Kaiserslautern Eine Schule des Sehens

Die Dekonstruktion fest eingefahrener Sehgewohnheiten, das Ziel also, visuelle Klischees zu konterkarieren und so Themen, Räume und Motive gleichsam fürs Auge wieder begehbar zu machen, ist so etwas wie die Königsdisziplin der Fotografie. Auch der Schwetzinger Fotograf Jessen Oestergaard verfolgt in seinen Arbeiten dieses Anliegen und gibt es auch an seine „Schüler“ weiter, wie jetzt die erste Überblicksausstellung zu dem von ihm begründeten „Schwetzinger Foto-Salon“ im Herrenhof in Neustadt belegt.

Der „Foto-Salon“ entstand 2007, ein von Oestergaard ins Leben gerufener Fotografie-Kurs unter dem Dach der örtlichen Volkshochschule und folgt bis heute dem damaligen Konzept. So bekommen die rund 20 Fotografinnen und Fotografen, zum allergrößten Teil ambitionierte Amateure, jedes Jahr von Oestergaard eine zumeist technisch-formal definierte Aufgabe, für die sie dann binnen eines halben Jahres Lösungen suchen können. Die besten, jeweils einheitlich aufbereitet in Format, Rahmung und Printmaterial, werden im Herbst in einer Ausstellung in Schwetzingen präsentiert. Im Herrenhof sind die sieben bisherigen „Jahrgänge“ mit ihren besten Arbeiten, ergänzt um einige charakteristische Bilder des Kursleiters, der als freiberuflicher Kunst-, Werbe- und Industriefotograf in Schwetzingen lebt, nun in chronologischer Reihung zu sehen. Schon allein die Aufgabenstellungen an sich sind eine Inspiration für jeden Fotofreund, insbesondere, wenn er vielleicht auch selbst gerne einmal zur Kamera greift. Um Bilderpaare etwa ging es bei der Premiere 2007, als Analogien zwischen der Stadt und Schloss und Garten in Schwetzingen das Thema waren; aber auch 2008, als ein Motiv einmal bei Tag, einmal bei Nacht aufzunehmen war; und 2010, als zwei Einzelaufnahmen, je eine Frosch- und eine Vogelperspektive, vom selben Standpunkt aus gefordert wurden. Kontraste – Ruhe und Bewegung, Schärfe und Unschärfe, Licht und Schatten – standen 2009, 2011 und 2012 im Blickpunkt. 2013 schließlich waren Fotoserien, die Szenen mit gleicher Perspektive und gleichem Ausschnitt in zwölf in kurzer Folge aufgenommenen Bildern boten, auf Oestergaards Wunschzettel. Alle Arbeiten eines Jahrgangs werden, wie gesagt, einheitlich präsentiert, mal etwa als Giclée-Prints auf Büttenpapier, dann wieder als HDR-Pigmentdruck auf Leinwand mit Schutzfirnis oder als Lambda-Laserprint auf Fotopapier und Aluplatte. Das soll, wie Oestergaard sagt, beim Betrachter für eine Fokussierung des Blicks sorgen. Und man kann wohl sagen, dass dies tatsächlich gelingt. Inhaltlich wird bei den Beiträgen natürlich nirgends das Rad neu erfunden, aber es sind doch etliche sehr originelle Bilder zu sehen, besonders die jüngsten Jahrgänge und vor allem die Fotoserien von 2013 tun sich hier hervor. Zur Gretchenfrage analog oder digital gibt es von Oestergaard übrigens keine Vorgaben, doch hat sich erkennbar bei nahezu allen Beiträgen die Digitalfotografie durchgesetzt. Auch das klassische Schwarz-Weiß findet sich kaum mehr. Geblieben ist freilich das Ethos, möglichst weitgehend auf digitale Nachbearbeitung zu verzichten. Anders als seine „Eleven“ hält der kreative Kopf des „Foto-Salons“, Jessen Oestergaard, in seiner Kunstfotografie – nimmt man seine drei im Herrenhof mit ausgestellten Serien zum Maßstab – der analogen Technik die Treue und verzichtet auch weitgehend auf Farbe. Die Serie „17 Minutes in Summer“ etwa besteht aus großen, schwarz-weißen Hochformaten, die an einem See in Brandenburg entstanden und in denen das Schilf und die Spiegelungen und Brechungen auf der Wasseroberfläche ein ornamental wirkendes Hell-Dunkel-Spiel erzeugen. Die „Double Visions“ setzen, wie der Name schon andeutet, auf klassische Doppelbelichtung, und die in diesem Jahr entstandenen „Rhine Negatives“ sind die mit einer analogen Sofortbildkamera aufgenommenen und digital weiterbearbeiteten Negativabzüge eines Spaziergangs am Rhein, die in ihrer märchenhaften Stimmung fast wie ein Grafikzyklus anmuten.

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