Kunst Verschiebung der Biennale Istanbul als Etappensieg für Freiheit der Kunst begrüßt

Hat ihr Amt niedergelegt: die britische Kunsthistorikerin Iwona Blazwick.
Hat ihr Amt niedergelegt: die britische Kunsthistorikerin Iwona Blazwick.

Die Istanbuler Stiftung für Kultur und Kunst (IKSV) hat sich Protesten der türkischen Kunstszene gegen ihre Kuratorenwahl gebeugt und die Biennale verschoben. Künstler und Kunstkritiker fordern außerdem Reformen und mehr Transparenz.

Mit der Vertagung der Biennale auf das Jahr 2025 habe sich die IKSV „dem gerechten Widerstand der Kunstszene gebeugt“, sagte die renommierte Kunstkritikerin Beral Madra. Die Stiftung dürfe die gewonnene Zeit aber nicht dazu nutzen, die Kritik an ihrem Führungsstil unter den Teppich zu kehren. Bekannt wurde auch, dass die als Kuratorin designierte britische Kunsthistorikerin Iwona Blazwick das Amt niederlegt.

An der Auswahl von Blazwick für die 18. Auflage der 1987 initiierten Kunstschau hatte sich ein heftiger Streit in der türkischen Kunstwelt entzündet, als die Entscheidung der IKSV im Sommer bekannt wurde – ein halbes Jahr nachdem sie hinter verschlossenen Türen getroffen worden war. Die türkische Kulturszene fiel damals aus allen Wolken, weil der von der IKSV bestellte Beirat einstimmig die in Berlin tätige türkische Kuratorin Defne Ayas für das Amt vorgeschlagen hatte. Der IKSV-Vorstand erklärte aber, dass er dieser Empfehlung nicht folgen werde. Er löste den Beirat auf und designierte Blazwick als Kuratorin – obgleich diese selbst dem Beirat angehörte, der Ayas für den Posten empfohlen hatte.

Mehr Mitbestimmung

Was der Stiftungsvorstand gegen die türkische Kuratorin hatte, wurde nie erklärt. Nur, dass Blazwick „für ihre Erfahrungen und Erfolge in der internationalen Kunstwelt bekannt“ sei. Auf Anfrage des türkischen Kunstkritikers Kaya Genc fügte IKSV-Direktor Taner hinzu, dass der Vorstand für die Biennale 2024 ausdrücklich eine „internationale Kuratorin“ wünsche – also offenbar nicht eine türkische Besetzung.

Auf die anhaltenden Proteste aus der Kunstwelt reagierte die IKSV jetzt mit der Vertagung der Biennale. Zwar habe die Stiftung bereits auf die öffentliche Kritik an ihren Entscheidungsprozessen reagiert und versucht, mehr Mitbestimmung einzuführen, hieß es in der Erklärung der IKSV. Weil aufgrund der anhaltenden Streitigkeiten in der Kunstwelt aber „negative Konsequenzen“ für Künstler zu befürchten seien, die Die im September 2024 teilnehmen wollten, sah sich die Stiftung zur Verschiebung gezwungen. Die Ausstellung solle 2025 mit neuen Regeln ausgerichtet werden. Die Stiftung berief außerdem eine neue Direktorin an die Spitze der Biennale: Die Kuratorin Kevser Güler folgt in dem Amt auf die langjährige Direktorin Bige Örer, die im Dezember gegangen war.

Ist die Biennale öffentlich oder privat?

Die Verschiebung der Biennale sei eine gute Entscheidung, lobte der Kurator Vasif Kortun, der die 3. und 9. Biennale kuratiert hatte. „Ich hoffe, dass diese Entscheidung, wenn auch verspätet, ein neues Kapitel für die Biennale und für die Kunstszene eröffnet“, sagte Kortun der Zeitschrift „ArtDog Istanbul“. Die Biennale Istanbul sei schließlich schon in der Vergangenheit verschoben worden, erinnerte er, einmal wegen des Krieges im Irak und einmal wegen wirtschaftlicher Probleme. Es sei jedenfalls besser, die Ausstellung zu vertagen, als sie von einer „Zwangsverwalterin“ kuratieren zu lassen, fügte er mit Blick auf Blazwick hinzu. Kortun lobte auch die Ernennung von Güler als positives Zeichen.

Nun komme es darauf an, was die IKSV aus der gewonnenen Zeit mache und wie sie die Widersprüche in ihrem Entscheidungsprozess auflöse, mahnte die Kritikerin Madra in „ArtDog“. Die wichtigste Frage sei dabei: „Ist die Biennale Istanbul öffentlich, privat oder eine Mischung von beidem? Denn wenn sie öffentlich ist, dann hängt sie von der Politik ab; wenn sie privat ist, dann ist sie unabhängig. Wenn sie etwas von beidem ist, dann sind Interessenskonflikte unausweichlich.“

Die IKSV ist eine private und gemeinnützige Stiftung, die von wohlhabenden Mäzenen wie der Familie Eczacibasi und deren Pharma-Konzern getragen wird. Nach Recherchen des Kulturwissenschaftlers Osman Erdem kommen nur vier Prozent ihres Etats aus öffentlichen Geldern. Die Kunstdirektorin Asena Günal, die einen Ausstellungsraum des seit Jahren inhaftierten Kulturmäzens Osman Kavala leitet, warnte die türkische Kunstszene davor, die IKSV mit der türkischen Regierung in einen Topf zu werfen. Schließlich sei die Stiftung noch immer für öffentliche Debatten erreichbar, sagte sie nach einem Bericht des Kunstkritikers Kaya Genc in der Zeitschrift „ArtReview“ bei einem Krisentreffen kritischer Künstler in Istanbul.

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