Donnersbergkreis Wenn die Hexen Wegzoll einsammeln

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Weitersweiler: Die Weitschwiller Dunnerhexe waren gestern unterwegs, um von Autofahrern Spenden für den Spiel- und Mehrgenerationenplatz zu sammeln.

Autos halten plötzlich mitten auf der Straße an. Sie zögern, entscheiden sich für ein unerwartetes Wendemanöver oder tasten sich in Schrittgeschwindigkeit vor bis zur Hexenblockade. Ein schrilles „sau gut“ tönt von der Fahrbahn der Hauptstraße ortseinwärts herüber, triumphierend hält Hexe Fatima Bounaas einen 20 Euro-Schein in die Luft, der gleich darauf in der Sammelbüchse verschwindet. Dann fährt der Volvo mit Kirchheimbolander Nummernschild auch schon wieder seiner Wege. Ob der Fahrer einen Kugelschreiber, einen Eiskratzer oder einen Einkaufswagen-Chip aus dem Körbchen genommen hat, um beim Rückweg beweisen zu können, dass er bereits Wegezoll gespendet hatte, ist nicht auszumachen. Jedenfalls fährt er nach einem solch überwältigenden Hexen-Freudenschrei mit einem Lächeln davon – wie so viele Fahrer an diesem Morgen. Ein Betrag von 20 Euro werde immer wieder mal gespendet, sei aber nicht die Regel, berichtet Fatima Bounaas, die nicht nur Erste Beigeordnete der Gemeinde Weitersweiler ist, sondern irgendwie auch Oberhexe – auch, wenn es eine solche bei den 16 Weitschwiller Dunnerhexe formal gar nicht gibt. „Die Leute geben ganz unterschiedlich, von 10 Cent bis 20 Euro ist alles dabei“, sagt Bounaas. Seit fünf Jahren sammeln die Weitschwiller Dunnerhexe’ – Frauen im Alter von 27 bis 73 Jahren – bei Wind und Wetter Spendengeld von Autofahrern, das vor allem den Kindern im Dorf zu Gute kommt: Eine Seilbahn für den Spielplatz, ein Basketballkorb für den Mehrgenerationenplatz und Spielgeräte für die Kindersportgruppe wurden von den Hexen schon angeschafft. Über den konkreten Zweck für die diesjährige Sammelaktion beraten sie noch. Bürgermeister Armin Göbel hat aber schon eine Vermutung: „Auf dem Mehrgenerationenplatz soll ein Schachfeld von vier mal vier Metern entstehen. Dafür braucht es noch Spielfiguren.“ Ob das Geld reichen wird? Um 7.30 Uhr haben die Hexen mit dem Sammeln angefangen, weiter machen wollen sie bis in den Feierabend hinein – dann seien viele spendenfreudiger. Am Morgen geben die meisten kleine Beträge: Ein UPS-Fahrer etwa 1,30 Euro. Erklären müssen ihm die Frauen die Aktion nicht – er fahre die Route schon lange und kenne den Brauch. Er grinst und fährt weiter. Die Männer von der Müllabfuhr strecken schon beim Heranfahren den Arm aus dem Fenster, geben 50 Cent. Eine VW-Beetle-Fahrerin erzählt, dass sie extra beim Bäcker Brötchen gekauft habe, um Kleingeld für die Hexen zu haben. Und eine BMW-Fahrerin, die auf dem Weg zum Arzt ist, spendet fünf Euro. „Mehrere hundert Euro kommen so jedes Jahr zusammen“, berichtet Bounaas. Das ist wenig verwunderlich, denn auf Autos müssen die Hexen an diesem Morgen wirklich nicht lange warten. Fast im Minutentakt kommen Fahrzeuge vorbei. „Bis zu 10.000 Autos an einem Tag wurden bei einer Verkehrszählung vor etwa fünf Jahren gezählt“, so erinnert sich Bürgermeister Göbel. Ob es gestern nun ganz so viele waren, ist nicht bekannt. Aber es waren viele Autos. Da fällt auch die Minderheit der Fahrer nicht so sehr ins Gewicht, die sich angesichts des Hexentreibens entschieden, die Kurve zu kratzen. Zweierlei Kurven-Kratzer lassen sich unterscheiden: Die, die ortsauswärts unterwegs sind und an der 30 Meter entfernten Kreuzung schnell den Rückwärtsgang einlegen, um eine Parallelstraße zu nutzen. Für dieses Manöver haben die Hexen nur ein müdes Lächeln übrig. Anders bei den Lasst-mich-in-Ruhe-Rasern: eben solchen Fahrern, die wohl durch eine aggressive Fahrweise und hohes Tempo ihre Ablehnung signalisieren wollen. „Manche von denen sind echt bös’“, so kommentiert Hexe Yasmina dieses Verhalten. Die 28-jährige Weitersweilerin hat sich – wie viele aus der Gruppe – extra einen Tag Urlaub für die Sammelaktion genommen. „Es ist ja okay, wenn jemand nichts geben will. Aber man muss doch nicht so durchrasen.“ Etwas mehr Gelassenheit würde auch den Rasern selbst gut tun. Immerhin fahren andere, die kurz anhalten, obwohl sie nichts geben wollen, mit einem Lachen davon. Etwa ein tschechischer Lastwagenfahrer, der vorgibt nichts zu verstehen. Als Hexe Bounaas vorschlägt, sie nehme auch Bankkarten, kann er sich das Lachen aber nicht verkneifen. Auch eine Polizeistreife gerät in die Hexen-Kontrolle – und will einfach nicht auf den Vorschlag eingehen, zumindest etwas beschlagnahmtes Geld zu spenden.

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