Kultur Der Weg ist das Ziel

Berlin war es 1988, Weimar 1999 und Essen zusammen mit dem Ruhrgebiet im Jahr 2010: Europäische Kulturhauptstadt. 2025 wird eine deutsche Stadt wieder diesen Titel tragen. Schon heute gibt es dafür mit Koblenz, Mannheim, Chemnitz, Dresden, Magdeburg, Hannover, Hildesheim, Kassel und Nürnberg zahlreiche Bewerber. Ihre Ideen und Erwartungen sind ganz unterschiedlich – das wurde auf einer Tagung der Uni Hildesheim deutlich, auf der sich die Bewerberstädte vorstellten.

„In Koblenz ist Kultur lange Nebensache gewesen. Erst durch die erfolgreiche Bundesgartenschau hat man die Chancen entdeckt, welche die Kultur der Stadt bietet. Viele Gruppen und Vereine, die damals aktiv wurden, gibt es nach wie vor“, sagt Johannes Bruchhof von der Koblenz-Touristik. Nach seinen Worten hat die Stadt, die noch am Anfang ihrer Bewerbung steht, gute Voraussetzungen: Erfahrungen mit Großveranstaltungen, die Nähe zu den EU-Gründungsmitgliedern, Unesco-Welterbestätten in der Region und eine positive Stimmung in der Bevölkerung. In Mannheim bereitet man sich schon länger auf den Wettbewerb vor – ursprünglich ging man davon aus, dass schon 2020 die nächste europäische Kulturhauptstadt aus Deutschland kommt. „Das hat sich dann noch geändert. Derzeit sind wir sieben Personen, die für die Bewerbung zuständig sind“, sagt Thomas Kraus, Leiter des Kulturbüros Rhein-Neckar. Ein Schwerpunkt liegt derzeit auf dem Thema Musik, mit dem die zahlreichen Institutionen wie zum Beispiel die Pop-Akademie oder die Musikhochschule in den Mittelpunkt gerückt werden sollen. Unter dem Motto „Europa neu denken“ soll im kommenden Jahr ein Kulturprojekt im Hambacher Schloss stattfinden. Wert gelegt wird auf die Partizipation der Bürger. Andere Bewerberstädte sind da schon konkreter. Nürnberg nennt drei zentrale Themen: Die Zukunft der Arbeit angesichts des starken Strukturwandels und der Schließung großer Industriebetriebe, das interkulturelle Zusammenleben angesichts eines Migrationsanteils von 43 Prozent und die künftige Erinnerungskultur am Ort des Reichsparteitagsgeländes und der Nürnberger Prozesse, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt. „Wir haben die Stimmung in der Bevölkerung zur Bewerbung bei Veranstaltungen in drei Stadtteilzentren getestet und die Resonanz war sehr positiv“, sagt Niko Degenkolb vom Nürnberger Bewerbungsbüro. In Magdeburg stehen 2,8 Millionen Euro für die Bewerbung zur Verfügung – bislang der höchste Etat aller Bewerberstädte. „In Deutschland gibt es entweder ein negatives oder gar kein Bild von Magdeburg. Das wollen wir ändern“, sagt der Leiter des Kulturhauptstadtbüros Tamás Szalay. Magdeburg will als Stadt des Bauhauses, der Reformpädagogik und des Rechts auf sich aufmerksam machen. „In mehr als 1000 Städten in Osteuropa war einst das Magdeburger Recht gültig. Das wollen wir nutzen, um neue internationale Kontakte zu knüpfen“, sagt Szalay, der auch aktuelle Fragen wie die Menschenrechte und das Verhältnis von Bürger und Staat in der Kulturhauptstadt Magdeburg diskutieren will. Fünf Arbeitsgruppen mit Vertretern unter anderem aus Wissenschaft, Forschung und der Kulturszene bereiten derzeit die Bewerbung vor. Sie soll auch dazu dienen, die Verbundenheit der Einwohner mit ihrer Stadt zu erhöhen. Das Fazit früherer Kulturhauptstädte fällt jedenfalls positiv aus. Oliver Scheytt war einst Leiter der Europäischen Kulturhauptstadt Essen 2010. Seitdem sind die Anforderungen der Europäischen Union an eine Kulturhauptstadt wesentlich umfangreicher geworden. „Es geht nicht nur um Kultur, sondern um den Umgang mit aktuellen Problemen. Dabei ist die Partizipation der Bürger an der Bewerbung ebenso wichtig wie die Langzeitwirkung. Sie muss eine europäische Dimension haben, den interkulturellen Dialog fördern und zum besseren gegenseitigen Verständnis der europäischen Bürger beitragen. Das fehlt häufig“, so Scheytt. In der europäischen Kulturhauptstadt von 2016, Wroclaw (Breslau), kamen statt der erhofften drei Millionen Gäste 5,2 Millionen Besucher. Auch sonst ist das Fazit der verantwortlichen Kulturmanagerin Katarzyna Mlynczak-Sachs positiv: „Wir konnten elf Kultureinrichtungen wie Konzerthalle, Theater und Museen modernisieren oder neu errichten. Und wir haben Möglichkeiten geschaffen, dass die Bewohner selber kulturell aktiver werden. Durch die vielen Besucher sind die Bürger offener für Neues geworden und identifizieren sich mit Wroclaw viel stärker. Eine europäische Jury wird 2019 einige Bewerber aussortieren und eine so genannte Shortlist erstellen. Die Kultusministerkonferenz ernennt dann ein Jahr später die deutsche Siegerstadt.

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