Kultur Ein spätantiker Olivenkern und ein merkwürdiges Angebot

Rekonstruiert: der verzierte spätantike Klappstuhl mit einem Versicherungswert von 300.000 Euro.
Rekonstruiert: der verzierte spätantike Klappstuhl mit einem Versicherungswert von 300.000 Euro.

Nachdem der Prozess um den Schatz von Rülzheim beendet ist, werden die Funde derzeit in Speyer von der Landesarchäologie weiter untersucht. Organisches Material, das am spätantiken Klappstuhl entdeckt wurde, bestätigt, dass das Unikat 1600 Jahre alt ist, und stützt die These der Archäologen, die den Fund in die Zeit der Hunnen datieren. Unterdessen wird sich der Gemeinderat Rülzheim, auf dessen Gebiet die Stücke vergraben waren, kommende Woche mit dem Thema „Hunnenschatz“ beschäftigen.

Im Februar hatte das Landgericht Frankenthal den Sondengänger, der die über 100 Einzelstücke im Mai 2013 ausgrub und erst nach sieben Monaten unter Druck abgab, abschließend der Unterschlagung verurteilt. Jedoch kam der Speyerer mit einer Geldstrafe davon, die nur fällig wird, sollte er noch einmal illegal graben und Funde unterschlagen. 500 Euro musste er als Auflage an den Dombauverein Speyer zahlen. Zudem hatte das Landgericht sich mit der Frage beschäftigt, ob die Rülzheimer Silberschalen, die goldenen Gewandapplikationen und der Klappstuhl von „besonderer wissenschaftlicher Bedeutung“ sind. Denn nur in diesem Fall gehört ein archäologischer Fund laut dem „Schatzregal“-Paragrafen des rheinland-pfälzischen Landesdenkmalschutzgesetzes automatisch dem Land. Unbedeutende Bodenfunde dagegen gehören je hälftig dem Finder und dem Besitzer des Bodens. Das Gericht mochte über die Bedeutung jedoch nicht entscheiden, nachdem zwei externe Gutachter gehört worden waren, aber auch eine vom Angeklagten beauftragte Archäologin als Zeugin, die ein Gegengutachten erstellt hatte. Da zugleich der Sondengänger vor Gericht auf mögliche Ansprüche auf den Fund verzichtet hatte, sah sich das Gericht in der Lage, ihn mit dem Urteil zu verwarnen, ohne eine bindende Aussage über die Besitzrechte des Hortfundes zu machen. „Das ist in unseren Augen sehr unglücklich gelaufen“, sagt Ulrich Himmelmann, Leiter der Außenstelle Speyer der Landesarchäologie zum Prozess. „Der Fund gehört dem Land, wir sehen das Schatzregal als gegeben an“, sagt der Archäologie zur Besitzfrage. Reiner Hör, Ortsbürgermeister von Rülzheim, sieht dies im Grunde genauso. Die Landesarchäologie habe viel Zeit und Know-how investiert, er vertraue auf die Einschätzung der Experten der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), dass „der Hunnenschatz sehr wertvoll und ein Kleinod“ sei. Zudem würde sich die Gemeinde nicht nur finanziell schaden, wenn sie gegen das Land prozessiere. Denn Ziel müsste ja sein, zu beweisen, dass der Fund unbedeutend und wertlos sei. Die Frage wird am 26. April den Gemeinderat beschäftigen, da beim Ortsbürgermeister ein Schreiben einer Interessensgemeinschaft namens „Deutsche Sondengänger Union“ einging, die der Gemeinde ihre möglichen Rechte am Schatz abkaufen will. Eine Summe sei nicht genannt worden, sagt Hör über das provokative Angebot. Als eine Gruppierung Einzelner, die Öl ins Feuer gießen wollten, beurteilt Archäologe Ulrich Himmelmann diesen Zusammenschluss, der keineswegs die gesamte Szene repräsentiere. Gerade in der Pfalz arbeite die Landesarchäologie mittlerweile gut mit Sondengängern zusammen. „Wir profitieren unendlich von ihnen“, sagt Himmelmann. 110 Genehmigungen zur Bodenuntersuchung mit Metalldetektoren habe man aktuell pfalzweit ausgestellt. Der Schatz selbst wird derzeit weiter wissenschaftlich untersucht. Anschließend wird er in Berlin ab 21. September bis Januar 2019 in der Ausstellung „Bewegte Zeiten, Archäologie in Deutschland“ im Martin-Gropius-Bau gezeigt. Später soll er ins Historische Museum der Pfalz nach Speyer gehen. Gern werde die Landesarchäologie die Funde auch für eine Präsentation in Rülzheim zur Verfügung stellen, sagt Himmelmann. „Das werden wir natürlich wahrnehmen“, sagt Rülzheims Ortsbürgermeister, wobei er angesichts von Versicherungsfragen die Heimat der Stücke in Speyer sieht und bereits damit zufrieden ist, die Funddokumentation im Rülzheimer „Zentrum für Kunst und Kultur“ zu zeigen. Bei den aktuellen Untersuchungen des Schatzes wiederum steht ein Olivenkern im Zentrum der Aufmerksamkeit. Er befand sich in einer Art Kittmasse, mit der eine kleine Büste auf dem ursprünglich wohl römischen herrschaftlichen Sitzmöbel befestigt war. Laut Ulrich Himmelmann lässt er sich auf die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts datieren. Der Klappstuhl mit Lehne und figurativer Dekoration war im Frankenthaler Prozess von Archäologe Rupert Gebhard, Sammlungsdirektor der Archäologischen Staatssammlungen München, als Unikat mit einem Versicherungswert von 300.000 Euro bezeichnet worden. Der Schatz, der aus dem hunnisch-ostgermanischen Raum stamme, dürfte Mitte des 5. Jahrhunderts vergraben worden sein, berichtet Himmelmann von den neuesten Erkenntnissen. Die Forschungen leite Richard Petrovszky, renommierter Experte für spätantike Metallfunde, der bereits für die Analyse des ursprünglichen „Barbarenschatzes“ von Neupotz zuständig gewesen sei.

Diese Büste war am Stuhl verklebt. Im antiken Kitt steckte ein 1600 Jahre alter Olivenkern.
Diese Büste war am Stuhl verklebt. Im antiken Kitt steckte ein 1600 Jahre alter Olivenkern.
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