Kultur Zur Person: Eiskunstlauf-Weltmeisterin Christine Stüber-Errath

Steht seit fünf Jahren wieder auf dem Eis: die Berlinerin Christine Stüber-Errath.
Steht seit fünf Jahren wieder auf dem Eis: die Berlinerin Christine Stüber-Errath.

„Ich habe am ganzen Körper Gänsehaut vor Freude“, sagt Christine Stüber-Errath und meint damit den Film „Die Anfängerin“, in dem ihre Eislaufkarriere eine große Rolle spielt. „Eine unglaubliche Ehre“, findet es die 60-Jährige, dass Regisseurin Alexandra Sell ihre Erfolge filmisch würdigt. Schließlich ist Eiskunstlauf in heutiger Zeit kein Massenphänomen mehr, die Szene ist klein. „Ich habe auch die Hoffnung, dass man mit dem Film auf diesen schönen Sport wieder aufmerksam machen kann und Öffentlichkeit schafft“, sagt denn auch die Berlinerin. Falsche Vorstellungen räume der Film auch aus, da er authentisch zeige, wie hart Eiskunstlauf ist. „Man muss dieser Sportart viel mehr Hochachtung entgegenbringen, als man es oberflächlich oft tut, weil Glitzerkleidchen getragen werden und alles perfekt und leicht aussehen muss, aber das ist eben nur die Fassade.“ 1974 ist Christine Errath (den Namen Stüber verdankt sie ihrem zweiten Ehemann, mit dem sie seit 2006 verheiratet ist) in München Eiskunstlauf-Weltmeisterin geworden. WM-Bronze gab es 1975, WM-Silber 1976. Auch drei Europameistertitel hat sie zwischen 1973 und 1975 errungen – und 1976 Olympiabronze in Innsbruck geschafft. Wenig später, mit erst 19, hat sie den Sport aufgegeben – auch da sie als Berlinerin vom DDR-Eislaufverband wenig unterstützt wurde. In der DDR galt Karl-Marx-Stadt als Hochburg der Einzelläuferinnen. „Ich hatte es schwer, gegen die Eislaufschule von Jutta Müller anzulaufen“, sagt sie. Ein Wechsel, der ihr mehrfach ans Herz gelegt wurde, kam für sie aber nie in Frage: „Ich hatte ja schon Heimweh, wenn ich da 14 Tage im Trainingslager war.“ Zudem sei Müller unangemessen streng gewesen. Eine strenge Trainerin, die allerdings auch loben kann, zeigt auch „Die Anfängerin“. Christine Stüber-Errath findet die Darstellung realistisch und fühlt sich an ihre eigene, verehrte Trainerin Inge Wischnewski erinnert. „Sie hatte die Gabe, Zuckerbrot und Peitsche in guter Balance zu nutzen.“ Stüber-Errath glaubt, dass es durchaus Strenge im Leistungssport braucht, damit ein Läufer über seine Grenze gehen kann. Andererseits hätten auch sanftere Trainernaturen wie Alexander König, der derzeit Aljona Savchenko und Bruno Massot auf Olympia 2018 vorbereitet, ihre Erfolge. „Es gibt mehrere Wege, und es ist wohl eine individuelle Sache.“ Sie selbst glaubt, dass sie es nur geschafft hat, weil ihre Trainerin sie konsequent forderte, aber auch herzlich loben konnte. Die quirlige Sportlerin, die nach ihren Medaillenerfolgen Germanistik studierte und zum Fernsehen ging, ist spürbar begeistert von Alexandra Sells Interpretation des Sports und den realistischen Bildern. „Man muss den Blick für den Moment haben, sonst wird das kitschig oder ein Abziehbild. Alexandra Sell hat genau den richtigen Blick“, lobt sie die 48-jährige Regisseurin, die vom Medium Bild kommt: Sell hatte Kunst mit Schwerpunkt Fotografie in Berlin studiert, war später ans renommierte Goldsmiths-College in London für ihren Kunst-Master gegangen. Begegnet sind sich Sell und Stüber-Errath bei einer Buchpräsentation: Zum 80. Geburtstag ihrer Trainerin Inge Wischnewski hatte die Eisläuferin 2010 ein Erinnerungsbuch („Die Pirouettenkönigin“, heute vergriffen) herausgegeben, entstanden aus Gesprächen mit allen Schützlingen der Trainerin. „Ich wollte die Geschichten bewahren, da die Generation bald nicht mehr da sein wird, die sie erzählen könnte“, erinnert sich Stüber-Errath, die gemeinsam mit dem Journalisten Jens Rümmler nun auch ein Interview-Buch über die eigene „Lebenskür“ verfasst hat: „Meine erste 6.0“, erschienen zu ihrem 60. Geburtstag (ISBN: 978-3-00-055021-8, erhältlich über christine-errath.de). Mit Alexandra Sell, die durch ihren Dokumentarfilm über eine schlittschuhbegeisterte Avon-Beraterin zum Stoff gekommen war, verbindet sie mittlerweile eine enge Freundschaft, schließlich habe die Arbeit am Film lange gedauert. „Es war schwer, so eine Idee durchzusetzen. Es ist ein kleines Wunder, dass wir das geschafft haben“, sagt Stüber-Errath über die Finanzierung des Films, der im Januar ins Kino kommen wird und danach in der ZDF-Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ läuft. In die Hauptfigur der 58-jährigen Ärztin, die nach 52 Jahren Pause das Eislaufen quasi neu erlernen muss, kann sich Christine Stüber-Errath durchaus einfühlen, ist sie doch selbst lang nicht Eis gelaufen und hat einen Burn-out überstanden. „Ich habe erst 2012 wieder angefangen, nach über 20 Jahren Pause“, sagt die 60-Jährige, die heute einmal in der Woche vom aktuellen brandenburgischen Zuhause Wildau nach Berlin zum Eislaufen fährt. „Hobbyläuferin“, nennt sie sich mit Bestimmtheit und Stolz im Film wie in der Realität. Beweisen muss sie sich nichts mehr. „Für mich ist es eine Art Therapie, es hilft auch, Probleme und Sorgen zu vergessen.“ Und sie schätzt die Gemeinschaft in der von Heidemarie Walther-Steiner geleiteten Hobbygruppe. Daher ist sie auch froh, dass Alexandra Sell im Film den Freizeitläufern – zwei aus ihrer eigenen Gruppe sind im Film dabei – so viel Raum gibt. „Eiskunstlauf hat schließlich viele Formen, die Leute sind so engagiert, haben eine unfassbare Energie und so viel Mut, sie erfüllen sich ihre Träume.“ Ihr ist es wichtig, dass dieser Seite des Sports auch Respekt gezollt wird. „Man muss sich gegenseitig anerkennen.“ Den heutigen Eiskunstlauf als Leistungssport verfolgt sie dagegen oft mit Unbehagen – sie fürchtet, dass Läufer sich bei den inzwischen geforderten extremen Höchstschwierigkeiten verletzen könnten. „Das Zuschauen bereitet mir da kein Vergnügen mehr, das ist ja mehr wie ein Krimi, man ist so angespannt.“ Ihr fehlt auch das Künstlerische, das Natürliche, in vielen Programmen. „Manche laufen ja aufgezogen wie eine Spieluhr“, sagt sie und hofft, dass sich der Sport wieder mehr auch aufs Ästhetische besinnt. Für sich selbst hat sie den idealen Weg gefunden. Wettbewerbe wie Erwachsenen-Meisterschaften bestreitet sie nicht, sondern genießt: „Ich glaube zwar, dass ich vielleicht an mancher Stelle sogar ,schöner’ laufe als früher, weil meine Seele mitläuft. Aber ich habe nicht mehr den Ehrgeiz, Leistung zu erbringen. Auf die Erfolge von damals bin ich wirklich stolz. Aber das ist lange her. Ich lebe im ,Jetzt’. Heute fühlt sich das Eislaufen an wie Schweben – und außerdem ist es noch gesund!“

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