Sport Wenn die Liebe Flügel verleiht

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Der Finaltag der WM in Peking war perfekt inszeniert. In der Zielkurve lief das Frauen-Speerwerfen, in der Startkurve der Männer-Hochsprung. In beiden lagen chinesische Athleten aussichtsreich im Medaillenrennen. Und auf der Laufbahn setzten die 4x400-m-Männer der USA den goldenen Schlusspunkt der WM, mussten aber Kenia und Jamaika im Medaillenspiegel noch vorbeilassen.

Fast hätten die Viertelmeiler der USA auch den vierten Staffeltitel an Jamaika abtreten müssen: Als sich nämlich Javon Francis auf der Gegengeraden anschickte, den großen LaShawn Merritt anzugreifen und sogar, scheinbar locker, zu überholen. Doch Francis hatte sich überschätzt, die Staffel aus der Karibik wurde noch von Trinidad and Tobago sowie von Großbritannien abgefangen. LaShawn Merritt aber lief stolz und erhaben Gold entgegen. Das war den Amerikanern Balsam auf die wunde Seele. Die beiden Sprintstaffeln hatten sie am Samstag verloren und auch die Frauenstaffel über vier Stadionrunden. Dabei war Francena McCorory auf bestem Wege zum Titel, als ihre Kräfte sie auf der Zielgeraden verließen und die Jamaikanerin Novlene Williams-Mills sich Schritt für Schritt heranbiss und vorbeiging. Der sogenannte „Sweep“ gelang bis zum Abschlusstag nur den kenianischen Hindernisläufern. Gestern machten es ihnen die 5000-m-Läuferinnen aus Äthiopien nach. Alle drei standen auf dem Treppchen. Nach einem denkwürdigen Rennen. Nicht nur, dass noch nie eine Läuferin bei einer WM so schnell lief wie Almaz Ayana – 14:26,83 Minuten. Ihr gelang die Zeit im Alleingang. „Ich musste gewinnen, ich war die Favoritin. Ich danke meinem Ehemann, der so hart mit mir trainiert hat. Er liebt mich, er machte diesen Erfolg möglich“, sagte Ayana. Überraschend fing Senbere Teferi die 1500-m-Weltmeisterin Genzebe Dibaba noch ab und wurde in 14:44,07 Minuten Zweite. „Ich bin nicht enttäuscht, denn nach dem 1500-m-Titel verletzte ich mich, ich hatte große Schmerzen“, gestand Dibaba. Ganz anders die 1500 Meter. Viel enger, viel spannender. Aber auch hier hatte der Favorit die Nase vorne: der Olympiasieger von 2008 und der Weltmeister von 2011 und 2013, der Kenianer Asbel Kiprop, dem beim Golden-League-Meeting in Monaco fast schon der ganz große Coup gelungen wäre. Bis auf 69 Hundertstelsekunden war er an den 17 Jahre alten Weltrekord von Hicham El Guerrouj herangelaufen, der bei 3:26,00 Minuten steht. Das Sekundenspiel gestern sah ganz anders aus: Fünf Läufer lagen nur 41 Hundertstel auseinander. In der Zielkurve führten noch die Nordafrikaner Abdalaati Iguider (Marokko, am Ende Dritter) und Taoufik Makhloufi (Algerien, am Ende Vierter). Aber einmal mehr hatten die Kenianer die größte Endgeschwindigkeit. Hinter Kiprop kam der erst 21-jährige Elijah Manangoi als Zweiter ins Ziel. Zwei Stunden dauerte der Hochsprung der Männer. Nach Stabhochspringer Shawn Barber holte Derek Drouin (25) die zweite Goldmedaille nach Kanada. Und das kam so: Bei 2,33 Metern, der Deutsche Eike Onnen war bei 2,25 Metern ausgeschieden und wurde Zwölfter, sprangen noch vier Athleten mit. Überraschend lag Mutaz Essa Barshim, Hallen-Weltmeister 2014 und mit 2,41 Metern der Jahresbeste, nur auf Platz vier, weil er die 2,29 Meter erst im zweiten Versuch schaffte. Ein Leichtsinnsfehler, der aber andeutete, dass er nicht in bester Form ist. Wenn er die 2,36 Meter nicht springt, fliegt er ohne Medaille heim, das wusste er. Aber keiner sprang die 2,36 Meter. Die Springer lagen jetzt gleichauf. Der Weltverband hat für solch einen Fall ein Stechen eingeführt. Drouin, der Ukrainer Bohdan Bondarenko und der Chinese Zhang Gouwei rissen jeweils auch den vierten Versuch, also sagt die Regel: zurück auf 2,34 Meter. Hier flog der Kanadier als Erster und Einziger im ersten Versuch drüber. „Ich hoffte auf den Titel, aber hoffen und das Ding dann auch machen, sind zwei verschiedene Dinge. Das war wirklich ein nervenaufreibender Wettkampf“, sagte Drouin. (ku)

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