirates“ um den Globus jettet. Die Paletten für die Araber nehmen eines von vierzig „Rollfeldern“ in der neuen Lagerhalle ein. Allein dieser Raum reicht anderen Betrieben als komplettes Kelterhaus. „Früher haben wir nur so viel abgefüllt, wie wir lagern konnten“, erläutert Schneider. „Heute verkaufen wir schneller als wir füllen“, und mit der neuen Kapazität kann er auch mal eine Charge vorhalten, die der Kunde gar nicht in den Keller kriegt, etwa die bekannte „Sansibar“ auf Sylt. Aber fangen wir vorn an. Schon wenn man – wie an Samstagen bis zu 500 Kunden – aus dem Feldweg am südöstlichen Ortsrand in die gekieste Hainbuchen-Allee mit ihren dreißig schlanken Bäumen und der Tradition verkörpernden Villa am Ende einbiegt, spürt man spontan, dass dies kein gewöhnliches Weingut ist. Gemanagt wird es vom puristischen Bürogebäude als modernem Kontrast linker Hand aus, mit dem letztes Jahr der erste Claim des Neubauprojekts eingeschlagen wurde. Hier hat der Hausherr sein Büro, in dem der Fußball- und speziell FCK-Narr auf das gerahmte DFB-Trikot mit den Autogrammen der Weltmeister von Rio blickt. Über dem Flur führen seine weinbaustudierte Frau Caroline, Schwester Nicole und Mutter Rosemarie die Fäden des Familienbetriebs zusammen. Nebenan geht die Vinothek nahtlos in den ersten Kellereibau von 2008 über, schon er in Schwarz und der zeitlos schlichten Eleganz wie der aktuelle Neubau gehalten. Seinen tausend Quadratmetern freilich ist die Expansion des Weinguts rapide entwachsen. Daher machte sich Markus Schneider schon bald Gedanken um Größeres. 2011 begann die Planung, jetzt steht das Gesamtwerk auf dem 1,26 Hektar großen Grundstück vor der Vollendung. Was Schneiders Neider gerne übersehen: Der 39-Jährige hat sich alles selbst erarbeitet. Nach dreijähriger Weinküferlehre beim legendären Bürklin-Wolf’schen Kellermeister Fritz Knorr trat ihm sein Vater Klaus, von Haus aus Obstbauer, von seinen sieben Hektar Reben im Nebenerwerb einen ab. Den bepflanzte der Filius 1994 mit einem halben Dutzend gängiger Sorten wie andere Jungwinzer auch, sein Startkapital seien 30.000 Mark gewesen, erinnert er sich. Was Schneider freilich von anderen Jungwinzern unterschied: Er dachte früh in anderen Dimensionen. Und deshalb ist heute alles anders. Gerade also investiert er zehn Millionen Euro. Ohne einen Cent öffentlicher Fördergelder, wie die Branche sie auch kennt, und fast zur Hälfte aus Eigenkapital, sagt er. Und zusätzlich zu den zehn bis fünfzehn Millionen, die er davor schon in Gebäude, Technik und Rebfläche gesteckt hat – „alles bezahlt“, so Schneider. Inzwischen bewirtschaftet das Weingut mit Klaus Schneider und Philipp Andres als Außenbetriebsleitern 92 Hektar zwischen Ellerstadt und Weisenheim am Berg, in Eigentum wie in Pacht. Den Zukauf von Trauben hat der Betrieb von früher fast 50 Hektar auf knapp sechs verringern können. Kritiker hatten dem Newcomer deshalb über Jahre vorgeworfen, er sei eher Weinvermarkter als Weinbauer. „Ich kann Wingert schneiden“, meint Schneider dazu nur süffisant. Den Sortenspiegel der Pionierzeit gibt es noch, aber die Hauptsorten heißen jetzt Merlot, Cabernet Franc und vor allem Sauvignon Blanc. Dessen Potenzial gerade außerhalb der Pfalz hat Schneider früh erkannt und voll auf diese Karte gesetzt. „Ich bin einfach raus und hab’ missioniert.“ Auf 150 bis 160 Übernachtungen im Jahr sei er zeitweise gekommen. Der Lohn: Heute findet man seine Weine bei ersten Adressen wie Käfer und Dallmayr oder in ersten Häusern wie Ritz-Carlton oder dem „Vier Jahreszeiten“ in Hamburg. Und überhaupt bei den vielen Großen auf dem Globus, ob Konzerne oder Mächtige. Barack Obama und Angela Merkel haben beim G7-Gipfel neulich auf Schloss Elmau nicht zum ersten Mal Schneider-Wein getrunken. Und als er zu Jahresanfang auf der MS Europa zwei Wochen durch die Karibik schipperte, gab’s für seine Bordweinproben jeden Abend Wartelisten – und drei Tage vor New York keinen Tropfen mehr. Doch, Markus Schneider spielt als Winzer jetzt mindestens Champions League. Klar macht ihn das stolz. Aber er ist deshalb kein Aufschneider, wirkt nicht großspurig. Und Bodenständigkeit ist kein Widerspruch dazu, über übliche Normen hinaus zu streben. So steht einem beim Eintritt in die Barriquehalle angesichts von 1600 Holzfässern auf Edelstahlregalen der Mund offen, und wenn die private „Schatzkammer“ demnächst gefüllt ist, werden dort 15.000 Flaschen aus aller Welt in Beton- und Holzregalen ruhen, bis sechs Liter Inhalt und bis zu 100 Jahren alt (ein Madeira). Natürlich wird der Keller auf konstant zwölf Grad gehalten, ansonsten heizt der Betrieb mit Erd- und Luftwärme. Aufs Dach soll Grün statt Photovoltaik. Seine Leute – zehn Fachkräfte um die Chefkellermeister Marc Schoderbeck und Dominik Missikiewitsch (Jahrgang 1986 und 1987), zehn feste Freie – will er im Gemeinschaftsraum unter der Woche bekochen lassen. Abfüllhalle, Fass-, Flaschen- und Tanklager gleichen Hangars, und Firmen wie Bulthaupt und Bose statten eine Etage höher eine Showküche samt Wandgrill und Kamin mit 60 Sitzplätzen aus, inspiriert vom Berliner Sternekoch Tim Raue, den er seinen Freund nennt. „Das wird kein Restaurant und auch keine Straußwirtschaft“, widerspricht Schneider Gerüchten im Umfeld. Hier möchte er vor einer 20-Meter-Glasfront zur Haardt ab und an mit Gästen des Hauses – Freunden, Kunden, Partnern, Sommeliers, Journalisten – privat kochen und genießen. Zum Beispiel einen Black Print, Kaitui, Hullabaloo oder Tohuwabohu. Letztes kann man sich für den Winzer und Geschäftsmann Markus Schneider kaum mehr vorstellen.

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