Sport Die Wochenend-Kolumne: Ich bin der Meinung, ...

...dass die deutsche Elf sich mit brotloser Kunst ein Bein stellte

Irgendwann ist mit dem Durchmogeln dann halt Schluss. Nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft erst mal die Flügel hängen lassen. Der Triumph in dem unglaublich engen Endspiel über Argentinien, dieses Wahnsinns-Halbfinale gegen die Gastgeber, das triumphale 7:1, damit hat die Mannschaft sich weltweit unglaublich viel Respekt verschafft. Nun hat es im EM-Turnier die erste Möglichkeit gegeben, diesen Titel mit einem neuen Titel zu bestätigen. Es war das erklärte Ziel, als erste deutsche Weltmeister-Mannschaft auch bei der darauf folgenden EM zu gewinnen. Aber dieser Traum ist nun geplatzt. Die 0:2-Niederlage gegen Frankreich war unglücklich und doch auch keine ganz große Überraschung, weil im deutschen Sturm Flaute herrscht. Miro Klose ist auch zwei Jahre nach seinem Abschied nicht ersetzt. Nach der WM in Brasilien war die Luft raus. Aber der Versuch, den Ballon wieder richtig prall zu bekommen, der ist nicht vollständig geglückt. Vielleicht hat’s in Brasilien geklappt, weil so viele erfahrene Spieler gemeinsam auf dem Platz standen – nach dem Motto: im richtigen Moment die richtige Elf am richtigen Ort. Nach den Rücktritten von Miroslav Klose, Philipp Lahm und Per Mertesacker ist immer noch sehr viel Qualität vorhanden. Aber scheinbar sind es dann doch nicht genug absolute Spitzenleute, zumal wenn es schwerwiegende Ausfälle zu kompensieren gilt. Für den Weltmeister kann es bei einer EM nur darum gehen, auch den Titel zu holen. Und den hat die Mannschaft verpasst, weil ihr das fehlt, was Frankreich gereicht hat, um die deutsche Elf zu schlagen: ein klasse Stürmer. Ein Angreifer der Kategorie Klose ist weit und breit nicht in Sicht. Mario Gomez hat seine Sache gut gemacht, weil er sich weiterentwickelt hat, sich besser bewegt und im Strafraum für Gegner auch ein echter Schrecken ist. Aber erst durfte er nicht – und nun hat er im Halbfinale verletzt zuschauen müssen. Er war nicht das Problem. Dem Erfolg hat sicher auch geschadet, dass über Bastian Schweinsteiger ein beständiges Fragezeichen schwebte. Natürlich wollte er bei der EM unbedingt dabei sind, weil er der Kopf und Leader des Teams ist. Lange genug hatte er sich hinter Lahm anstellen müssen. Nun will er die Mannschaft führen und genießt seine Position auch. Aber einen Leitwolf dabei zu haben, der sich im Turnier erst in Form spielen muss, das ist alles andere als ideal. Insgesamt hatte die Mannschaft mit Verletzungen Pech. Sie haben ja auch ausgereicht, um selbst ein so eingespieltes Team wie das deutsche, aus dem Lot zu bringen. Spielerisch hat der Weltmeister alles in allem Wort gehalten und auch überzeugt. Frankreich schien schon auf dem Rücken zu liegen, doch „Les Bleus“ haben sich aus der Umklammerung lösen können und die Schönspieler ganz cool geschultert. Die nächste Weltmeisterschaft ist 2018 in Russland. Nun sind also wieder zwei Jahre Zeit für „Jogi“ Löw an der Mannschaft zu feilen. Er hat die mangelnde Durchschlagskraft als Problemchen abgetan. Und als Medienthema. So nach dem Motto, ja ja, über irgendwas muss ja geschrieben werden. Mal die Innenverteidigung, mal die Außenverteidiger und jetzt eben den Sturm. Die Argumente aber lassen sich nicht so leicht vom Tisch wischen. Die spielerischen Züge sind klasse. Und natürlich sind dafür Spieler gefragt, die sehr ballsicher sind und in engsten Räumen klarkommen. Die EM hat aber gezeigt, dass ein klassischer Mittelstürmer auch dem Weltmeister nicht schadet. Denn Mario Gomez darf nach dem Turnier auf die Schulter geklopft werden. Falsche Neun, klassische Neun, am Ende gar keine Neun – mit brotloser Kunst, sprich endlosem Ballbesitzfußball, spielte sich die deutsche Mannschaft am Donnerstag selbst aus dem Turnier.

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