Kultur „Wir haben eine besondere Verpflichtung“

Die Planungen für die Jubiläumssaison laufen laut Beat Fehlmann „auf Hochtouren“.
Die Planungen für die Jubiläumssaison laufen laut Beat Fehlmann »auf Hochtouren«.

Seit Dezember ist Beat Fehlmann nicht mehr alleine an der Spitze der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Intendant seinen neuen Chefdirigenten präsentieren, den Briten Michal Francis. Frank Pommer hat sich mit Fehlmann über das doch eher ungewöhnliche Bewerbungsverfahren, aber vor allem über die bevorstehende Jubiläumssaison der Deutschen Staatsphilharmonie unterhalten, in der das Orchester seinen 100. Geburtstag feiern wird.

Herr Fehlmann, seit Dezember ist mit dem neuen Chefdirigenten Michael Francis das Leitungsteam der Staatsphilharmonie komplett. Wie erleichtert waren Sie, den Wunschkandidaten des Orchesters – und auch den ihrigen – verpflichten zu können?

Ich war sehr erleichtert, weil das natürlich die wichtigste Personalentscheidung überhaupt ist für ein Orchester. Es war wichtig, dass wir diese Entscheidung in so großer Übereinstimmung zwischen Orchester, Intendanz und Ministerium treffen konnten. Das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, und deshalb herrschen jetzt Freude und Erleichterung. Denn es gab bei mir, der ich ja quasi mitten in dieses Verfahren hineingeraten bin, durchaus auch Zweifel, ob wir wirklich ans Ziel kommen werden. Das Bewerbungsverfahren war, vorsichtig ausgedrückt, etwas ungewöhnlich. Normalerweise geht ein Orchester wie die Staatsphilharmonie gezielt auf Kandidaten zu. Hier konnte und musste sich jeder bewerben. Es gab weit über 100 Kandidaten. Hatten Sie nie die Angst, dass Michael Francis abspringen könnte, weil er als Artist in Residence sich einem solchen Verfahren nicht stellen wollte? Doch natürlich, ich hatte da erhebliche Bedenken bezüglich des Verfahrens, und die Tatsache, dass ich im Mai nach Florida gereist bin, um Michael Francis zu besuchen, hatte natürlich auch damit zu tun. Zudem war es für mich eine perfekte Gelegenheit, jemanden in einem völlig anderen Kontext kennenzulernen, den ich noch nicht kannte, das Orchester aber sehr wohl. Aber ich wollte schon auch gezielt sondieren, ob das Vertrauen da ist, sich auf dieses Verfahren einzulassen. Wir hatten letztlich Glück, dass er da sehr ehrlich und sehr uneitel damit umgegangen ist. Ich habe mich mit Michael Francis, aber auch mit anderen Kandidaten, ganz offen, aber auch vertrauensvoll über die Problematik dieses Verfahrens ausgetauscht. Wer hatte eigentlich die Idee für dieses Verfahren? War das die Berater-Agentur Metrum oder kam die aus dem Ministerium? Ich glaube nicht, dass das vom Berater kam. So weit ich weiß, sah sich das Ministerium auch unter Zugzwang. Es sollte wohl auch nicht so aussehen, als sei diese Personalie noch von meinem Vorgänger Michael Kaufmann vorbereitet worden. Aber genau so sieht es bezogen auf das Ergebnis des Verfahrens ja nun doch aus? Ja, rückblickend kann man das so sagen, da war Michael Kaufmann der Königsmacher. Er hat halt auch beides in Michael Francis gesehen: Sowohl den Dirigenten, der im Übergangsjahr für Kontinuität auf hohem Niveau sorgt, als auch den möglichen Chefdirigenten. Wie weit sind denn Ihre Pläne für die Jubiläumssaison schon gediehen? Die Planung läuft auf Hochtouren, und Michael Francis ist ja jetzt Ende des Monats auch wieder hier, was sicherlich auch einen mächtigen Schub nach vorne geben wird. Persönliche Begegnungen sind für solch wichtige Entscheidungen dann schon unabdingbar. Es wird ja auf jeden Fall ein großes Geburtstagskonzert geben. Wann und wo wird das stattfinden? Am 15. Februar 2020 in der Jugendstill-Festhalle in Landau, das war auch das Datum des ersten Konzertes vor 100 Jahren. Am Tag darauf wird es eine Wiederholung hier im Pfalzbau geben. Planen Sie denn in der Jubiläumssaison ein Wiedersehen mit ehemaligen Chefdirigenten? Darüber hatten wir tatsächlich diskutiert, aber wir haben uns jetzt entschieden, das nicht zu tun. Man hätte das systematisch machen müssen, was aber vom Zeitplan her schwierig war. Wir orientieren uns stattdessen an der Zukunft, also an Michael Francis. Ganz anderes Thema: Das Orchester war seit längerer Zeit nicht mehr auf einer größeren Auslandstournee. Gibt es da konkrete Pläne? Da gibt es sicherlich konkrete Pläne, die wir aber in der Jubiläumsspielzeit nicht umsetzen können. Im Moment denken wir aber über eine Tournee 2020/21 nach, die beispielsweise nach Österreich und dann dort auch in den Wiener Musikverein führen könnte. Für das Jubiläumsjahr sind wir für eine Tournee mit Elina Garanca und Karel Mark Chichon gebucht, die in Amsterdam im Concertgebouw beginnen und auch nach Belgien und Frankreich führen wird. Und auch bei der BASF in Ludwigshafen wird es ein Konzert geben. Solche Geschichten sind natürlich eine Möglichkeit, einmal rauszukommen, aber darüber hinaus wollen wir schon Tourneen umsetzen, bei denen ganz klar das Orchester im Fokus steht. Aber das verlangt einen viel größeren Vorlauf. Sie erhalten aus dem Förderprogramm „360°“ der Kulturstiftung des Bundes für die nächsten fünf Jahre 360.000 Euro. Was haben sie mit diesem Geld vor? Das ist eine zweiteilige Förderung. Da hängt einerseits eine Stelle dran, dazu kommt Projektgeld. Wir suchen also jemanden, der Kompetenzen in den Bereichen Soziokultur und Musikvermittlung mitbringt. Das Ziel dieses Projektes ist eine Vernetzung mit der Stadtgesellschaft. Es geht um Vielfalt und den Umgang mit Diversität. Ich habe diese Förderung noch von Konstanz aus beantragt und wäre damals gar nicht in der Lage gewesen, eine konkrete Projektidee zu beschreiben, denn ich kannte Ludwigshafen ja gar nicht. Und in der Bodenseeregion war das ein sehr untergeordnetes Thema. Ich hatte also in diesem Bereich keine Erfahrung, finde aber, dass das Orchester hier – wie das ja bisher auch der Fall war – immer mal wieder Antworten geben muss, wie man mit der sehr speziellen Situation umgehen muss. Dass es in einer solchen Stadt mit ihrem besonderen Umfeld ein solch großes Sinfonieorchester gibt, ist eben auch eine besondere Verpflichtung.

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