Ludwigshafen Bahnfahrer kehren zögerlich zurück

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Die Samstagsreportage: Seit gestern Morgen fahren die Straßenbahnen an der Haltestelle Berliner Platz wieder ihre übliche Route. Die Bahnsteige sind jedoch wegen der anhaltenden Arbeiten bisher nur zum Teil begehbar. Nur jeweils eine Bahn kann am Bahnsteig halten. Wir haben uns ein Bild vor Ort gemacht.

Ein ungewohntes Bild bietet sich im Zentrum von Ludwigshafen: Am sonst überbevölkerten Verkehrsknotenpunkt der Bus- und Bahnlinien am Berliner Platz stehen am Freitagmorgen nur vereinzelt Leute, die auf ihre Bahnen warten. Die Nachricht, dass die drei Linien 4, 7 und 8 wieder ihre alte Route über den Berliner Platz nehmen können, scheint noch nicht alle erreicht zu haben. In letzter Minute erfährt es Thorsten Neumann, der gestresst auf den Bahnsteig rennt. Noch eine Minute, bis seine Bahn abfährt. Aus lauter Gewohnheit sei er zuerst zur Ersatzhaltestelle in der Kaiser-Wilhelm-Straße gelaufen, erzählt er. Zehn Minuten habe er dort gewartet, „bis ich gemerkt habe, dass keine Bahn kommt“. Heidemarie Reis weiß zwar, wie die Bahnen fahren, dennoch ist die Haltestelle eine Enttäuschung für sie: „Schlecht, wie früher auch“, beschwert sich die 75-Jährige darüber, dass man nicht gleich auch die Schienen erneuert hat. Mit ihrem Rollator bleibe sie daran immer hängen. „Da werden sich noch mehr Leute beschweren“, ist sie sich sicher. Unterdessen hofft Udo Klein, dass ihm das Service-Personal weiterhilft. Er ist nämlich auf der Suche nach dem 76er-Bus nach Maudach, der noch nicht an seinem regulären Platz abfährt. Schließlich wird er mit einer Geste Richtung Absperrung verwiesen. Skeptisch macht er sich auf den Weg , und tatsächlich: Hier, wo hinter dem Zaun Arbeiter auf Hebebühnen die Glasplatten an der Haltestellen-Überdachung montieren, findet er die erhoffte Ersatzhaltestelle. Gerald und Erna Kenzler warten schon einige Zeit auf den Bus nach Maudach. Sie werfen letzte Blicke auf die „Tortenschachtel“-Ruine, an der am Abend ein Bauzaun mit Stadtmotiven enthüllt wird. Gerald Kenzler hat kein Verständnis für den Abriss des „Kulturdenkmals“. Skeptisch steht er auch dem geplanten Geschäftshaus gegenüber und wagt einen Ausblick: „In der Innenstadt stehen so viele Läden leer, da werden die Leerstände hier kaum auffallen.“ Tatsächlich tut man sich an diesem Morgen schwer, unter der aufsteigenden Staubwolke über der „Tortenschachtel“-Ruine und dem immer noch andauernden Abriss-Lärm ein modernes Kauf- und Bürohaus zu erahnen. Die zwar unfertige, aber immerhin penibel gefegte Haltestelle nebenan kommt jedoch bei einigen Fahrgästen gut an. „Da haben sie sich wirklich Mühe gegeben“, lobt Winfried Braun, der etwa einmal in der Woche von der Gartenstadt zum Einkaufen in die Innenstadt fährt. „Die Ersatzhaltestelle war direkt vor unserer Haustür, das war schon praktisch“, schwärmt Sandra Frey, die mit ihren Söhnen Tim (8) und Ben (6) unterwegs ist. „Aber die neue Haltestelle ist viel schöner“, findet ihr Sohn Tim. Etwas abseits steht ein Großraumtaxi. Der Fahrer hat gerade Zeit, sich ausgiebig in der Morgensonne zu wärmen. „Während des Umbaus hatten wir viel zu tun“, erzählt der 38-Jährige. Jetzt muss er wohl auf verwirrte Bahnfahrer hoffen, die den letzten Ausweg im Taxi sehen. So ganz traut auch Rainer Kühn dem Bahnverkehr noch nicht über den Weg, weshalb er sich heute wieder auf sein Fahrrad geschwungen hat. „Normal sind hier um die Uhrzeit viel mehr Leute. Wenn die alle da wären, hätten die hier ein größeres Problem“, meint der 52-Jährige. Aber das kann ihm jetzt erst einmal egal sein, denn er will erst im Winter wieder mit der Bahn zur Arbeit fahren.

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