Kultur Mähdrescher statt Häcksler

Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, Zweite von rechts) wird bedroht. Stefan Tries (Ben Becker, rechts) rettet sie: Probe für eine Sz
Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, Zweite von rechts) wird bedroht. Stefan Tries (Ben Becker, rechts) rettet sie: Probe für eine Szene auf dem Kahlforsterhof. Stuntman Matthias Schendel und Regisseurin Brigitte Maria Bertele schauen zu.

Ein Aussiedlerhof, ein Mähdrescher. Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) weicht zurück, in Angst, stolpert, fällt ins Stroh, aus dem ihr Stefan Tries (Ben Becker und Stuntman Matthias Schendel) galant hoch hilft. „Das war knapp“, sagt sie empört. Tries entschuldigt den Drescherfahrer etwas – und Folkerts tritt aus der Rolle: „Jetzt sag ich nichts mehr, sonst verraten wir zu viel.“ Becker ist kurz irritiert, hätte die Probe wohl durchgespielt: Wenn er drin ist in der Arbeit, blendet er das Drumherum aus. Journalisten schauen zu am Set bei Sitters, einem Ortsteil von Obermoschel. Der Kahlforsterhof thront auf der namensgebenden Kahlforsterhöhe, der Blick ist weit, die Temperaturen sind niedrig. Es ist der elfte Drehtag von „Die Pfalz von oben“, einer Fortsetzung von „Tod im Häcksler“ nach 28 Jahren. Wieder wird Lena Odenthal ins fiktive nordpfälzische Dorf Zarten gerufen, wo ihr einst Polizeimeister Stefan Tries (Becker) zur Seite stand – und es zwischen ihnen knisterte. Damals wurde das ganze Dorf zum Mörder, da ein Hofbesitzer sich als einziger gegen ein Staudammprojekt sperrte, das viel Abfindungsgeld eingebracht hätte. Im neuen Krimi wurde ein Polizist bei einer Lkw-Kontrolle erschossen. Tries ist Leiter des „Polizeireviers in Zarten“ (erbaut im Gemeindehaus von Nerzweiler im Kreis Kusel) und agiert als „Provinzkönig“, wie Regisseurin Brigitte Maria Bertele sagt. Damit benutzt sie gleich das Wort, das Folkerts und Becker geschickt vermeiden. Sie loben an diesem Drehtag die Pfalz über den grünen Klee. „Es könnt’ nur ein bisschen wärmer sein“, fröstelt Folkerts, die wie Becker zwischendurch in Daunenbekleidung schlüpft (er: rot, sie: braun). Ein Mähdrescher von 1980 wurde besorgt für die Szene, in der Bauer Meurer die Kommissarin mit dem Gerät „bedroht“, weil diese seinen Sohn verdächtigt. Doch die wuchtige, laute Landmaschine hat erst mal gezickt. „Die Batterie war alle“, erklärt Produzent Nils Reinhardt, warum das Team eine Stunde im Verzug ist. Und die Schauspieler nur kurz in einer Scheune zwischen SWR-Bussen Auskunft geben. Folkerts nimmt’s sportlich, schließlich geht es um ihr Jubiläum: Lena Odenthal ist nun 30 Jahre im Amt, keine TV-Kommissarin ermittelt länger. Die Idee, noch mal zu ihrem dritten Fall „Tod im Häcksler“ zurückzukehren, ein Kultfilm, der am Donnersberg aber für Unmut sorgte, hatte jedoch Redakteur Ulrich Herrmann. „Vor allem, weil es grandiose Charakterschauspieler sind“, wollte er Folkerts und Becker erneut aufeinander treffen lassen und holte „Häcksler“-Autor Stefan Dähnert dazu. „Erst war ich überrumpelt von der Idee, fand sie dann aber sehr schön und merkte: Es geht sogar auf“, beschreibt Ulrike Folkerts ihre erste Reaktion. Natürlich hat sie sich „Tod im Häcksler“ noch mal angeschaut: „Da waren wir noch jung und schön und süß“, scherzt sie Richtung Ben Becker. Die 57-Jährige weiß aber noch gut, wie kritisch die Pfalz den Film sah und hat Verständnis dafür. Schließlich wirkten diese Bewohner von „Zarten“ wie Relikte der 1950er, ausstaffiert in grau, braun und lodengrün samt Hut und Kopftuch, umgeben von Hühnern und Kühen. Und bald wurden sie zu einer schweigsam-bedrohlichen Masse. Gedreht wurde damals in Rudolphskirchen. „Die Leute haben sich auf den Schlips getreten gefühlt“, weiß Folkerts und sinniert gar, ob man sich vielleicht bei ihnen hätte entschuldigen sollen. Der Film sei auch in einer brisanten Zeit gelaufen, kurz nach den Angriffen auf Ausländer in Hoyerswerda. „Wenn man sich vorstellt: Ein ganzes Dorf wird zum Mob. Menschen, die Menschen jagen – das will man nicht sehen und man will nicht damit identifiziert werden.“ Damals ließ sich Folkerts auf eine PR-Tour mit Rainer Brüderle ein, um die Wogen zu glätten, besichtigte die nur wenige Kilometer vom jetzigen Drehort gelegene Moschellandsburg. „Ein schöner Sommertag, es gab viel Wein“, sagt Folkerts nur über diesen Samstag im Mai 1992, bei dem sie lieber Spargel als Saumagen wollte. Und verspricht, dass der neue Fall sicher keine Politiker auf den Plan rufen werde. Diesmal geht es um guten alten Schmuggel. Die Figur von Ben Becker ist offenbar involviert. Das Angebot, noch einmal Stefan Tries zu spielen, habe ihn „wahnsinnig gefreut“, sagt Becker. „Es gibt ja Filme, die bleiben im Herzen. Und es ist erstaunlich, wie das wieder eine Präsenz angenommen hat, wie tief die Rolle noch im emotionalen Gedächtnis ist.“ Was an Beckers Darstellung 1991 faszinierte, war die Unschuld und Offenheit, mit der er seine Figur ausstattete. Davon habe er etwas bewahren wollen. „Ein Tick kleiner Junge ist geblieben“, sagt er über den heutigen Tries, den er auch „als König Kalle Wirsch im Dorf“ bezeichnet. Den einzigen pfälzischen Satz aus „Tod im Häcksler“ hat der 54-Jährige noch parat: „Wees isch ah net“ (auf die Frage des Vaters, wann er zurück vom Ermitteln sei, um bei einer Dachreparatur zu helfen). Diesmal aber spreche er kein Pfälzisch. „Dafür muss ich was auf Französisch sagen“, echauffiert er sich: Das sei schwerer als Pfälzisch, trotz fünf Jahren Schulfranzösisch. Ben Becker gibt sich im Gespräch bestens gelaunt, schwärmt auch von seiner Eckart-Witzigmann-Suite im Hotel in Meisenheim. Zuvor unten im Dorf, beim Imbissstand („Hollyfood“) des SWR auf dem Festplatz von Sitters, wirkte er noch mürrisch nach einem ihm zu kurzen Nachmittagschlaf – er fühlt sich kränklich und hat Hunger. Feldsalat und Gemüse helfen offenbar. Oben am Hof ist er dann hoch konzentriert, spielt auf den Punkt, strahlt die Journalisten an: ein Profi eben. Geschickt nimmt er auch die Hürde, als Stefan Tries ja den Ausdruck „Pfälzisch-Sibirien“ geprägt zu haben: „Sagen wir mal so – wenn es hier kalt ist, ist es halt richtig kalt. Aber es ist auch unglaublich schön.“ Und jetzt bei diesem Aprilwetter (er ist der Zeit voraus) sei es in Berlin ja auch nicht wärmer, dafür weniger schön. Auch Folkerts fühlt sich wohl, beteuert sie. Diesmal sei es ja nachts nicht minus 20, sondern zwei Grad. „Viel Gegend ist das. Wir haben irre Plätze gefunden“, sagt sie über den Dreh in Adenbach, Nerzweiler und nun Sitters – und meint auch das beeindruckende Panorama der Kahlforsterhöhe. „Ich liebe die Natur, und man bekommt Lust zu wandern.“ Geografie-Nachhilfe ist der Dreh auch für Grimmepreisträgerin Brigitte Maria Bertele, die inszeniert: „Ich war vor vielleicht 30 Jahren mal in Neustadt, wusste aber nicht, dass es so was wie Vorder- und Hinterpfalz gibt.“ Jemand murmelt „Westpfalz“, korrigiert sie aber nicht laut. „Es ist eine Landschaft, in der man Kinobilder drehen kann, und das haben wir auch schon getan“, sagt sie. Die 44-Jährige ist ganz neu in der „Häcksler“-Welt: Originalregisseur Nico Hofmann sei interessiert gewesen, habe aber keine Zeit gehabt, berichtet Redakteur Herrmann von aufmunternden SMS-Nachrichten des mittlerweile berühmten Mannheimers. Der drehe jetzt eben weniger, sei „mehr Chef als früher“, kommentiert dies Becker, bevor er wieder schwärmt von Begegnungen beim Dreh. „Einmal bin ich in Uniform herumgelaufen und wurde gleich als Kommissar begrüßt.“ Und bei Drehauftakt in Adenbach hätten Nachbarn sogar Sekt und Kuchen gebracht, freut sich Produzent Reinhardt. Und so scherzt das Team, das heute in Seelen und bei Heimkirchen und morgen wieder in Nerzweiler dreht, schon über einen dritten Teil von „Tod im Häcksler“. Der zweite soll Ende des Jahres im Ersten laufen.

1991: „Tod im Häcksler“ mit Ulrike Folkerts und Ben Becker. „Ich war einfach eine verliebte Kommissarin“, sagt Folkerts heute da
1991: »Tod im Häcksler« mit Ulrike Folkerts und Ben Becker. »Ich war einfach eine verliebte Kommissarin«, sagt Folkerts heute dazu.
Folkerts und Becker mit dem Star der Szene, dem Mähdrescher.
Folkerts und Becker mit dem Star der Szene, dem Mähdrescher.
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