Rhein-Pfalz Kreis „Ersatzpapa“ in Chile

Schifferstadt. „Ich wollte weg und mal was ganz anderes machen, das aber auch sinnvoll sein sollte“, sagt der Schifferstadter Martin Laun. Und so ist er nach Chile gegangen und hat dort ein Jahr lang in einem Kinderheim gearbeitet. Zurück kam er mit vielen Erlebnissen und gemeisterten Herausforderungen, die ihn als Mensch und auch seinen Charakter geprägt haben.

Das Abitur am Gymnasium am Kaiserdom in Speyer war geschafft, und wie viele andere Absolventen wollte auch Martin Laun die Freiheit nutzen und im Ausland etwas Neues sehen. Laun, Jahrgang 1993, wollte aber nicht bloß eine große Reise machen. „Ich wollte etwas finden, bei dem ich mich wirklich einbringen kann“, erklärt er. Mit Kindern und Jugendlichen hatte er schon in der protestantischen Gemeinde gearbeitet. In Speyer hat der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) ein Büro, das Freiwilligendienste im Ausland vermittelt und organisiert. Möglichkeiten gab es in Peru, Ghana und Chile. Die Stelle in Chile fand Laun am interessantesten. Wie er berichtet, kümmert sich der BDKJ sorgfältig um die Bewerber. Schließlich sind die jungen Leute ein Jahr lang von Familie und Freunden in ihrer Heimat getrennt. „Eine gewisse Belastbarkeit sollte man schon haben, ebenso auch ein kulturelles und politisches Interesse“, erklärt Laun. Las Parras heißt ein Kinderheim in Chile, das der im pfälzischen Niederkirchen ansässige Verein Casa Esperanza unterhält. Dort wollte der junge Freiwillige ein Jahr verbringen. Zur Vorbereitung habe der BDKJ ein Wochenend- und ein Zehn-Tage-Seminar angeboten. Dort werden die Freiwilligen auf ihre Aufgaben vorbereitet und auf die andere Kultur ihres Gastlandes eingestimmt. Im August 2013 sollte es für Martin Laun losgehen in Richtung Südamerika. Das Kinderheim liegt bei Valdivia, einer Stadt im Süden Chiles mit rund 160.000 Einwohnern und 15 Kilometer vom Ufer des Pazifik entfernt. Das Heim ist für Kinder aus armen Familien, die häusliche Gewalt erfahren haben. „Die Verhältnisse sind sehr beengt, und es kommt oft zu Gewalt und Misshandlung“, berichtet Laun. Es gebe dort Kinder, die von der Mutter zur Prostitution gezwungen wurden, oder die vom Vater missbraucht worden seien. Alle Kinder in Las Parras seien auf Anordnung der staatlichen Behörden dort untergebracht, um sie aus ihrem negativen Umfeld herauszuholen. Ziel des Heimes sei es, die Kinder auf ein selbstständiges Leben vorzubereiten. Sie sollen für sich selbst sorgen können und im Zusammenleben mit anderen umgänglich und verträglich sein. Besonders wichtig sei das Aufbauen vertrauensvoller Beziehungen – was nach Gewalterlebnissen besonders behutsam geschehen müsse. Im Heim leben derzeit zwölf Kinder im Alter von vier bis 19 Jahren. Diese Art von Zusammenleben fördere die gegenseitige Rücksichtnahme und auch das Übernehmen von Verantwortung, etwa wenn ältere Kinder sich um die Jüngeren kümmern. Während in den schlecht ausgestatteten staatlichen Heimen Kriminalität, Drogen und Prostitution häufig seien, gebe es damit in Las Parras keine Probleme. Das Heim liege auf einem größeren Anwesen, wo es immer etwas zu tun gebe, berichtet der Schifferstadter. Dort werden Schweine und Hühner gehalten, die versorgt werden müssen. Zu Launs Aufgaben gehörte auch, morgens in aller Frühe Feuer zu machen. Als junger Mann fand sich Laun in der erst noch ungewohnten Rolle, für viele Kinder ein „Ersatzpapa“ zu werden. Ungewohnt waren anfangs auch die vielen Streiche, die dort aber nichts Besonderes seien. So haben ihm die Kinder mal unbemerkt die Ärmel seiner Jacke zugenäht. Die Kinder helfen bei den Arbeiten mit. Sie lernen, Aufgaben zu Ende zu bringen, Verantwortung zu übernehmen und auch, sich gegenseitig zu helfen. Dabei gehe es aber immer auch sehr spielerisch zu. Das Zusammenleben sei sehr familiär, erklärt Laun. Auch das Vertrauen im Team, das Gefühl, sich aufeinander verlassen zu können, hat bei Laun bleibenden Eindruck hinterlassen. Der Abschied nach einem Jahr sei nicht leicht gewesen. „Ich bin selbstbewusster und eigenständiger geworden“, sagt er heute. Vieles in der Heimat sehe er jetzt auch mit anderen Augen – zum Beispiel, dass man hier nicht um 6 Uhr morgens Feuerholz holen und anzünden muss.

x