Sport Heidi Mohr gestorben: Der stille Star von Niederkirchen

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Die ehemalige Fußball-Nationalspielerin Heidi Mohr ist im Alter von 51 Jahren in Weinheim nach schwerer Krankheit verstorben. Mit dem TuS Niederkirchen feierte die Stürmerin 1993 den deutschen Meistertitel. In der Pfalz ist und bleibt sie unvergessen.

Mir ist sie als fröhlicher und witziger Mensch in Erinnerung. Um es klar zu stellen: Ihre Zeiten als Fußballerin habe ich nicht erlebt. Schade, dass ich erst zur RHEINPFALZ kam, als die glorreichen Niederkirchener Jahre schon vorbei waren. Den schmerzhaften Abschied des TuS, für den sie viele Jahre spielte, aus der Bundesliga habe ich noch mitbekommen. Aber 1993 im Limburgerhof, das Endspiel um die deutsche Meisterschaft gegen den übergroßen TSV Siegen, das Niederkirchen mit 2:1 für sich entschied. Nein, die Heidi-Mohr-Gala habe ich leider nicht gesehen.

Tore schießen und schweigen

Ich habe Heidi Mohr später kennengelernt. Erst mal haben wir telefoniert. Ich sollte über die ehemalige Super-Stürmerin schreiben, wurde aber gewarnt, dass sie nix sagt. Von wegen. Wir haben ewig lange gesprochen, ich habe ihr Löcher in den Bauch gefragt. Und das mit dem Nichtreden war auch schnell geklärt. Heidi Mohr hatte sich lange dafür geschämt, Dialekt zu sprechen. Also hat sie Tore geschossen – und geschwiegen. Als Kurpfälzerin habe ich ihre Sprache gesprochen. Und so war das Eis innerhalb von Sekunden gebrochen. Und was habe ich entdeckt? Einen sehr freundlichen und humorvollen Menschen, der in seiner Bescheidenheit eben auch nicht viel Aufhebens um die eigene Person machen wollte. Das Gespräch endete jedenfalls erst, als sie dann irgendwann meinte: „Ich muss jetzt mal mit dem Hund raus.“ Gut, geh du mal Gassi, bis bald mal bei einem Länderspiel oder wir telefonieren wieder.

Fernsehen reicht

Heidi Mohr bei einem Länderspiel zu treffen, das war eine äußerst komplizierte Angelegenheit. Sie wusste nicht so richtig, was sie da sollte. Interessiert hat es die Europameisterin von 1989 und 1991 schon, wie sich die Frauen-Nationalmannschaft bei Turnieren schlägt. Aber es hat ihr gereicht, die wichtigen Spiele im Fernsehen zu verfolgen. Nur einmal ist sie bei einem Länderspiel in Frankfurt gewesen, bei dem wir uns dann getroffen und einfach nur ein bisschen geredet haben. Das war es aber schon. Ins Auto setzen und stundenlang irgendwohin fahren, nur um dabei zu sein? Das war nicht ihr Ding.

Entscheidung zwischen Hand- und Fußball

Als sie zum ersten Mal in Sachen Fußball im Auto saß und von ihren Eltern zum Training gefahren wurde, liefen die Tränen. „Ich war so ein Kind, das gar nichts machen wollte“, erzählte sie. Mit 15 wurde sie beim SV Unterflockenbach angemeldet. „Auf der Fahrt dorthin habe ich im Auto geheult, weil ich nicht wollte.“ Dabei traf es sie doppelt hart, denn als Jugendliche spielte sie auch noch Handball. Bald musste sie sich entscheiden, denn samstags Handball und sonntags Fußball wurde zuviel. Weil sie in der Handball-Auswahl nicht zum Zuge kam, fiel die Wahl für die Rechtshänderin, die auch ein Rechtsfuß war, auf Fußball. Über den SV Laudenbach führte der Weg der talentierten Spielerin 1990 zum TuS Niederkirchen.

Sieben Tore gegen Praunheim

Der war für sie erste Wahl, weil er in die neue, zweigleisige Bundesliga aufstieg. Hätte Karlsruhe den Sprung nach oben geschafft, wäre sie dorthin gegangen. So aber wurde Heidi Mohr zur überragenden Spitze des Pfälzer Dorfvereins, für den sie in der ersten Saison 36 Treffer erzielte und damit zur ersten Bundesliga-Torschützenkönigin wurde (1991). Bis heute hält sie aus dieser Zeit auch einen Rekord. Am 3. März 1991 erzielte sie sieben Tore im Spiel gegen die SG Praunheim. Auf die Kanone war sie abonniert. Fünfmal in Folge war Heidi Mohr die beste Stürmerin (1991 - 1995). 1996 wurde sie von der damals 18-jährigen Sandra Smisek (FSV Frankfurt) abgelöst, die 29 Treffer erzielte. Den Rekord von 38 Toren in einer Saison stellte die damals 21-Jährige Inka Grings (FCR Duisburg) im Jahr 2000 auf.

"Mit dem Ball schneller als andere ohne"

Niederkirchen war auch deshalb für die heimatverbundene Heidi Mohr eine gute Adresse, weil sie keinen Führerschein hatte. Bei vier Brüdern und zwei Schwestern war fast immer jemand da, der sie fahren konnte. Oder sie wurde von Mitspielerinnen mitgenommen, wie beispielsweise von der Dossenheimerin Claudia Obermeier. Im Verein hat sie sich wohlgefühlt. „Heidi war das Beste, was ich jemals im Frauen-Fußball gesehen habe“, sagte der damalige TuS-Vorsitzende Franz Schalk über den zurückhaltenden Lockenkopf. „Sie war mit dem Ball schneller als andere ohne.“ Doch abseits des Platzes war nicht viel mit Heidi Mohr anzufangen. Weil sie so still war, „haben sie mir bei der Baden-Auswahl mal ein Tagebuch geschenkt. Da sollte ich reinschreiben, was ich denke“, erzählte sie und hat mit so vielen Jahren Abstand darüber herzlich gelacht.

Europameisterin 1989 im eigenen Land

In den Anfangsjahren hat der Frauen-Fußball um Anerkennung gekämpft. Der Beitrag von Heidi Mohr beschränkte sich dabei auf rein sportliche Beiträge. Auf das Kaffeeservice angesprochen, das es zum erstem EM-Titel gab, sagte sie nur trocken: „Es waren früher alle gegen Frauen-Fußball.“ Umso besser, dass es 1989 bei der ersten EM-Teilnahme gleich mit dem Titel geklappt hat. In Osnabrück setzte die Mannschaft von Bundestrainer Gero Bisanz sich am 2. Juli gegen die favorisierten Norwegerinnen mit 4:1 (2:0) durch. Es war der Beginn einer außergewöhnlichen Erfolgsgeschichte. Im Finale brachte Uschi Lohn die Mannschaft mit zwei Toren in Front (22., 36. Minute), Heidi Mohr traf zum vorentscheidenden 3:0 (45.) und die eingewechselte Angelika Fehrmann stellte im Stadion an der Bremer Brücke den 4:1-Endstand her (73.). Auf die EM angesprochen erinnerte Heidi Mohr sich aber vor allem an das Halbfinale, in dem es einen 4:3-Erfolg nach Elfmeterschießen über Italien gab. Den entscheidenden Elfmeter hatte nicht die Stürmerin verwandelt, sondern Torhüterin Marion Isbert.

"Heute würde ich mehr feiern"

Der Triumph im eigenen Land war überwältigend für die Mannschaft, Gänsehaut pur. Und dann ging es auch noch ins Aktuelle Sportstudio für die Damen. „Ich sehe mich noch hinten im Bus sitzen. Wir haben es gar nicht kapiert“, erzählte Heidi Mohr, die noch tagelang Gänsehaut hatte. „Es war wie mit Niederkirchen – als wir deutscher Meister geworden sind“, sagte sie und meinte: „Heute würde ich mehr feiern.“ Aber damals war „ich schüchtern. Das glaubt mir heute keiner mehr.“ Mit der Nationalmannschaft in der Welt und bis nach China herumgekommen zu sein, war für Heidi Mohr eher Last als Lust. Niederkirchen war für sie in Ordnung. „Ich bin zehn Jahre lang da rüber gefahren.“ Ein Jahr lang spielte sie zwischenzeitlich auch für den TuS Ahrbach (1994/95). Das waren von Weinheim aus 160 Kilometer einfach. Daher hat sie es rückblickend auch bereut. Der Abschied aus der Nationalmannschaft, für die sie 83 Tore in 104 Spielen erzielte, war für die 29-jährige Heidi Mohr, die Tore wie am Fließband geschossen hatte, schmerzhaft. Als der Stern der jungen Birgit Prinz aufging, wurde Heidi Mohr nicht mehr gebraucht. Heidi Mohr hatte ihre Schuldigkeit getan. Einen deutschen Meister im Frauen-Fußball aus der Pfalz hat es nur einmal gegeben – dank der Tore von Hedi Mohr. Am 20. Juni 1993 hatte Silvia Neid den Favoriten Siegen mit 1:0 im Limburgerhof in Führung gebracht (24.). Heidi Mohr verwandelte einen Handelfmeter (42.) und schoss in der Verlängerung das Siegtor.

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