Interview Ingo Knollmann von den Donots hält die Menschheit für strunzdumm

„Mit bunten Haaren erschreckst du keine Oma mehr“, sagt Ingo Knollmann, der Frontmann und Sänger der Donots.
»Mit bunten Haaren erschreckst du keine Oma mehr«, sagt Ingo Knollmann, der Frontmann und Sänger der Donots.

Seit 30 Jahren spielen die Donots knackigen Pop-Punk mit kritischen Texten. Mit dem neuen Album „Heut ist ein guter Tag“ wollen die Münsteraner Anspruchsvolles massentauglich machen.

Herr Knollmann, Punk war anfangs ein Statement gegen alles Etablierte. Ist Punk heute noch mehr als nur ein Musikstil?
Punk ist schon mehr, hat aber längst nicht mehr den Schockeffekt, den er in den 1970ern und 1980ern noch hatte. Das muss er auch gar nicht, weil die Gesellschaft einem Wandel unterworfen ist. Zum Beispiel gehört es heutzutage zum guten Ton, tätowiert zu sein. Mit bunten Haaren erschreckst du auch keine Oma mehr. Aber die Inhalte des Punk haben weiter Bestand. Du kannst entweder destruktiv unterwegs sein oder Punk als Auffangbecken betrachten für Leute, die nicht überall hineinpassen. Etwas kaputt zu machen, heißt auch, etwas Besseres aufzubauen. Diesen Gedanken finde ich immer noch romantisch. Und unsere Prämisse beim neuen Album war ganz klar: keine Kompromisse, keine Wiederholungen!

Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie in letzter Zeit gedacht: „Heut ist ein guter Tag“?
Ich denke das wirklich oft. Ich habe zwei tolle Kinder, die mich super glücklich machen. Zudem durften wir als Band im vergangenen Jahr viel Erfreuliches erleben. Alle anderen hatten mit Tourabsagen und schleppenden Ticketverkäufen zu kämpfen, wir konnten uns nicht beschweren. Im letzten Sommer sind wir als Special Guest zwischen der Tour der Ärzte und der Tour der Toten Hosen hin- und hergesprungen. Wir haben Rock am Ring und Rock im Park vor jeweils 90.000 Leuten eröffnet, wo die Hosen dann unser geheimer Special Guest waren. Wir sind für Bad Religion beim Highfield-Festival eingesprungen und Ende des Jahres in Münster vor 13.000 Leuten aufgetreten.

Hatten ein gutes Jahr: Donots.
Hatten ein gutes Jahr: Donots.

Das klingt, als nach einer rasanten Fahrt auf der Überholspur.
(lacht) Ich stehe zumindest nicht mit Standgas auf dem Parkplatz bei durchgetretenem Pedal.

Gab es bei Ihnen Zeiten, in denen Ihnen Lichtgeschwindigkeit nicht mehr reichte?
Das denke ich super oft. Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch. „Everything now!“ ist zu einem Credo bei uns in Studio geworden. Vor 20 Jahren sind wir noch mit einer fertigen Vorproduktion ins Studio gegangen, um dann dort die Reinschrift an den Start zu bringen. Aber „Everything now!“ ist eine super Herangehensweise, wenn man mit dem Produzenten Kurt Ebelhäuser arbeitet. Bei ihm weiß man morgens noch nicht, was man abends aufgenommen haben wird. Wir schreiben die Songs immer zusammen im Studio und lassen dabei den Moment regieren.

In den Medien ist derzeit oft die Rede von apokalyptischen Zuständen – bei den Preisen, den Temperaturen oder in der Ukraine. Fühlt sich die Gegenwart für Sie ein bisschen an wie der Anfang vom Ende der Welt?
Ja total. Das konterkariert natürlich die Lebensfreude, die wir auf der Bühne ausstrahlen. Eigentlich bin ich eher auf der pessimistischen Seite geparkt, was die Menschheit angeht. Es werden die gleichen Fehler immer wieder gemacht, nur in einem neuen Gewand. Da wird nicht Geschichte geschrieben, sondern abgeschrieben. Das ist ganz traurig. Wer hätte gedacht, dass auf einmal der Kalte Krieg wiederkommt. Pandemien wurden früher in Science-Fiction-Filmen thematisiert. Und jetzt leben wir in solch einer Situation. Hier in Köln fährt man an etlichen verlassenen Teststationen vorbei. Das hat etwas Postapokalyptisches: Die erste Zombieinvasion liegt hinter uns, mal schauen, was gleich noch passiert. Das ist besorgniserregend und traurig bei den ganzen Opfern.

Das Album beginnt düster mit Worten aus einem Kindermund: „Das ist der Weltuntergang“. Wenn Ihre Kids erwachsen sind, werden sie ausbaden müssen, was wir heute tun. Wie gehen Sie als Vater damit um?
Früher dachte ich, ich möchte keine Kinder in diese Welt setzen. Aber heute kann ich sagen, dass Vater zu werden das Beste ist, was mir jemals passiert ist. Wir brauchen mehr gute Menschen auf der Welt, wir können das Fortpflanzen ja nicht den ganzen Arschgeigen überlassen. Wenn unser Beitrag ist, eine gute Erziehung weiterzugeben, dann ist das das Rüstzeug für eine bessere Welt. Das klingt jetzt sehr kitschig, aber so ist es ja wirklich. Der wichtigste Tag ist immer heute und die wichtigsten Personen die guten Menschen, mit denen man sich umgibt.

Wie wollen Sie mitzuhelfen, die Welt wieder aufzubauen?
Es wäre vermessen zu behaupten, dass ich das könnte. Niemand muss zwangsläufig ein großer Politiker oder Diplomat werden, aber wenn jeder mit seinen Mitteln an einer besseren Welt arbeitet, dann haben wir schon eine Chance. Das Credo ist so einfach: Sei kein Arschloch!

Wie denken Sie über die radikalen Aktionen der Klimaaktivisten?
Solche Aktionen haben Strahlkraft, das sieht man ja. In der Hinsicht haben sie schon etwas gebracht. Ich finde es nur so tragisch, dass gerade Kunst dafür herhalten muss. Was kann die dafür? Man könnte ja zu Häusern von ausgesprochenen Nazis gehen und die Wände besprühen. Lasst eure Wut an etwas Schlechtem in der Welt aus! Ich verstehe die Aktion als solche, kritisiere aber, dass sie nicht den richtigen Adressaten hat.

Verstehen Sie die Donots als Protestband?
Wenn wir schon eine gewisse Reichweite haben und ein gewisses Publikum ansprechen können, vor allem Kids, wenn wir schon eine Gatewayband sind, um in eine Subkultur einzusteigen, dann will ich auch mein Pulver nicht verschießen mit irgendwelchen Happy-Go-Lucky-Songs. Dann möchte ich keine Lieder à la Blink 182 schreiben, die vom Masturbieren handeln. Das wäre mir zu eindimensional. Ich weiß, dass es das auch geben muss, man nennt es Eskapismus. Aber wir wollen ein kleines bisschen mehr tun. Wir haben in der Corona-Zeit für unsere Crew Spenden gesammelt mit den Einnahmen aus einem Live-Album. Die kompletten Erlöse aus unserer Vinylsingle „Willkommen zuhaus“ sind an das wunderbare Jamel-Festival geflossen mitten in einem Nazi-Dorf.

Einen Großteil der Menschen sind Klima und Umwelt wichtig. Aber die wenigsten ändern ihr Verhalten. Wie erklären Sie sich das?
Weil man es sich bequem gemacht hat. Ich kann das zum Teil auch verstehen. Man wird ja zugeballert mit schlechten Nachrichten. Ich glaube, deshalb will eigentlich jeder am Ende des Tages seine Schäfchen im Trockenen haben und sich seine Blase erhalten. Ich kann sehr gut nachvollziehen, weshalb Leute politikverdrossen sind, aber ich sage mir selbst mit voller Überzeugung in beschissenen Zeiten: Jetzt erst recht gehe ich raus und tue gute Dinge!

Der Mensch sei das Ergebnis eines Unfalls nach dem Urknall und nur aus Versehen am Leben, heißt es in Ihrem Song „Kometen“. Wird die Menschheit jemals begreifen, was für ein Geschenk sie da bekommen hat?
Wahrscheinlich drehen sich genau in dem Moment, wenn der Komet auf der Erde einschlägt, alle um und sagen: „O fuck, der Komet hat ja recht!“ Ich halte Menschen partiell für schlau, aber die Menschheit insgesamt für strunzdumm. Leider. Ich bin selbst ein Bauer.

Das neue Album
Das neue Album

Info

Donots: „Heut ist ein guter Tag“ (Solitary Man Records/Warner). Die Tour zum neuen Album startet am 20. April im Karlsruher Substage. Karten: www.substage.de.

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