Kultur 50 Zeilen Nachlese: Vertreibung aus dem Paradies der Kindheit

In Deutschland haben wir Hermann Hesse. Niemand, außer vielleicht Robert Musil in seinen „Verwirrungen des Zöglings Törleß“, hat so einfühlsam, treffend, ja fast schon authentisch diese schwierige Überfahrt des jungen Menschen, eigentlich ja nur des jungen Mannes, aus dem Reich der Kindheit in das Land der Erwachsenen geschildert wie Hermann Hesse. „Unterm Rad“ oder „Demian“ mögen Beispiele genug sein. Pubertätsliteratur, die man lange nicht vergisst. Eigentlich sein Leben lang nicht. Der französische Hermann Hesse heißt Henri Alain-Fournier. Sein, man kann das so sagen, Kultbuch hat den Titel „Der große Meaulnes“ (als Taschenbuch bei dtv, 252 Seiten, 11,90 Euro). 1913 ist der Roman erschienen, ein Jahr später starb der 1886 geborene Autor auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs. Und sein Buch ist dennoch ein europäisches, beschreibt eine Stimmung, die in ganz Europa virulent war. Es hieß, Abschied zu nehmen von der Jugend. Und man verabschiedete sich zugleich von einem ganzen Jahrhundert. Die Jugend Europas begehrte auf, und stürzte sich kopfüber in die Schützengräben von Verdun. Erzählt wird eine romantische Liebesgeschichte mit unschönem Ausgang. Und eine Freundschaftsgeschichte. Zwischen dem Erzähler und der Titelfigur, Augustin Meaulnes. Der taucht eines Tages in der Dorfschule des Erzählers auf, wird zum Helden der Landjugend, als er einfach verschwindet, und schließlich zum Opfer eines bösen Schicksals. Die Liebe seines Lebens verliert er, weil er einer Schimäre nachrennt. Es ist auch ein Abenteuerroman, ein Ritterroman, nur leider fehlt dem Ganzen das Happy End. Die Vertreibung aus dem Paradies der Jugend ist dann eben doch eine mehr als schmerzhafte Angelegenheit.

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