Kultur Steffens vor Abschied: Der Pfalz noch einen „Parsifal“ schuldig

Mit Auszügen aus Richard Wagners Oper „Lohengrin“ und einer „Parsifal“-Suite für Orchester verabschiedete sich Karl-Heinz Steffe
Mit Auszügen aus Richard Wagners Oper »Lohengrin« und einer »Parsifal«-Suite für Orchester verabschiedete sich Karl-Heinz Steffens von seinem Orchester.

Karl-Heinz Steffens dirigiert beim Musikfest in Speyer zum letzten Mal als Generalmusikdirektor die Deutsche Staatsphilharmonie

Mit einem tief berührenden, der Musik Richard Wagners gewidmeten Konzert ging am Sonntagabend die Ära von Karl-Heinz Steffens als Generalmusikdirektor der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz zu Ende. Beim Abschlusskonzert des Musikfests Speyer erklangen Auszüge aus Richard Wagners „Lohengrin“ sowie eine Orchesterfassung von dessen letzter Oper „Parsifal“. Keine Ende der Ehrungen und Lobgesänge. Bereits vor dem Beginn und unmittelbar nach dem Schlussapplaus in der Gedächtniskirche fing es an: der Minister, die Vertreterin der Stadt Speyer bejubelten nicht nur das wirklich eindrucksvolle Konzert, sondern auch überhaupt die Arbeit von Karl-Heinz Steffens und Intendant Michael Kaufmann in den vergangenen Jahren. Beim Empfang im Historischen Rathaus ging es dann weiter: Freundeskreis, Stiftung Deutsche Staatsphilharmonie und der Orchestervorstand verabschiedeten sich von einem charismatischen Dirigenten, der nach dem Schlussakkord der von Henk de Vlieger eingerichteten „Parsifal“-Suite tief berührt war, später einige Tränen nicht unterdrücken konnte. Vielleicht hat der Orchestervorstand, Solo-Klarinettist Gerhard Krassnitzer, die Erfolgsgeschichte von Karl-Heinz Steffens bei der Staatsphilharmonie dabei am besten auf den Punkt gebracht: „Er schafft es, sein Selbstvertrauen als Klarinettist auf die Musiker in seinem Orchester zu übertragen.“ Als Steffens 2009 bei der Staatsphilharmonie begann, war er ein Anfänger als Dirigent. Zwar einer der besten Klarinettisten in Deutschland, aber eben noch ein Neuling am Pult. Da ist es nur konsequent, wenn er sich in seinen Abschiedsworten auch beim ehemaligen Intendanten Rainer Neumann bedankte, der ihn damals nach Ludwigshafen holte. Selbstbewusst aber war er vom ersten Konzert an. Vielleicht sogar, mit Verlaub, ein bisschen verrückt. Denn gleich das erste Großprojekt, das er in Ludwigshafen anging, war eigentlich Wahnsinn. Eine Art Himmelfahrtskommando, das aber dem Orchester unfassbar gut getan hat: Die Rede ist von Wagners Mammutwerk „Der Ring des Nibelungen“, das die Staatsphilharmonie zusammen mit der Oper Halle und dem Ludwigshafener Theater im Pfalzbau (desen damaliger Intendant Hansgünther Heyme Regie führte) gestemmt hat. Es gab die üblichen Unkenrufe, die der Staatsphilharmonie als Sinfonieorchester ihre Operntauglichkeit absprachen. Doch Steffens trieb seine Musiker zu einer überragenden Leistung an, obwohl es Rückschläge wie die Ludwigshafener Premiere der „Walküre“ gab. „Danach wollte ich zum Schlussapplaus eigentlich gar nicht vor den Vorhang treten“, erzählt er nach dem Konzert in Speyer freimütig. Aber solche Rückschläge gehören dazu, und auch an ihnen haben das Orchester und Steffens gelernt. Viel gelernt, wie man am Sonntag eindrucksvoll hören konnte. Der Kreis schloss sich. Wieder Wagner. Auszüge aus „Lohengrin“, die Steffens als pausenlose Einheit arrangiert hat. Beginnend mit dem Vorspiel. Das ist überirdische Musik, die mit flirrenden Streicherklängen beginnt. Hört man sie in Bayreuth, dann dringt sie aus dem mythischen Orchestergraben langsam zu uns herauf. In der Akustik der Gedächtniskirche scheint der Klang einen umgekehrten Weg zu gehen. Die Musik senkt sich gleichsam auf das Publikum herab, wie ein Vorhang, der noch leicht vom Wind angehoben wird. Ein wahrhaft magischer Augenblick mit Gänsehautgarantie, und äußert sauber und exakt musiziert. Dass dann später das Vorspiel zum dritten Aufzug mit seinen vielen kleinen Notenwerten etwas in dem Kirchenraum diffundiert, ist ebenfalls dieser Akustik geschuldet. Mit der Sopranistin Elisabeth Teige als Elsa und dem Tenor Thomas Mohr als Lohengrin (er war auch der Siegmund in der „Ring“-Produktion) hatte Karl-Heinz Steffens zwei großartige Solisten für das Konzert gewinnen können. Vor allem die Szene im Brautgemach aus dem dritten Akt wurde zu einem Beispiel für mustergültigen Wagnergesang, wie ihn Steffens auch im „Ring“ gefordert und ermöglicht hat. Es geht eben nicht nur um die ganze große Emphase, um stimmliche Verausgabung, sondern auch um schlüssige und sauber ausgesungene Linien. Und um Textverständlichkeit. Beides war zumindest im vorderen Bereich der Gedächtniskirche absolut gegeben. Und bestätigte sich dann auch in einer herausragenden Interpretation der berühmten „Gralserzählung“ durch Thomas Mohr. Dann „Parsifal“. Nur für Orchester. Es gibt da noch einen Traum, den sich Karl-Heinz Steffens nicht erfüllen konnte am Pult der Staatsphilharmonie: eine konzertante Aufführung des „Parsifals“ in genau dieser Kirche. Der neogotische Altarraum sieht tatsächlich aus wie die Kulisse einer Gralsburg. Bereits mit den ersten Takten des Vorspiel stellt sich eine weihevolle, fast schon metaphysische Stimmung ein. Die Musik zu den beiden Gralsszenen aus erstem und drittem Aufzug sind Emphase pur. Schiere Überwältigung, der man sich unmöglich entziehen kann. Ein triumphaler Abschied. In Abwandlung eines Ausspruches von Richard Wagner, der gemeint habe, er müsse seinen „Tannhäuser“ nochmals final umarbeiten („Ich bin der Welt noch einen ,Tannhäuser’ schuldig“), könnte man sagen: Steffens ist der Pfalz noch einen „Parsifal“ schuldig. Es wäre uns ein Fest. Bestimmt.

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