Kultur Fürstliche Traumpaare

Gestern in Berlin im Bundeskanzleramt, heute in Heidelberg – nicht auf dem Schloss – erwartet: Prinz William und Herzogin Kate.
Gestern in Berlin im Bundeskanzleramt, heute in Heidelberg – nicht auf dem Schloss – erwartet: Prinz William und Herzogin Kate. Verpassen werden sie auch die Schlossfestspiel-Aufführung von »Kiss Me, Kate« heute Abend.

Von wegen Brexit! Wenn Kate und William im Verlauf ihrer Deutschland-Reise heute in der Kurpfalz ein ziemlich straffes Programm absolvieren, geht es um die tiefe Verbundenheit der beiden Universitätsstädte Cambridge und Heidelberg. Da kann Theresa May, deren Amtszeit als britische Premierministerin womöglich keine allzu lange werden wird, noch so missmutig in die Welt blicken: In Heidelberg zeigen die Royals, wie nahe Britannien und das restliche Europa sich schon immer standen.

Die Mittel der Wahl sind ein britischer-deutscher Markt mit Essens- und Getränkeständen nebst einem Spaziergang von der Altstadt über den Neckar hin zur Neckarwiese. Und eine Ruderregatta mit aus Cambridge angereisten Wassersportlern. Selten werden die Insel und das zentrale europäische Festland sich so nahe gewesen sein. Für die Herzogin von Cambridge und den Prinzen von England ist das Programm rund um den Neckar allerdings mit ziemlich viel Arbeit verbunden: Hände schütteln, Siegermedaillen umhängen und so. Genau deswegen können sie wohl auch nicht das Schloss besuchen, obwohl das fürstliche Eigenheim mitsamt seinem weitläufigen Vorgarten eigentlich zum Pflichtprogramm jeder Heidelberg-Visite gehört. Oder gehen die Berater im Kensington Palast am Ende etwa bewusst darüber hinweg, dass das britische Königshaus wesentlich mehr mit dem Heidelberger Schloss zu tun hat, als einem Teil der Briten derzeit lieb sein könnte? Oben am Berg residierte vor 400 Jahren das Traumpaar der damaligen Zeit: Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz und die Schottin Elisabeth Stuart, Prinzessin von England und Schottland. Beide waren erst 15 Jahre alt, als sie am 14. Februar 1613 in London den Bund fürs Leben schlossen. Es war der Wille von Elisabeths Vater, dem damaligen englisch-schottischen König. Und welch ein Zufall! Das politische Kalkül des königlichen Papa entsprach der Herzensneigung der Prinzessin und des Kurfürsten. Die, so wird berichtet, hatten sich tatsächlich richtig lieb. Ein Ergebnis waren 13 Kinder, die ersten drei in Heidelberg geboren, darunter der spätere Kurfürst von der Pfalz, Karl I. Ludwig. Elisabeth und Friedrich lebten wie Kate und William ebenfalls in bewegten Zeiten. Heute ist sich ungefähr die Hälfte der britischen Bevölkerung nicht so ganz sicher, ob sie das mit dem selbst gewählten Brexit gut finden soll, was wiederum Kontinentaleuropäer irritiert. Im 17. Jahrhundert war das noch ein bisschen anders. Der Riss ging quer durch die Fürstentümer und Stände. Die Frage war: katholisch oder protestantisch? Das britische Königshaus jedenfalls wollte mit der Heirat der protestantischen Prinzessin von England und Schottland und des Heidelberger Kurfürsten eine calvinistische Bastion im Herzen des überwiegend katholisch gestimmten Festlandes errichten. 1619 wählten die protestantischen Stände in Prag Friedrich V. dann auch tatsächlich zum König von Böhmen. Das war er aber nur einen Winter lang, was ihm später den Beinamen „Winterkönig“ einbrachte. Ferdinand II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, vertrieb ihn vom Thron und sorgte für eine Rekatholisierung Böhmens. Kurz darauf brach der Dreißigjährige Krieg aus. Elisabeth und Friedrich V. blieb nur das Exil in den Niederlanden. Einige Jahre davor, als sie am 17. Juni 1613 ihren glanzvollen Einzug in Heidelberg feierten, war das alles noch prickelnder. Zwar reisten keine Wassersportler mit, dafür aber Elisabeths Entourage, zu der der Landschaftsarchitekt Salomon de Caus gehörte. Und sogar die „King’s Men“ reisten mit, Shakespeares Theatertruppe. Und in Heidelberg angekommen wurde sofort letzte Hand an das Schlossgelände angelegt, Reste sind heute noch oben am Berg zu sehen. Der Landschaftsarchitekt plante den Schlossgarten (Hortus Palatinus), Friedrich ließ einen neuen Schlossflügel (Englischer Bau) errichten und Elisabeth im sogenannten Dicken Turm ein Theater einrichten. Das mit dem Bühnenkunst hat die Jahrhunderte überdauert. Im Dicken Turm wird am Ende der Saison während der Heidelberger Schlossfestspiele immer noch gespielt. Heute Abend, wenn die Royals schon wieder abgereist sein werden, steht, auch das wagt man kaum zu sagen, sinnigerweise Cole Porters Musical nach Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ auf dem Programm: „Kiss Me, Kate“. Der Kreis schließt sich. 1613 ging es im Schloss ebenfalls um Shakespeare. Die King’s Men spielten drei Monate en suite „Der Sturm“, das Alterswerk des Meisters. Und der, so wird gemunkelt, soll auch mit dabei gewesen sein! Wie dem auch sei: Sollten Kate und William heute vielleicht doch Zeit für einen kurzen Blick hoch zum Schloss haben, fällt ihnen unter Umständen wieder ein, was in irgendeinem Dossier des Kensington Palastes erwähnt sein dürfte. Elisabeth Stuart war nicht nur die Enkelin von Maria Stuart, der Friedrich Schiller ein Königinnendrama widmen sollte. Aufgrund ihrer großen Kinderschar und eines 1701 vom britischen Parlament erlassenen Act of Settlement ist Elisabeth auch die Stammmutter der späteren Königinnen und Könige von England.

Hielten vor rund 400 Jahren Hof in Heidelberg: Friedrich V. von der Pfalz und Elisabeth Stuart, Prinzessin von England und Schot
Hielten vor rund 400 Jahren Hof in Heidelberg: Friedrich V. von der Pfalz und Elisabeth Stuart, Prinzessin von England und Schottland, hier auf einem Gemälde von Adraen Pietersz van de Venne aus dem Jahr 1628.
Elisabeth Stuart brachte 1613 Landschaftsarchitekt Salomon de Caus mit nach Heidelberg, der am Schloss den „Hortus Palatinus“ an
Elisabeth Stuart brachte 1613 Landschaftsarchitekt Salomon de Caus mit nach Heidelberg, der am Schloss den »Hortus Palatinus« anlegte, hier zu sehen auf einem Gemälde von Jacques Fouquières (vor 1620).
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