Kultur „Besser violett geträumt, als grau gedacht“

Maler als Modell: Arik Brauer auf einem Selbstporträt.
Maler als Modell: Arik Brauer auf einem Selbstporträt.

Arik Brauer? Ein – wortwörtlich – Tänzer auf vielen Hochzeiten, Jahrgang 1929. Ein Wiener mit Zweitwohnsitz in Israel, agnostischer Jude, der die Nazizeit versteckt in einem Schrebergarten überlebt hat, Maler, Architekt, Keramiker, Komponist, Grafiker, Dichter, Sänger, Renaissancemensch, der aussieht wie ein graubärtiger Asket, pragmatischer Träumer, lange Jahre Kunstprofessor in Wien, kein Liebhaber unbedingt des Gradlinigen. Und Großvater von acht Enkeln. Brauer ist einer dieser Universalgenies und fast fürstlich illuminierten Paradiesexistenzen mit Hut, die – organisiert von ihrem Pfälzer Pendant, dem Billigheim-Ingenheimer Otfried H. Culmann – seit Jahren im Herrenhof in Mußbach immer mal wieder buntschillernd aufkreuzen. Die Bilder ausgeklügelte Rätsel in schreienden Farben, mit Inbrunst gemalt, sie werden von der Kritik, sagen wir es so, nicht immer goutiert. Phantastische Realisten nennen sie sich, mehr noch ein Lebensstil als eine Selbstbeschreibung. Ihre Werke oszillieren zwischen Überwältigung, Kunstgeschichte und Kitsch. Allen voran die ihres Vorzeige-Bonvivants Ernst Fuchs (1930 bis 2015), vom Herrenhof 2010 mit einer Schau groß hofiert. Und jetzt ist also Arik Brauer – mit Fuchs und Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter und Anton Lehmden in den 1950er-Jahren einer der Mitgründer der maßgeblichen „Wiener Schule “ –, dran mit den höheren Pfälzer Weihen. Am 1. Oktober wird die Arik-Brauer-Ausstellung, natürlich von Otfried H. Culmann verantwortet, im Mußbacher Herrenhof eröffnet. Mit Bildern von plausibler Unwahrscheinlichkeit, Landschaften, Tieren, Fabelwesen, die farbstark und fantastisch glühen. Abbilder einer Parallelwelt, die jetzt gerade existieren könnte. Oder eben irgendwann. Brauer selbst wird übrigens anwesend sein. Ist versprochen. Es heißt, er sei immer noch kregel. Brauer entstammt der orthodox jüdischen Familie des Schumachers Simon „Simche“ Brauer aus Wilna und wuchs in Wiens proletarischer Vorstadt Ottakring auf. Ab 1945 studierte er an der Akademie der bildenden Künste in der österreichischen Hauptstadt. Kurz war er auch Balletttänzer. In seiner Pariser Zeit trat er mit seiner Frau Naomi als „Noemi et Arik Bar-Or erfolgreich auf. Mit 70 sah man ihn noch am Großglockner. Seine Bilder werden auch in großen international renommierten Häusern ausgestellt. Er hat sich – wie andere des Schlags – auch mit einer von ihm allumfassend entworfenen Architektur verewigt. Das Brauerhaus steht in Wien. Sein Alleinstellungsmerkmal unter seinesgleichen allerdings ist, dass Brauer sich mit fälschlich Austropop genannten Protest- und Nachdenkliedern auf Wienerisch zwei Goldene Schallplatten ersang. Ein Album trägt den schönen Titel: „Motschkern is g`sund“ – Kritisieren ist gesund. Figuren aus seiner Kindheit bevölkern die Lieder. Der einbeinige Spiritus aus dem Keller. Sein Nazilehrer mit den übergroßen Knickerbockerhosen. Die Spinnerin, die ihr Meerschweinchen spazieren fuhr und das KZ Ravensbrück überlebte, der Huat-Onkel, der mit einem Hutturm umherging. „Hat das Zimmer lauter glatte Ecken, wie soll sich denn der Dackel da verstecken“, heißt es in einem seiner Lieder. „Die Farben meines Lebens“ nannte er seine 2005 erschienene Biografie. Am besten beschreibt ihn indes der Titel eines bunten Aquarells: „Besser violett geträumt, als grau gedacht.“ Muss man mehr sagen? Vernissage ist um 11.15 Uhr. Informationen Die Ausstellung „Arik Brauer. Ein Hauptvertreter des Phantastischen Realismus“ läuft bis 12. November im Herrenhof in Mußbach. Eröffnung am Sonntag, 1. Oktober. Arik Brauer ist anwesend. Und seine Tochter Timna Brauer-Meiri singt Lieder von ihm. Im Netz: www.arikbrauer.at, www.herrenhof-mussbach.de

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