Sport KOMMENTAR: Gefährlicher Minimalismus

Die deutsche Mannschaft ist bei der EM in Frankreich gerade so auf Kurs. Sie überzeugt aber (noch) nicht.

Das 0:0 gegen Polen im Stade de France war ein großes Fest: für den Gegner. Die polnischen Fans haben lauter gesungen und ihr Team doppelt und dreimal so viel angefeuert wie die schwarz-rot-goldenen Anhänger ihre Jungs. Das hat mit Erwartungshaltungen zu tun. Wer Weltmeister ist, der muss höchsten Ansprüchen gerecht werden und ist deshalb der große Gejagte des Turniers. Die Polen gehören der besseren der beiden Verfolgergruppen an. Es gibt die, die mit einer sehr guten Leistung gegen die Topteams im Turnier gewinnen können und andere, für die am Ende das Dabeisein alles gewesen sein wird. Doch auch die sind schon lange keine Frikadellen mehr, sie haben zu Schnitzel und Filetsteak aufgeschlossen. Das Problem der deutschen Mannschaft liegt auf der Hand: Sie schießt kaum Tore. Als gegen Polen in der EM-Qualifikation ein Sieg her musste, der gleichzeitig eine Revanche für die 0:2-Niederlage in Warschau war, hat es doch geklappt. Thomas Müller und Mario Götze mit zwei Treffern haben das 3:1 klar gemacht. Nun hat das Muss nicht mitgespielt. Der Minimalismus, der seit der WM in Brasilien herrscht, wird weiter gepflegt. Das ist gefährlich. Nach der Nullnummer steht die Offensive am Pranger. Zu Recht. Andererseits hatte es „högschde“ Priorität, kein Gegentor zuzulassen. Die Abwehrleistung war sehr gut. Mats Hummels hat bestens ins Turnier gefunden. Und so weiß die Konkurrenz, dass die deutsche Innenverteidigung mit Jérôme Boateng und Hummels – das künftige Bayern-Bollwerk – steht. Das Trio Neuer-Boateng-Hummels zu knacken, wird für alle, die nun kommen, eine sehr schwere Aufgabe. Denn auch der Torhüter ist in der Auftaktpartie gegen die Ukraine warm geschossen worden für die fußballerische Tour de France, bei der bisher alles nach Plan läuft, allerdings mit Müh und Not.

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