Nachruf Regisseur Jürgen Flimm gestorben

Jürgen Flimm starb mit 81 Jahren.
Jürgen Flimm starb mit 81 Jahren.

Er war einer der umtriebigsten, fleißigsten und erfolgreichsten deutschen Theaterleiter: Jürgen Flimm. Er war Schauspielintendant in Köln und Hamburg, leitete Festivals wie die Ruhrtriennale und die Salzburger Festspiele. Acht Jahre stand er als Intendant an der Spitze der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Am Samstag ist Jürgen Flimm im Alter von 81 Jahren gestorben.

Geboren wurde er 1941 in Gießen. Er wuchs in Köln auf, wo er Theater- und Literaturwissenschaft sowie Soziologie studierte. 1968 wurde er Regieassistent an den Münchner Kammerspielen. Bald inszenierte er an verschiedenen Theatern.

Schon früh interessierte er sich für Musik, auch für die zeitgenössische. Als Student hatte er Kontakt zu Komponisten wie Bernd Alois Zimmermann und Johannes Fritsch. Luigi Nonos „Al gran sole carico d'amore“ (Unter der großen Sonne, von Liebe beladen) war 1978 in Frankfurt die erste Oper, die er auf die Bühne brachte. Diese szenische Collage über Revolutionen des 19. und 20. Jahrhunderts, dieses „große Requiem auf verschollene Hoffnungen und das Scheitern von Utopien“ (Flimm), hat er dann 30 Jahre später in Salzburg noch einmal inszeniert.

Erfolgreiche Jahre in Hamburg

1979 bereits wurde er in Köln zum ersten Mal Schauspielintendant. 1985 übernahm er das Thalia Theater in Hamburg, das er bis 2000 leitete und zum bestbesuchten Schauspielhaus der Bundesrepublik machte. Als Regisseur wurde er besonders für seine lebendigen Klassiker-Inszenierungen wie Kleists „Käthchen von Heilbronn“, Ibsens „Peer Gynt“ oder Tschechows „Platonow“ gefeiert.

Von den 80er Jahren an wurde Flimm ein auch international gefragter Opernregisseur, sein häufigster Partner war der österreichische Dirigent Nikolaus Harnoncourt. Flimm inszenierte unter anderem in New York, London, Mailand und Zürich, aber auch bei den Bayreuther Festspielen, wo er im Jahr 2000 Wagners „Ring des Nibelungen“ in Szene setzte.

Der Festival-Intendant

Anschließend verwandelte sich der erfolgreiche Theaterintendant in einen nicht minder erfolgreichen, wenn auch nicht ganz unumstrittenen Festivaldirektor, denn er tanzte gerne auf zwei Hochzeiten gleichzeitig. So arbeitete er von 2005 bis 2008 für die Ruhrtriennale, aber ab 2006 auch schon für die Salzburger Festspiele, die er bis 2010 leitete. Das letzte Salzburger Jahr war bereits das erste seiner Intendanz an der Berliner Staatsoper.

In Salzburg setzte er den Reformkurs seiner Vorgänger Mortier und Ruzicka fort. 2009 verhalf Flimm mit Nonos „Al gran sole carico d'amore“ Salzburg zu einem umjubelten, bis dahin dort kaum denkbaren Triumph des modernen Musiktheaters. Dieser Triumph beschleunigte aber seinen Abgang aus Salzburg. Dem Kuratorium der Festspiele war dieses Werk zu avantgardistisch und politisch. Flimm sagte im Rückblick, „es fehle in Salzburg an der unbedingten Freiheit des Denkens.“ Er verließ Salzburg ein Jahr früher als geplant.

Zusammenarbeit mit Daniel Barenboim

In Berlin bildeten Flimm und der Dirigent Daniel Barenboim über Jahre ein gutes Gespann, zuweilen war aber in den Berliner Medien auch von Spannungen zwischen den beiden die Rede. Die Arbeit wurde auch deshalb erschwert, weil die Staatsoper, deren Haus unter den Linden saniert wurde, zwischenzeitlich in das kleinere Schillertheater umziehen musste. Die Renovierung dauert viel länger als geplant. Nach einem Schlaganfall 2013 war Flimm gesundheitlich angeschlagen.

Flimm war auskunftsfreudig, ein Liebling der Medien, er gab Interviews auch zu Themen, die nichts mit der Oper zu tun hatten. „Fußball ist mein schönster Zeitvertreib“, sagte er nach der Weltmeisterschaft in Brasilien der „Zeit“. In der evangelischen Zeitschrift „chrismon“ äußerte er sich 2014 zum Thema Religion. Glaube bedeute ihm Toleranz, Geduld, Nachsicht. Auf Distanz hielten ihn dagegen „schlechte Predigten, inspirationslose Pastoren, Frömmelei und liturgisches Geleier“.

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