Bad Dürkheim Drei Wünsche: Familie, Arbeit, besseres Deutsch

Ein Bett im Container: Die Somalierin Sahra Mahamud Muse.
Ein Bett im Container: Die Somalierin Sahra Mahamud Muse.

Geschafft? (2): Die Somalierin Sahra Mahamud Muse tut sich schwer mit dem Deutschlernen und der Jobsuche. Sie gibt die Hoffnung nicht auf.

Sie sitzt auf ihrem Bett in dem 15-Quadratmeter-Zimmer und drückt ihr Taschentuch von einer Hand in die andere. Die 47-jährige Somalierin war schon lange in Deutschland, als der große Flüchtlingstreck 2015 und 2016 kam. Sieben Jahre ist Sahra Mahamud Muse mittlerweile hier. Sie kann sich verständlich machen, aber ohne Übersetzer geht es bei komplizierten Themen nicht. Seit sie erfuhr, dass ihr Asylantrag abgelehnt ist und ihr später klar wurde, dass aus ihrem Traum, die beiden Kinder und den Ehemann nach Deutschland zu holen, wahrscheinlich nie etwas werden wird, ist sie tief geschockt.

Es sah schon einmal besser aus

Das ist schon länger her. Trotzdem will sie nicht zurück. „In Somalia kann man nicht leben“, habe sie gesagt, erzählen Silke Stevermüer und Andrea Scheuermann, die Vorsitzenden des Vereins Miteinander in Freinsheim. Mahamud Muse ist einer von etwa 180 Menschen, die der ehrenamtliche Verein in der Verbandsgemeinde Freinsheim betreut. Für die 47-Jährige sah es schon einmal besser aus als jetzt. Zusammen mit zwei somalischen Frauen hatte sie in einer Sozialwohnung der Verbandsgemeinde gelebt und einen Ein-Euro-Job. Dann hat sich die Verwaltung entschieden, Wohnungen zu kündigen und viele der Flüchtlinge in den Containern am Altenheim St. Nikolaus unterzubringen (siehe Zur Sache). „Ein deutlicher Rückschritt für Sahra“, findet Stevermüer.

Seit sieben Jahren die Kinder nicht gesehen

Seit Dezember 2017 wohnt Mahamud Muse in dem Container. Im Winter ist es dort kalt, im Sommer wie im Backofen. Einmal soll eine Konfirmandengruppe zum „Schauen“ durch den Container gelaufen sein. Auf dem Tisch in ihrem Zimmer liegen ein paar Medikamente – sie ist zuckerkrank –, über dem Koffer liegt gefaltet Wäsche, das Fenster ist geöffnet. An diesem Morgen lässt es sich aushalten. Die Somalierin darf aus humanitären Gründen in Deutschland bleiben. Nach Somalia wird wegen der politischen Unruhen dort nicht abgeschoben. Mahamud Muse hat nie eine Schule besucht. Deutsch lernen ist für sie daher eine besondere Herausforderung. Ihren Namen schreibt sie langsam in Großbuchstaben auf ein Papier. Eigene Kurse für Analphabeten gebe es leider nicht, sagt der Verein Miteinander. Zu Hause hatte sie einen kleinen Laden, in dem sie Frühstück anbot. Die Muslimin bediente Männer wie Frauen. Das gefiel den Extremisten der Al-Shabaab-Miliz nicht, sie zerstörten ihr Geschäft, erzählt die 47-Jährige. Sie hat nicht nur den Laden verloren. Auch ihren Sohn. Ihre beiden anderen Kinder sind mittlerweile erwachsen. Seit sieben Jahren hat sie sie nicht mehr gesehen.

Ein tapferes Lächeln

Den Ein-Euro-Job in Freinsheim hat sie nach zwei Jahren aufgegeben. Nur Straße kehren für einen Euro, das sei nichts gewesen. „Ich möchte arbeiten“, sagt die Somalierin, „gern putzen.“ Gegen einen gerechten Stundenlohn, vielleicht zehn bis zwölf Euro, meint sie. Noch hat sie nichts gefunden. Zurzeit lernt sie weiter Deutsch. Ihre drei größten Wünsche? Dass die Familie zusammenkommt, sie eine Arbeit findet und „mein Deutsch besser wird“, sagt sie und lächelt. Ein tapferes Lächeln. Stevermüer und Scheuermann vom Verein Miteinander beschreiben sie als ordentliche, fleißige Frau. Allein das Lernen der fremden Sprache falle ihr schwer. In der Umgebung sei sie vielen als Spaziergängerin bekannt. Fremdenfeindliche Sprüche? Sahra schüttelt den Kopf. „Sie überhört solche Sprüche“, meint Stevermüer, „in Somalia ist der Ton rauer, die Gefahr größer.“

Im November Treffen mit der Familie

Das Wort November hat für die 47-Jährige einen ganz besonderen Klang – nicht, weil es dann wieder so kalt wird im Container und sie noch keine Winterjacke hat. Nein, sie hat ein Ticket. Von den monatlich 380 Euro Hartz IV hat sie jahrelang etwas gespart. Sie wird nach Afrika fliegen und ihre Familie im somalischen Nachbarland Djibouti treffen. Nach sieben Jahren. Flüchtlinge aufnehmen wollten weder Djibouti noch Kenia oder andere Nachbarstaaten. „Keine Lösung“, sagt sie. Sie wird nach Deutschland zurückkehren, ihre Familie nach Somalia, wo sie weiter im Land umherzieht, dorthin, wohin es kleine Jobs gibt und es weniger gefährlich ist. Ihr Taschentuch ist jetzt ganz zerknautscht.

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