Pirmasens Pirmasens sagt Verleihung von Hugo-Ball-Preis ab

Hito Steyerl
Hito Steyerl

Die Stadt Pirmasens hat entschieden, die Verleihung des Hugo-Ball-Preises 2023 auszusetzen – auf Anregung von Hito Steyerl, die ausgezeichnet werden sollte. Stattdessen soll es eine offene Debatte über antisemitische Klischees in der Zeit Hugo Balls und unserer Gegenwart geben.

Erst im Dezember hatten sich die Jury und die Stadt Pirmasens für die international bedeutende Künstlerin Hito Steyerl als Preisträgerin des Hugo-Ball-Preises entschieden. Den Förderpreis sollte die Schriftstellerin, Dramaturgin, Musikerin und Performerin Olivia Wenzel erhalten. Jetzt also die Pressemitteilung der Stadt Pirmasens, dass die beiden auszuzeichnenden Künstlerinnen stattdessen eine Debatte über Antisemitismus angeregt haben. Dass Steyerl sich genau anschaut, welchen Preis sie annimmt, war schon 2022 klar geworden, als sie das Bundesverdienstkreuz ablehnte wegen des Umgangs der Politik mit der Kultur während der Pandemie.

Mit ihrem Kulturpreis, dotiert mit 10.000 Euro, würdigt die Stadt Pirmasens seit 1990 alle drei Jahre das Wirken des in Pirmasens geborenen Dadaisten Hugo Ball (1886-1927), der 1916 im Züricher „Cabaret Voltaire“ die einflussreiche Kunstrichtung mitbegründet. Dass sich auch bei Hugo Ball antisemitische Textpassagen finden, explizit etwa in seiner 1919 erschienenen Schrift „Zur Kritik der deutschen Intelligenz“, damit habe sich die Hugo-Ball-Gesellschaft bereits ausführlich und wiederholt beschäftigt, heißt es in der Mitteilung. Sie seien jedoch in der breiten öffentlichen Wahrnehmung nicht präsent. „Im frühen 20. Jahrhundert war antisemitisches Gedankengut weit verbreitet, auch viele Künstlerinnen und Künstler beförderten solche Ressentiments.“

„Modell für Umgang mit Vergangenheit“

So soll es jetzt also statt der Preisverleihung im März eine moderierte Podiumsdiskussion am 23. Januar in der Pirmasenser Festhalle geben, die auf Youtube übertragen wird. Dabei sollen sich Fachleute verschiedener Disziplinen mit dem Thema „zeitgenössischer Antisemitismus im Werk von Hugo Ball und dessen Gegenwartsbezüge“ austauschen: Bernd Wacker, der Vorsitzende der Hugo-Ball-Gesellschaft, Literaturwissenschaftler Helmuth Kiesel von der Universität Heidelberg, Johannes Heil, Vorsitzender der Ignatz-Bubis-Stiftung, der Historiker Magnus Brechtken und zugeschaltet Meron Mendel von der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank. Es moderiert Angela Gutzeit. Eine weitere Veranstaltung zu Hugo Balls intellektuellem Umfeld ist im Laufe des Jahres im Cabaret Voltaire in Zürich geplant.

„Bis zum Ende dieses Prozesses soll die Verleihung des Hugo-Ball-Preises ausgesetzt werden, um die wichtige Debatte nicht unter Zeitdruck führen zu müssen“, teilt die Stadt Pirmasens mit. Die Feierstunde zur Preisverleihung sei abgesagt. In der Pressemitteilung jetzt heißt es: Unter dem Eindruck antisemitischer sowie rassistischer Vorurteile und Vorfälle in der Gegenwart halten die Stadt Pirmasens, die Vorschlagskommission und die beiden Ausgezeichneten eine erweiterte Auseinandersetzung mit Antisemitismus und anderen Formen der Diskriminierung für vordringlich und geboten. Denn alle Beteiligten möchten mit der Verleihung des Preises künftig auch ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus verbinden.

Hito Steyerl wird in der Pressemitteilung zitiert, dass sie froh sei über den gemeinsam eingeschlagenen, konstruktiven Weg „einen Umgang mit unbestreitbar antisemitischen Motiven in Balls Werk zu finden. Dieses Verfahren könnte einen Modellcharakter für den Umgang mit Deutschlands in Teilen antisemitischem und rassistischem kulturellen Erbe bieten und so ein zukunftsweisendes Beispiel darstellen“.

Termin

Podiumsdiskussion „Zeitgenössischer Antisemitismus im Werk von Hugo Ball und dessen Gegenwartsbezüge“ am 23. Januar, um 19 Uhr, in der Festhalle in Pirmasens, www.youtube.com/@pirmasenslive1.

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