Kino Autokinos: Mach dein Ding!

Coole Kulisse: das Autokino am Technikmuseum Speyer.
Coole Kulisse: das Autokino am Technikmuseum Speyer.

Autokinos sind als Relikt der 1960er Jahre völlig außer Mode gewesen. Die Corona-Beschränkungen bescheren dem Freiluft-Filmerlebnis im eigenen Wagen nun neue Popularität. Vergangenes Wochenende kamen bundesweit 80 000 Besucher. Auch in der Pfalz und Umgebung gibt es zahlreiche Initiativen. Und nicht immer geht es nur um Filme.

Fast genau 60 Jahre liegen dazwischen: Mit „Der König und ich“ eröffnete am 31. März 1960 das erste Autokino Deutschlands nahe Frankfurt. Am 8. April dieses Jahres dann startete die Anti-Coronakrisen-Autokinowelle mit „Lindenberg! Mach dein Ding“ in Düsseldorf. Seither ziehen auch so manche regionale Kinomacher, auch Theaterleute und Vereine, vor allem aber Eventveranstalter ihr Ding durch und machen öde Parkplätze zu Orten der kulturellen Gemeinschaft – wenn auch ohne direkten Kontakt dank Karosserieschutz. In Karlsruhe ging es – angestoßen von Theaterleuten – los, auch Haßloch und Pirmasens bespielten Freiluftleinwände schon vergangenes Wochenende.

Dieses Wochenende herrscht, passend zum Wetter, eine kleine Flaute: Die Pirmasenser Autokinomacher vom Verein „Lager 14“, der sonst eher Feiern in eigenen Räumlichkeiten veranstaltet, sind nach drei Autokinotagen auf dem Messplatz, mitfinanziert von einem örtlichen Geldinstitut, schon wieder fertig. Sie denken aber darüber nach, nochmals nachzulegen.

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Filme feiern statt Aprés-Ski-Partys organisieren

In Haßloch wird seit 25. April Autokino für rund 200 Fahrzeuge auf dem Parkplatz des Holidayparks angeboten, drei Mal täglich – das geht bei Tageslicht dank LED-Leinwandtechnik. Heute läuft „Angry Birds 2“, „Shaun das Schaf – Ufo-Alarm“ und „Joker“. Der Ton kommt, wie überall, übers Autoradio (falls die Batterie danach zickt, steht Starthilfe bereit). Essen und Getränke muss man sich selbst mitbringen. Veranstalter ist Sascha Veth von Veth Events aus Altlußheim mit der in Heilbronn ansässigen Eventagentur diginights GmbH, die auch dort ein Autokino betreibt, sowie einem Ludwigsburger Konzertveranstalter. Veth Events organisiert sonst große Partys, darunter Oktoberfeste, Mallorcanächte oder Après-Ski-Events.

Seit Donnerstag gibt es auch in Speyer Autokino, auf dem Gelände des Technik-Museums. Hier kann man an diesem Wochenende neben dem Musical „Bohemian Rhapsody“ oder „Die Eiskönigin II“ auch den Oscargewinner „Parasite“, eher ein Programmkinofavorit, sehen (heute um 23 Uhr). Raum ist für bis zu 140 Fahrzeuge. Tickets (als Fixpreis pro Fahrzeug) gibt es wie in allen Autokinos nur online, beim Kauf können hier aber auch Snacks wie Popcorn mitbestellt werden.

Drüben in Hessen, in Viernheim, beginnt heute wiederum das „Car-Watch-Festival Rhein-Neckar“: Neben Kino gibt es auf dem Gelände des Rhein-Neckar-Zentrums geballt Comedy: Bülent Ceylan tritt mehrfach auf, er hat sein bereits ausverkauftes Live-Programm vor ungewohnter Vierradkulisse passend „Open hAir“ genannt. Veranstalter sind die Stadt Viernheim, das Rhein-Neckar-Zentrum und das Kinopolis.

In den Startlöchern in der Pfalz stehen zudem Landau, Grünstadt, Frankenthal, Zweibrücken, die nächste Woche loslegen. In Landstuhl, Mannheim und vielleicht auch Neustadt dauert es noch ein bisschen. Denn es ist ein ungemeiner Aufwand, ein Autokinoangebot zu stemmen. Allein schon finanziell. Von sechsstelligen Summen sprechen die meisten Kinomacher.

Und nicht alle finden die Idee gut, gerade Programmkinos sind skeptisch. „Wir würden lieber unsere eigenen Kinos wieder aufmachen“, sagt Jörg Jacob von der Provinz 80 GmbH, die das Union in Kaiserslautern und das Provinzkino Enkenbach führt. Open-Air-Filme zeigen die Kinos zwar auch gern im Sommer. Aber Autokino sei „nicht, was wir unter Kino verstehen“.

Selbst Frank Noreiks, Geschäftsführer der Filmtheaterbetriebe Spickert, die das Cineplex in Neustadt, Mannheim und Bruchsal sowie das Cinemaxx in Mannheim führen, ist nicht restlos begeistert von der Autokino-Option. Die Investitionen sind hoch, sein nun von hohen Ausfällen belasteter Betrieb kann sie nicht stemmen. In Mannheim sind daher gerade Partner abseits der Kinobranche gemeinsam mit der Stadt dabei, Autokino-Angebote inklusive Live-Konzerten unter dem Titel „CARStival“ für zwei Standorte zu entwickeln: das Maimarktgelände und den Neuen Messplatz. Noreiks ist mit seiner Expertise als Kino-Programmgestalter im Gespräch. „Ob das so kommt, muss man aber schauen“, sagt er.

Passende Filme hat er zwar schon ausgesucht. Lieber würde er sie aber in seinem eigenen Haus in Mannheim zeigen, im Cinemaxx. Ein Signal stimmt ihn optimistisch: Es werde darüber gesprochen, ob man Kinos vielleicht Ende Mai wieder öffnen könnte; spricht er Vorstöße dreier Bundesländer an, darunter Baden-Württemberg. „Wir haben ein Sicherheitskonzept in der Tasche und wären einfach froh, wenn wir irgendwie wieder aufmachen könnten.“ Sollten Kinos allerdings erst wieder nach August öffnen dürfen, „wäre Autokino natürlich machbar“.

1933 erfundenes Vergnügen verbreitet „nostalgischen Charme“

In Neustadt hat er die Autokino-Initiative Michael Kaltenegger vom Roxy-Kino überlassen, der derzeit gemeinsam mit der Stadt an der Umsetzung arbeitet. Standort soll der Flugplatz Lachen-Speyerdorf sein. Los gehen könnte es vielleicht am 8. Mai, sagt Kaltenegger. Doch es sei noch vieles zu klären.

Kaltenegger sieht Autokino als eine Möglichkeit, dem Kinopublikum derzeit überhaupt ein Filmerlebnis auf großer Leinwand bieten zu können. Und das Angebot werde schließlich gut angenommen, wo es bereits laufe. „Autokino hat ja auch einen gewissen nostalgischen Charme“, meint er.

Das erste Autokino hatte 1933 in New Jersey eröffnet. Die Idee hatte auch hier kein ausgewiesener Kinomann, sondern der Sohn eines Ladenbesitzers für Autopflegemittel, der neue Kunden gewinnen wollte. In Rheinland-Pfalz hatte 1978 das Ehepaar Immel das erste Autokino eröffnet, in Ramstein-Miesenbach – nahe an der Hauptkundschaft, US-Soldaten der Air Base Ramstein. Auf 28.000 Quadratmeter Fläche, die Leinwand 36 mal 25 Meter groß. 2007 wurde dicht gemacht, das Geschäft hatte sich nicht mehr gelohnt.

Jetzt soll Ramstein ein neues Autokino bekommen, organisiert vom Broadway-Kino auf seinem Parkplatz. Ein Eröffnungstermin steht hier noch nicht fest. Kinobetreiber Ernst Pletsch sondiert noch die Kosten. Ein erstes Angebot über die vorgesehene LED-Technik sei zu teuer ausgefallen, er spricht von 200.000 Euro Gesamtkosten. Nun wolle er günstigere Varianten prüfen, etwa mit luftgefüllten Leinwänden, bei deren Beschaffung es derzeit aber Engpässe aufgrund der plötzlich gestiegenen Nachfrage gebe. Und auch Pletsch wäre es natürlich lieber, seine Kinosäle selbst wieder bespielen zu dürfen. Abstandsregelungen und Hygieneauflagen einzuhalten, sei kein Problem.

Landau, Grünstadt, Frankenthal starten am Donnerstag

Rund 200.000 Euro aufgebracht haben dagegen tatsächlich die Organisatoren des Autokinos in Landau. Am Donnerstag, 7. Mai, beginnt mit „Das perfekte Geheimnis“, „Spider-Man: Far From Home“ und „Jumanji“ der Betrieb auf dem Neuen Messplatz. Gespielt werden soll vor einer 60 Quadratmeter großen LED-Wand mit 18 Meter langer Bühne vor 260 Autos. Veranstalter sind Nadine und Alexander Kurz („Gaumenfreunde Catering“) aus Edenkoben, die Firmengruppe Gerach und die Palais Varieté Management GmbH aus Landau. Das Programm gestaltet die Filmwelt Landau. Neben Filmen soll es auch Auftritte regionaler Künstler, Lesungen oder Modeschauen geben.

Die Filmwelt Grünstadt eröffnet ihr Autokino ebenfalls am 7. Mai, zum Auftakt laufen die „Känguru-Chroniken“. Bespielt wird eine etwa 25 Quadratmeter große, sieben Meter breite LED-leinwand auf dem Gelände des Sportvereins Obersülzen (SVO). Platz ist für 100 Autos. Am Wochenende gibt es auch Vorführungen am Nachmittag. Das Projekt koste einen hohen fünfstelligen Betrag, so Oliver Lebert von der Filmwelt Grünstadt. Das Projekt solle vor allem dazu dienen, im Gespräch zu bleiben und dem Publikum Abwechslung zu bieten.

Auf drei Tage Spielzeit wird sich voraussichtlich das Autokinoangebot in Zweibrücken beschränken: Von 8. bis 10. Mai wird der Flugplatz Zweibrücken mit je zwei Filmen pro Abend bespielt, je um 21 Uhr und um Mitternacht. Am Freitag geht es mit „Pets 2“ und dem Comicstoff „Birds of Prey“ los. Falls das Angebot gut laufe, könne man aber verlängern, so Initiator Holger Staab, der auf dem Gelände sonst Tandem-Fallschirmsprünge anbietet. Bespielt wird eine aufblasbare Leinwand, die stolze 250 Quadratmeter groß sein soll. Snacks kann man mit den Tickets dazu buchen.

In Frankenthal gibt es wiederum ab 7. Mai ein Autokino auf dem Festplatz an der Benderstraße. Los geht es mit „Peter Hase“ und „Jumanji“. Hier hatte die Stadt Bewerber gesucht. Das Autokino betreiben nun die Lux-Kinos und die Agentur Eventfritze aus Frankenthal. Die Kosten für einen Monat Spielbetrieb bezifferte Lux-Kinobetreiber Christian Kaltenegger mit 150.000 Euro. Bespielt wird eine rund 100 Quadratmeter große LED-Leinwand, Platz soll für rund 240 Autos sein. Das Angebot ist das Umfangreichste der Pfalz: Wochenends gibt es bis zu vier Filme am Tag, am 8. Mai etwa auch eine Spätvorstellung um 23 Uhr mit dem Horrorfilm „A Quiet Place“. Übrigens wird, am 13. Mai, auch „Lindenberg! Mach dein Ding“ zu sehen sein.

Die aktiven Autokinos

  • Haßloch: www.autokino-hassloch.de/
  • Speyer: www.autokino-speyer.de/
  • Landau: www.zeitvertreib-pfalz.de
  • Grünstadt: www.filmwelt-gruenstadt.de
  • Zweibrücken: http://autokino-saarpfalz.de
  • Frankenthal: www.lux-kinos.de
  • Viernheim: https://car-watch-festival.de/

Raus darf man eigentlich nicht beim Autokino – nur zur Toilette: Szene auf dem Platz des Autokinos Speyer am Technikmuseum.
Raus darf man eigentlich nicht beim Autokino – nur zur Toilette: Szene auf dem Platz des Autokinos Speyer am Technikmuseum.
In Haßloch gibt es Autokino auf dem Gelände des Holidayparks.
In Haßloch gibt es Autokino auf dem Gelände des Holidayparks.
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