Ludwigshafen Der Charme der Originale

Smoking, Fliege, Pomade im Haar: Max Raabe im Mannheimer Rosengarten.
Smoking, Fliege, Pomade im Haar: Max Raabe im Mannheimer Rosengarten.

„Heute ist ein guter Tag, um glücklich zu sein“, sang Max Raabe, und die Leute im ausverkauften Rosengarten in Mannheim hatten schon mal das Glück, eine Karte bekommen zu haben. Zusammen mit seinem Palast-Orchester stellte der Sänger sein aktuelles Album „Der perfekte Moment“ mit neuen Liedern vor. Aber am schönsten waren wieder einmal die alten Originale.

Man hört, ob es ein Stück aus den 1920er oder 1930er Jahren ist, das Raabe gerade singt, oder ob es eine Neukomposition ist. Am Text merkt man es nicht unbedingt. Da treffen Raabe und seine Mit-Autoren schon den witzig ironischen Ton, der auch den alten Liedern eigen ist. Hörbare Unterschiede gibt es in der Komposition. Bestimmte Wendungen der Harmonien, die im heutigen Pop möglich sind, hat es früher so nicht gegeben. Wenn ein Komponist wie Robert Stolz die Tonart gewechselt hat, wurde die Modulation sorgfältig vorbereitet – anstatt einfach zur anderen Tonart zu springen, wie im heutigen Pop. Annette Humpe, Rosenstolz-Mitgründer Peter Plate und einige weitere Kollegen haben Raabe beim Songschreiben unterstützt. Max Raabe und sein Palast-Orchester sind aber klug genug, live nicht auf den Charme der alten Originale zu verzichten. Die haben immer noch ihre Fans. Diese Lieder kommen von Friedrich Hollaender, Kurt Weil und weiteren, heute weniger bekannten deutschen Komponisten, aber auch von amerikanischen Kollegen wie Oskar Hammerstein und Jerome Kern, die viele Musicals geschrieben haben. Foxtrott, Paso Doble, Rumba und Tango, das könnte auch die Musik aus einem Tanzpalast der Wilden Zwanziger und Dreißigerjahre sein. Das exzellente Palast-Orchester spielt die Stücke mit dem Klang von anno dunnemals, doch ohne das Knistern der alten Grammophonplatten. Max Raabe ist die Bühnenpersönlichkeit, hinter der sich der Bassbariton Matthias Otto verbirgt. Er verkörpert perfekt die Figur eines Sängers und Unterhaltungskünstlers der 1930er-Jahre. Das „R“ rollt bei den Ansagen, Raabe klingt wie die alten Radio- und Fernsehsprecher. Erst im Smoking, dann im Frack, das blonde Haar mit Pomade zurückgelegt, ganz Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, wirkt der Mann wie ein perfektes Gesamtkunstwerk. Das Orchester ist auch wie die historischen Vorbilder besetzt. Es besteht aus Rhythmusgruppe, Saxophonsatz, Trompeten und Posaune, und für besonderen Glanz und Eleganz spielt Cecilia Crisafuli dazu Violine. Noch mehr als bei früheren Auftritten glänzten die Musiker des Palast-Orchesters diesmal als Multiinstrumentalisten, mit Ukulele, Mandoline, zusätzlichen Geigen und Bratschen, Gitarren und auch noch Gesang. In dem exzellenten Ensemble sind durchweg vielseitige Könner am Werk. Die traditionell gehaltenen Arrangements überzeugen durch eine authentische Spielweise: Die Tanzmusik der 1920er- und 1930er-Jahre mutete immer auch etwas eckig an. Die neueren, eigenen Stücke knüpfen in den Texten gut an die humorvollen Verse der alten Tanzmusik an. Was identisch bleibt, ist Raabes Art zu singen, seine Artikulation und Phrasierung. Daraus wird dann etwas Neues, das eine Brücke zwischen alter und moderner Unterhaltungsmusik schlägt. Schön ist es, auch mal die Ur-Fassung von „Singing in the Rain“ zu hören, nicht die Big-Band-Version mit Gene Kelly. Und es macht Spaß, wunderbar alberne, aber musikalisch durchaus fordernde Stücke zu hören, selbst wenn die fast 100 Jahre alte Hookline „Du, Du, dudelu Du“ ist. Raabes trockener Humor, sein kühles Understatement und die hochprofessionelle Musikalität aller Beteiligten ergeben zusammen die Zutaten für einen sehr lustigen und zugleich anspruchsvollen Abend.

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